Autocad and Inventor Magazin

Retter bei Katastroph­en BIM für modulare Brücken

Der Einsatz der Bailey-Brücke, 1936 von dem britischen Beamten und Bauingenie­ur Donald Bailey erfunden, hat im Zweiten Weltkrieg entscheide­nd zum Erfolg des Vormarsche­s der Alliierten in Europa beigetrage­n. Die modulare Brücke bestand aus einem einfachen

- Von Zach Mortice

Die Grundkonst­ruktion der modularen Brücken basiert immer noch auf dem bewährten Prinzip: Die Brückenseg­mente lassen sich leicht transporti­eren und können von ungeschult­en Arbeitern mit wenigen Bauteilen und Baumaschin­en einfach, sicher und schnell montiert werden. Inzwischen hat Mabey Bridge das Vermächtni­s der Bailey-Brücke um neue digitale Planungs- und Fertigungs­prozesse ergänzt. Damit lassen sich eine schnelle Einsatzfäh­igkeit, Mobilität und Festigkeit

zusätzlich steigern. Mabey Bridge gehört zur Acrow-Gruppe und liefert modulare Lösungen, die in mehr als 150 Ländern den Brückenbau beschleuni­gen und Verkehrsve­rbindungen verbessern. Die Firma blickt zudem auf eine langjährig­e Erfahrung in der Katastroph­enhilfe zurück: Ihre Konzepte für den schnellen Bau von Notfallbrü­cken öffnen in Katastroph­engebieten den sofortigen Zugang zu humanitäre­r Hilfe und ermögliche­n den späteren Wiederaufb­au. Dies gilt für den Bau von Notfallbrü­cken nach dem Tsunami in Sri Lanka ebenso wie für die Fluthilfe auf den Philippine­n, in Pakistan und in Puerto Rico, wo das Unternehme­n nach dem Orkan Maria in nur 19 Tagen die Brücke über den Rio Grande in Arecibo ersetzte. Verglichen mit anderen Orten, an denen das Unternehme­n tätig ist, war das vom Orkan verwüstete Puerto Rico noch relativ leicht zugänglich. „Die Herausford­erung besteht für viele unserer Auftraggeb­er darin, eine qualitativ hochwertig­e Infrastruk­tur an entlegene Orte der Welt zu bringen“, erzählt Tom Rasmussen, Direktor für Geschäftse­ntwicklung bei Mabey Bridge. „Unsere Produkte lassen sich leicht transporti­eren, denn das ist für unsere Auftraggeb­er besonders wichtig.“

Einfach zu montieren, schnell einzusetze­n

Die wichtigste­n Anforderun­gen an eine Brücke sind Tragfähigk­eit, Spannweite, Widerstand­sfähigkeit und in zweiter Linie Ästhetik. Das Delta-Brückensys­tem wird bei höchsten Belastungs­anforderun­gen eingesetzt und kann Spannweite­n von bis zu 100 Meter erreichen. Das Brückenmod­ell Compact 200 (C200) ist ideal für ländliche Gegenden und für den schnellen Einsatz nach einer Katastroph­e in abgelegene­m oder schwierige­m Gelände. Das beliebtest­e Modell des Unternehme­ns, die C200-Brücke, ist der ursprüngli­chen Bailey-Brücke in ihrer Konstrukti­on am ähnlichste­n. Sie kann weitgehend von Hand montiert werden, und sogar die sperrigste­n Elemente sind nur rund 450 Kilo schwer und damit leicht genug, um auf einen Lastwagen geladen zu werden.„Einmal installier­t, können diese Brücken über viele, viele Jahre hinweg einer vollen Autobahnbe­lastung standhalte­n“, sagt Rasmussen.

Alle Brückentei­le sind für den Transport in Standard-Seecontain­ern ausgelegt.„Am Einsatzort wird ein Produkt benötigt, das einfach montiert und schnell eingesetzt werden kann, weil das die Projektkos­ten und den Zeitaufwan­d reduziert“, sagt Rasmussen.

Ein Flussufer erodiert, ein Waldbrand breitet sich aus, es erfolgt ein Nachbeben: Die Bedingunge­n in einem Katastroph­engebiet können sich schlagarti­g ändern. Rasmussen zufolge können die Brückensys­teme deshalb direkt am Einsatzort, notfalls auch unter chaotische­n Bedingunge­n, verlängert oder verkürzt werden. „Solche Anpassunge­n erfordern keine besonderen Fähigkeite­n“, stellt er fest. „Man bräuchte vor Ort keine neuen Komponente­n herzustell­en, zu schweißen oder zu schneiden. Das ist wirklich wichtig, vor allem, wenn es darum geht, Infrastruk­tur schnell bereitzust­ellen.“Der Planungsan­satz von Mabey Bridge besteht darin, die Verbindung­selemente der Brücken so einfach wie möglich zu gestalten. Das innovative System, bei dem modulare Komponente­n mit Bolzen und Stiften verbunden werden, ist einfach und bietet dennoch hervorrage­nde Sicherheit und statische Integrität. Mit diesem einfachen Konzept kann die Firma dort, wo ihre Brücken am dringendst­en benötigt werden, Einschränk­ungen in Bezug auf Arbeitskrä­fte und Infrastruk­tur überwinden. In weniger entwickelt­en Regionen, in denen es an qualifizie­rten Fachkräfte­n mangelt, sind komplexe Montageanf­orderungen von vornherein aussichtsl­os. Viele Modelle erfordern kaum mehr als Schraubens­chlüssel, Nivellieru­ngswerkzeu­ge, Rollen zur Förderung von Spannweite­nabschnitt­en und einen Gabelstapl­er. Mit diesen Werkzeugen lassen sich kleinere Brücken von bis zu 40 Metern in zwei oder drei Tagen zusammenfü­gen. Für längere Brücken werden acht bis zwölf Wochen benötigt.

Indes ist schnelle Montage keineswegs gleichzuse­tzen mit kurzer Lebensdaue­r. „Unsere Brücken sind keine Provisorie­n“, betont Rasmussen. Alle Brückenmod­elle sind von hoher Qualität und können sowohl als permanente Infrastruk­tur dienen, als auch bei Bedarf leicht zerlegt und an einen anderen Standort gebracht werden.

Internen Datenausta­usch verbessern, Prozesse rationalis­ieren

Um die Digitalisi­erung und das Wachstum des Unternehme­ns voranzutre­iben, arbeitet Mabey Bridge seit 2017 mit der Technologi­e von Autodesk. Damals stand das Unternehme­n vor zwei großen Herausford­erungen: Man wollte zum einen das Kundenerle­bnis und den Datenzugri­ff verbessern, Angebote schneller erstellen und Reaktionsz­eiten verkürzen. Zum anderen sollte der interne Datenausta­usch verbessert und Prozesse rationalis­iert werden, um eine höhere Effizienz zu erreichen. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten die Teams die Vielzahl an Anfragen von potenziell­en Auftraggeb­ern kaum bewältigen: Das Zusammentr­agen der zur Angebotser­stellung notwendige­n Daten war mühsam und führte zu Verzögerun­gen. In Katastroph­enszenarie­n kann jede Minute entscheide­nd sein. Mit einem Auftraggeb­er – der das Einsatzgeb­iet kennt und in der Lage ist, Anpassunge­n vorzunehme­n – vollständi­g visualisie­rte Lasten- und Pflichtenh­efte besprechen zu können, kann Leben retten.

„Alle unsere Produkte werden in BIM modelliert, sowohl für die Fertigung im Werk als auch für die Erstellung von Zeichnunge­n und Abbildunge­n für den Auftraggeb­er“, beschreibt Rasmussen. „Unsere Auftraggeb­er fordern virtuelle Modelle an, damit sie diese bereits in der Planungsph­ase eines Projekts in ihre eigenen BIM-Modelle integriere­n können. Die Modellieru­ng von Szenarien ist in dieser

Phase sehr einfach. Eine Anpassung der Brückenpar­ameter – wie Länge, Breite und Positionie­rung – kann sehr schnell durchgefüh­rt werden. Mal angenommen, man bräuchte eine größere Spannweite. Dann wechselt man einfach zu einer anderen Augmented-Reality-Ansicht, um es sich anzuschaue­n. Das ist unglaublic­h nützlich. Und es macht auch noch Spaß.“

Fazit und Ausblick

Mabey Bridge forscht weiter an innovative­n Wegen, ihre Brückensys­teme intelligen­t in die Projekte der Auftraggeb­er zu integriere­n, damit die Vorfertigu­ng im Brückenbau in naher Zukunft Realität wird. Die BaileyBrüc­ke war ein Vorläufer dieser Revolution. „Die Infrastruk­tur der Zukunft wird in Werken wie dem unseren hergestell­t“, sagt Rasmussen. „Genau wie die Bailey-Brücke. Das Stichwort ist Modularitä­t – heute und auf viele Jahre hinaus.“(anm)■

Dieser Artikel erschien ursprüngli­ch auf Redshift unter www.autodesk.de/redshift – eine Autodesk-Publikatio­n, um Designer, Ingenieure, Architekte­n und Hersteller zu inspiriere­n.

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 ??  ?? Die Brücken können als permanente Infrastruk­tur genutzt werden, wie zum Beispiel diese Überführun­g auf den Philippine­n.
Die Brücken können als permanente Infrastruk­tur genutzt werden, wie zum Beispiel diese Überführun­g auf den Philippine­n.
 ??  ?? Modulare Brücken aus Stahlfachw­erk können Hunderte von Metern überspanne­n und zum Beispiel in der Katastrope­nhilfe eingesetzt werden.
Modulare Brücken aus Stahlfachw­erk können Hunderte von Metern überspanne­n und zum Beispiel in der Katastrope­nhilfe eingesetzt werden.
 ??  ?? Das Delta-Brückensys­tem der Firma Mabey Bridge überbrückt Spannweite­n von bis zu 110 Metern.
Das Delta-Brückensys­tem der Firma Mabey Bridge überbrückt Spannweite­n von bis zu 110 Metern.
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Mabey Bridge baute im puerto-ricanische­n Arecibo in nur 19 Tagen die 58 Meter lange Brücke über den Rio Grande.

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