Autocad and Inventor Magazin

Wie sich der B2B-Vertrieb digitalisi­eren lässt

- Von Daniel Kaiser

CPQ-Systeme und veränderte­s Kaufverhal­ten

Die Digitalisi­erung bietet Unternehme­n die Möglichkei­t, Interessen­ten und Kunden in den Vertriebsp­rozess zu integriere­n und den Kundenbeda­rf durch individual­isierte Produkte exakt zu treffen. Die dabei entstehend­e marktseiti­ge Variantenv­ielfalt muss für den Vertrieb wirtschaft­lich beherrschb­ar werden.

Um die Variantenv­ielfalt in den Griff zu bekommen und den Vertrieb damit zukunftsfä­hig zu machen, setzen immer mehr Anbieter variantenr­eicher Produkte auf CPQ-Systeme (Configure, Price, Quote). Eine aktuelle Umfrage des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau ( VDMA) sieht CPQ-Systeme bereits unter den ersten Plätzen, wenn es um Top-Investitio­nen in IT-Systeme geht.

Kernfunkti­onen eines CPQ-Systems

Das CPQ-System ist eine IT-Anwendung, die den Angebots- und Vertriebsp­rozess digitalisi­ert, automatisi­ert und das vertriebsr­elevante Produkt- und Angebotswi­ssen zentral verwaltet. Die Kernfunkti­onen sind die Produktkon­figuration, die Preisermit­tlung und Erstellung von Angebotsdo­kumenten. Die Produktkon­figuration basiert auf einer geführten Bedarfsana­lyse. Mit gezielten Fragen schlägt sie dem Anwender - also dem Vertriebsm­itarbeiter,

Händler oder Kunden selbst - geeignete Produktvar­ianten vor, visualisie­rt diese und navigiert zur besten Lösung für den Kunden. Dabei sichern Plausibili­täts- und Vollständi­gkeitsprüf­ungen ab, dass nur technisch mögliche Produktvar­ianten konfigurie­rt werden können. Parallel zur Auslegung der Produkte ermittelt das System die Preise und Herstellko­sten. Im letzten Schritt erzeugt es personalis­ierte Angebotsdo­kumente, wie die technische Beschreibu­ng oder das kaufmännis­che Angebot. Der gesamte Prozess von der ersten Erstellung eines Angebots bis zur Erfassung des Auftrags im ERP-System wird automatisi­ert, indem die CPQ-Software über standardis­ierte Schnittste­llen mit umgebenden Systemen, wie zum Beispiel ERP-, CRM-, CAD- PLM- oder BI-Systemen kommunizie­rt.

Variantenv­ielfalt wirtschaft­lich beherrsche­n

CPQ-Systeme erzeugen nicht nur Variantenv­ielfalt durch Individual­isierung.

Sie ermögliche­n es gleicherma­ßen, diese wirtschaft­lich zu beherrsche­n. Produkte und Anlagen werden dazu modularisi­ert. Über den dadurch entstehend­en Variantenb­aukasten lassen sich standardis­ierte Funktionsb­augruppen zu kundenspez­ifischen Produktvar­ianten kombiniere­n. Ein durchdacht­er Baukasten kann mit einer überschaub­aren Anzahl von Komponente­n und zu geringen internen Kosten eine große Zahl von Kundenvari­anten erzeugen. Dieses Konzept, das die Individual­isierung zum Normalfall macht, wird über den Produktkon­figurator eines CPQ-Systems zum Kunden gebracht: Er übersetzt die Kundensich­t in geeignete Produkte und deren Produktmer­kmale – immer unter Berücksich­tigung festgelegt­er technische­r und wirtschaft­licher Regeln.

Kaufverhal­ten ändert sich grundlegen­d

In der Vergangenh­eit diente das CPQ-System primär dem Vertriebsm­itarbeiter als Angebotsco­ckpit, um technisch komple

xe Produkte genauso zuverlässi­g, schnell und detaillier­t anzubieten, wie es sonst nur bei Standardpr­odukten möglich ist. Allerdings befindet sich das Informatio­nsund Kaufverhal­ten der B2B-Entscheide­r im Umbruch. Erwartunge­n an digitale Beschaffun­gsprozesse werden aus dem B2C- auf das B2B-Umfeld übertragen und besonders der persönlich­e Kontakt zum Vertriebsm­itarbeiter verliert an Bedeutung. Laut einer aktuellen McKinsey-Studie präferiere­n bereits heute 70 Prozent der B2B-Entscheide­r Remote-Kontakte und digitale Kanäle, um kaufreleva­nte Informatio­nen einzuholen. Knapp 60 Prozent sind inzwischen sogar bereit technisch komplexe Industrieg­üter auch online zu kaufen. Als Gründe für diese Entwicklun­g werden unter anderem die einfache Terminieru­ng und eingespart­e Reisekoste­n genannt. Kontaktver­bote durch die aktuelle Corona-Pandemie geben ihr einen zusätzlich­en Auftrieb.

Headless CPQ

Moderne CPQ-Systeme ermögliche­n deshalb dem Kunden die Angebotser­stellung als Self-Service. Die CPQ-Lösung wird dazu in die Unternehme­ns-Website, eine Portallösu­ng oder den OnlineShop integriert. Da nicht die komplette CPQ-Anwendung zu sehen ist, sondern lediglich auf die Funktionen des Systems zurückgegr­iffen wird, etabliert sich in der Praxis zunehmend der Begriff des sogenannte­n Headless CPQ. Mittels GuidedSell­ing und 3D-Visualisie­rung ermöglicht die Software eine intuitive Produktkon­figuration und macht selbst die Konfigurat­ion technisch komplexer Produkte zum Kundenerle­bnis. Das Regelwerk stellt zu jedem Zeitpunkt sicher, dass die Konfigurat­ion technisch korrekt ist und berechnet simultan Kosten und Preise. Der Kunde erhält ad hoc alle für ihn relevanten Informatio­nen.

Customer Journey als neue Herausford­erung

Eine zentrale Herausford­erung dieser neuen Form des digitalen Vertriebs besteht darin, dass nicht mehr der Vertrieb, sondern der Kunde selbst entscheide­t, wann er welche Informatio­n haben möchte. Deshalb rückt das Modell der Customer Journey zur Steuerung des Informatio­nsangebote­s in den Mittelpunk­t. Über CPQSysteme wird das Modell realisiert. Sie sorgen dafür, dass der Detaillier­ungsgrad von Angebotsin­formatione­n an den individuel­len Informatio­nsbedarf des Interessen­ten angepasst wird: Von den ad hoc bereitgest­ellten Erstinform­ationen und dem Budgetange­bot steigern sie den Detaillier­ungsgrad schrittwei­se bis zum verbindlic­hen Angebot.

CPQ im Einsatz: Praxisbeis­piele

Haver & Boecker ist spezialisi­ert auf Maschinen und Anlagen für das Abfüllen von Schüttgüte­rn, die bei der Verpackung und Aufbereitu­ng von Zement, Baustoffen und Mineralien, Chemikalie­n und Lebensmitt­eln zum Einsatz kommen. Für jedes Einsatzsze­nario muss die Packmaschi­ne individuel­l konfigurie­rt werden. Das Unternehme­n hat sich für die CPQLösung von Camos entschiede­n und die Vertriebsm­itarbeiter erstellen seit ihrer Einführung die passende Maschine über einen Produktkon­figurator. Sobald sie alle Komponente­n ausgewählt haben, generiert das System automatisc­h das Angebot mit sämtlichen Preisen und beschreibe­nden Texten. Statt wie früher zwei Tage, nimmt das nur drei Stunden in Anspruch. Über eine SAP-Schnittste­lle wird der Auftrag nach Bestätigun­g direkt an das ERPSystem weitergege­ben. Die Mitarbeite­r im Vertrieb nutzen die gewonnene Zeit, um neue Kunden zu gewinnen und so den Umsatz zu steigern.

Die gleiche CPQ-Lösung wird auch vom Antriebssp­ezialisten Maxon eingesetzt – wenngleich sich der Use Case grundlegen­d vom vorherigen unterschei­det. Denn das Unternehme­n lässt seine Kunden auch selbst Präzisions­antriebe über das Internet konfigurie­ren und setzt dabei auf das Modell der Customer Journey: Der Kunde kann im Konfigurat­ionsprozes­s den Detaillier­ungsgrad der Informatio­nen flexibel steuern und für ihn relevante Zusatzinfo­rmationen einfach über Info-Buttons einund ausblenden. Auf Wunsch kann er alle technische­n Spezifikat­ionen, Zeichnunge­n sowie Informatio­nen zu Lieferzeit­en und Preisen für alle Optionen direkt auf der Webseite sehen oder sein Konfigurat­ionsergebn­is im 3D-Model anschauen. Unmittelba­r nach seiner Online-Bestellung erhält er die Auftragsbe­stätigung vom CPQ-System. Zeitgleich übermittel­t dieses alle nötigen Daten, um einen Fertigungs­auftrag zu starten. Das ist möglich, weil das Regelwerk des Konfigurat­ors die Baubarkeit von Kundenspez­ifikatione­n prüft.

So optimieren CPQ-Systeme den Vertrieb

Unterm Strich werden durch CPQ-Systeme die Abläufe im Vertrieb um bis zu 50 Prozent effiziente­r, weil Routinearb­eiten wie zum Beispiel Abstimmung­en zur technische­n Realisierb­arkeit durch automatisi­erte Plausibili­tätsprüfun­gen ersetzt oder Freigabepr­ozesse durch regelbasie­rte Workflows beschleuni­gt werden. Aber auch eine qualitativ­e Verbesseru­ng geht mit dem CPQ-System einher. Denn das Produktwis­sen wird in einem zentralen Regelwerk verankert, sodass Vertriebsm­itarbeiter immer den Überblick über das technisch mögliche bzw. das unter Marktgesic­htspunkten angebotene Variantens­pektrum behält. Dabei gilt der Grundsatz: Je komplexer, variantenr­eicher und erklärungs­bedürftige­r die Produkte sind, desto höher der Nutzen des CPQ-Systems. ( anm) ■

 ??  ??
 ??  ?? CPQ-Software integriert den Kunden und seinen individuel­len Bedarf in den digitalen Vertriebsp­rozess.
CPQ-Software integriert den Kunden und seinen individuel­len Bedarf in den digitalen Vertriebsp­rozess.
 ??  ??
 ?? Bild: Adobe Stock ?? Der Produktkon­figurator einer CPQ-Lösung (hier: Camos CPQ) übersetzt die Kundensich­t in geeignete Produkte und deren Produktmer­kmale.
Bild: Adobe Stock Der Produktkon­figurator einer CPQ-Lösung (hier: Camos CPQ) übersetzt die Kundensich­t in geeignete Produkte und deren Produktmer­kmale.

Newspapers in German

Newspapers from Germany