Mehr Flexibilität, weniger Verschleiß
Elastische Welle löst Kardanantrieb in Siebmaschine ab
Mit der Welle SGFlex-3FD-Connect-L bietet SGF eine elastische, wartungsfreie Alternative zu Wellen mit Kardangelenken und Schiebestück. Die Welle ermöglicht so den dauerhaften Einsatz in rauer Umgebung und bietet darüber hinaus den Vorteil, dass sie – im Gegensatz zur Kardanwelle – bei null Grad Beugewinkel problemlos einzusetzen ist. Für Anlagenbauer Haver & Boecker Niagara genug Gründe, elastische Wellen für den Antrieb des Richterregers ihrer hausgroßen Linearsiebe zu verwenden.
Manchmal sind es kleine Dinge, die Einfluss auf die Verfügbarkeit großer Anlagen haben – zum Beispiel bei den Hochleistungslinearsieben der Firma Haver & Boecker Niagara. Die schweren Anlagen dienen der Klassierung von Gütern wie Erz, Sand, Kies und anderen
Baustoffen oder Düngemitteln. Dabei werden pro Stunde bis zu 500 Tonnen Aufgabematerial durch die Vibration des Siebkastens abgesiebt. Für die betriebssichere Verfügbarkeit dieser Siebanlagen bis zur nächsten Inspektion oder Überholung ist die Antriebswelle eine entscheidende Komponente.
Welle gleicht Bewegung im Antrieb aus
Dass der Antrieb wesentlichen Einfluss auf die Einsatzbereitschaft der Siebanlage hat, ist in der geforderten Flexibilität begründet. Denn für die notwendige Schwingung der Linearsiebe, die mit einem Mehrfachen der Erdbeschleunigung erfolgt, ist ein Richterreger zuständig. Dieser erzeugt starke Linearschwingungen und ist auf dem schwingenden Siebkasten montiert. Angetrieben wird er aber von einem starr mit dem Anlagenrahmen verbundenen Elektromotor, der über einen Keilriemen auf die Antriebswelle des Erregers wirkt. „Die Welle, die das Drehmoment auf den Richterreger überträgt, muss also nicht nur der Kraftübertragung gewachsen sein, sondern auch über zigtausend Stunden zuverlässig einen Ausgleich zwischen der starren und der beweglichen Komponente schaffen“, erklärt Klaus Fennenkötter, Technischer Leiter bei Haver & Boecker Niagara.
Wartungsfreie Antriebswellen gefordert
Früher kam zur Drehmomentübertragung standardmäßig eine Kardanwelle mit Schiebestück zum Einsatz, damit seitliche Bewegungen des Erregers und Bewegungen in axialer Richtung vom Antriebsstrang ausgeglichen werden konnten. Kardangelenke haben jedoch zwei Eigenschaften, die beim Einsatz in den Linearsieben Aufmerksamkeit verdienen: Ihre Lager verschleißen schneller, wenn sie bei null Grad Beugewinkel betrieben werden, und sie sind empfindlich gegen Schmutz und Staub. Dem Eindringen von verschleißfördernden Partikeln lässt sich durch eine Kapselung und Schmierung entgegenwirken. „Das Abschmieren bedeutet für den Endanwender aber Wartungsaufwand“, erläutert Fennenkötter und ergänzt: „Wird das Schmieren vergessen, laufen die Gelenke trocken, und das führt irgendwann zum Ausfall der Welle – und der ganzen Anlage.“
Auf der Suche nach einer weniger verschleißanfälligen Lösung stieß das Entwicklungsteam von Haver & Boecker Niagara vor einigen Jahren zunächst auf die Gelenkscheiben der Süddeutschen Gelenkscheibenfabrik GmbH & Co. KG in Waldkraiburg. Eine Gelenkscheibe dient der Kraftübertragung zwischen zwei Flanschen. Sie ist ein elastisches Element zum Reduzieren von Drehmomentspitzen bzw. Absorbieren von Anfahrstößen. Eine Gelenkscheibe gleicht auch einen Winkelversatz aus und ersetzt so ein Kardangelenk.
Aufgebaut sind die Gelenkscheiben aus Fadenpaketen der sogenannten TenpuFadentechnologie (siehe Bild), welche die Kraft übertragen; das von außen sichtbare Elastomer schützt die Fadenpakete gegen Umgebungseinflüsse und minimiert
Klaus Fennenkötter, Technischer Leiter bei Haver & Boecker Niagara:
„Die SGF-Wellen benötigen keine Wartung und lassen sich dauerhaft mit null Grad Beugewinkel betreiben – zwei große Vorteile gegenüber den Kardanwellen, die wir früher verwendet haben.“
Geräusche. Diese Geräuschdämpfung ist bei Siebmaschinen weniger wichtig, bei zum Beispiel Fahrzeugen hingegen oft von Vorteil. Die SGF-Gelenkscheibe ist also eine Art Gummikupplung mit Fadenverstärkung, die Beugewinkel ausgleicht und auch in axialer Richtung etwas elastisch ist. Zusammen mit einem Schiebestück ließ sich somit die für die großen Schwingsiebe geforderte Flexibilität in radialer und axialer Richtung sicherstellen.
Kundenanfrage stieß die Neuentwicklung an
Fennenkötter erinnert sich: „Unsere Kollegen in Brasilien begannen vor etwa fünf Jahren, die ersten Antriebswellen mit Gelenkscheiben auszurüsten.“Damals wurden die Wellen noch von Haver & Boecker Niagara zusammengebaut, doch irgendwann stellte sich das Konstruktionsteam die Frage, ob der Bezug kompletter Wellen nicht einfacher und vielleicht auch wirtschaftlicher sei. Das Team in Münster fragte daher komplette Wellen an. „Selbstverständlich haben wir uns damals wieder an SGF gewandt“, erläutert der Technische Leiter. „Für das Unternehmen sprachen neben der guten Erfahrung mit den Gelenkscheiben auch die Tatsache, dass SGF international aktiv ist und wir somit in der Nähe unserer Werke – in Nord- und Südamerika sowie in Deutschland – SGF-Stützpunkte wussten.“
Der SGF-Konstruktionsabteilung gab die Anfrage den Anstoß, die neue Baureihe SGFlex-3FD-Connect-L zu entwickeln und ihre SGFlex-Reihe zu erweitern. Die elastischen Wellen dieser Baureihe sind in sechs Standardbaugrößen im Bereich zwischen 100 bis 3.200 Nm Nenndrehmoment erhältlich, wobei die Standardversionen mit Wellen bis zu 2.000 mm geliefert werden. Die Wellen eignen sich für Drehzahlen bis 7.000 U/min und werden von SGF mit den vom Kunden bevorzugten Flanschen bestückt. Den jeweiligen Anforderungen entsprechend passt das Werk außerdem die Wellenlänge und das Schiebestück an.
Langlebig, ohne Pflege zu benötigen
Einige dieser elastischen Wellen wurden dieses Jahr bereits in Hochleistungslinearsieben von Haver & Boecker Niagara verbaut. Es handelt sich hierbei um Sonderausführungen, die – wie eine Kardanwelle – noch über Wartungsnippel verfügt. „Die Option zum Schmieren haben wir auf Wunsch des Endkunden vorgesehen“, erläutert der Technische Leiter. „Erforderlich ist das Schmieren aber nicht“, betont er. Für Haver & Boecker Niagara sei ja gerade die Wartungsfreiheit der kompletten Welle ein entscheidender Vorzug gegenüber dem Kardanantrieb. Denn vergisst der Endanwender, die Kardangelenke und das Schiebestück zu warten bzw. zu schmieren, ist dies zwar kein Fehler des Anlagenbauers, kann jedoch zum Ausfall der Gesamtanlage führen und somit einen Imageschaden nach sich ziehen. Mit den neuen, elastischen Wellen ist dieses Risiko gebannt.
Fennenkötter weist auf einen weiteren Vorzug der SGF-Wellen hin: „Da sie sich problemlos auch mit null Grad Beugewinkel betreiben lassen, löst die elastische Welle gleich ein zweites potenzielles Verschleißproblem, das sich bei Kardanwellen ergibt.“
Die Anwendung von wartungsfreien, elastischen Wellen wie denen der Baureihe SGFlex-3FD-Connect-L lohnt sich daher nicht nur für den Hersteller von Schwingsieben. Auch andere Anlagen für den Bergbau, Gießereien, Stahlwerke oder beispielsweise Prüfstände und Recyclinganlagen können von der Elastizität und Unempfindlichkeit der SGF-Antriebswellen profitieren. ( anm) ■
Franz M. Wimmer, Senior Manager Industrial Applications bei der SGF GmbH & Co. KG:
„In der Vergangenheit gab es immer wieder Gedanken auch komplette Antriebswellen herzustellen und zu vertreiben. Daraus entstand dann 2018 die SGFlex-3F-Connect-Baureihe, im ersten Schritt mit starrer Zwischenwelle. Durch den axialen Ausgleich der Gelenkscheibe war keine Variante mit zusätzlichem Längenausgleich geplant.“