Vorfahrt für die TGA
Gebäudetechnische Systeme benötigen ausreichend große Technikzentralen, deren Anordnung die Trassenführung, aber auch die Gebäudestatik, die Optik und die Baulogistik beeinflussen kann. Dachzentralen lassen sich etwa als vorgefertigte Komponenten per Kran einbringen, sind jedoch von außen sichtbar und verursachen hohe Schachtquerschnitte. Die baubeteiligten Gewerke können das in frühen Planungsphasen berücksichtigen.
Um eine effektive Kollaboration im gesamten Planungsprozess zu fördern, liegt es im Interesse aller planungsbeteiligten Gewerke in der Vorentwurfsphase ausreichende Flächen und Bereiche für die Gebäudetechnik abzustimmen und diese mit einfachen geometrischen Volumenkörpern (LoG 100) zu reservieren. Die frühe Festlegung der Bereiche bietet den Vorteil, dass in fortgeschrittenen Planungsphasen nur noch Abstimmungen bei der Verletzung dieser Bereiche notwendig werden. Versucht man darüber hinaus schon bei der Konstruktion der einzelnen Gewerke diese Grenzen einzuhalten, reduziert dies auch die Notwendigkeit, zeit- und kostenintensive Planänderungen an detaillierten und gegebenenfalls bereits abgestimmten Fachmodellen vorzunehmen.
Um solch eine Planungsleistung im Kontext BIM erbringen zu können, bedarf es intelligenter Platzhalter für technische Anlagen, sogenannter „Provisions for Space“. Die Benennung entstammt den in IFC-Version 4 neu eingeführten Platzhalter-Elementen, zu denen auch die „Provisions for Void“zählen, die als provisorische Abzugskörper das Fundament bewährter Kollaborationsmethodiken zur Schlitz- und Durchbruchsplanung sind. Ob nun über „Provision for Void“oder „Provision for Space“geredet wird, eigentlich verwendet der TGA-Planer in beiden Fällen lediglich einfache geometrische Körper als Vehikel, um den Wunsch „Hier bitte Platz lassen!“zu äußern. Klassisch geschieht diese Kommunikation zwecks Kollisionsauflösung nach detaillierter Ausführungsplanung der technischen Gewerke. In manchen Projekten werden bereits Entwurfspläne mittels einer Durchbruchsplanung koordiniert, um strukturelle Fragen im Vorfeld zu klären. Kollisionen werden also nach Möglichkeit proaktiv
vermieden, anstatt sie später aufwändig zu beheben. Im Gegensatz zu einer frühen Abstimmung von Durchbrüchen in der Entwurfsplanung hat die im Folgenden vorgestellte „Provision for Space“-Methodik den Vorteil, dass sie neue Arten von Informationscontainern einführt, die über die reine Durchbruchsplanung hinaus zu weiteren Koordinationsaufgaben herangezogen werden können.
Der vollständige Teilprozess der Vorentwurfsplanung ist in Bild 2 beispielhaft vorgestellt, welcher der Einfachheit halber auf eine Einführung von BIM-Managern und Fachkoordinatoren verzichtet und stattdessen lediglich die Interaktion der Bauwerksdisziplin mit der TGA skizziert.
Nachdem die Bedarfsermittlung mit dem Bauherrn abgeschlossen ist, beginnt der Architekt einen Konzeptkörper des Gebäudes zu erstellen, in dem er anschließend Funktionsbereiche und Räume festlegt und positioniert. Unter Einbeziehung der Bedarfsplanung in diesem frühen Entwurf lassen sich optional erste Aussagen über ein energetisches Konzept machen. Beispielsweise kann mit Autodesk Insight eine erste Analyse auf Basis des Konzepts erstellt werden, um die Auswirkungen verschiedener technischer Optionen zu untersuchen (Bild 1).
Die TGA nutzt nun zunächst das Bauwerkskonzept und die verfügbaren Eckdaten des Gebäudes, um die erforderlichen Technikflächen sowie deren Lage abzuschätzen (zum Beispiel anhand der Empfehlungen aus VDI 2050 Blatt 1). Da die Positionen der Technikzentralen maßgebend die Erschließung beeinflussen, sollten deren Lage und Größe in einer ersten Koordinationsstufe mit den Bauwerksverantwortlichen abgestimmt werden. Haben sich alle Beteiligten auf ein anforderungsgemäßes Modell der Funktionsbereiche inklusive Technikzentralen geeinigt, können in einer zweiten Stufe die TGA-Planer die Versorgungstrassen positionieren und dimensionieren. Ist auch dieser Abstimmungsprozess erfolgreich verlaufen, liegt im Ergebnis ein Vorplanungsmodell vor, mit dem alle Planungsbeteiligten die weitere Detaillierung des Modells für die Entwurfsplanung vornehmen. Die Datenübergabe kann hierbei über offene Austauschformate (zum Beispiel als „Provision for Space“via IFC 4) oder über eine gegenseitige Referenz des Trassenmodells in Revit stattfinden und in der weiteren Planung bei Bedarf überlagert werden.
Dimensionierung und Verortung von Technikzentralen
Die Ermittlung der Technikflächen soll anhand eines Beispiels erläutert werden. Im Folgenden wird angenommen, dass das in Bild 1 entworfene Verwaltungsgebäude geplant werden soll. Die Büroräume sollen mit einem flächenbezogenen Zu- und Abluftstrom von 6 m³/(h·m²) maschinell belüftet werden. Eine zusätzliche Kühlung über eine Betonkernaktivierung und die Installation einer Sprinkleranlage sind gewünscht. Aus dem Konzeptkörper des Architekten lässt sich nach Einführung von Körpergeschossen sowohl die Gebäudehöhe von 64 m als auch eine vorläufige Bruttogrundfläche von 32 700 m² ableiten. Die gegebenen Eingangsdaten erlauben nun unter Zuhilfenahme einer Berechnung nach VDIRichtlinie 2050, Blatt 1 eine differenzierte Berechnung technischer Funktionsflächen (siehe Bild 3). Neben der Ermittlung des Flächenbedarfs für Technikzentralen anhand weniger Eingabegrößen liefert diese Richtlinie auch Hinweise über eine geeignete strukturelle Anordnung im Gebäude.
Die ermittelten Zahlenwerte werden auf Wunsch in eine Tabelle übernommen, welche die Bedarfsplanung für die Technikflächen der unterschiedlichen Anlagentypen ermittelt.
Über ein Platzierungswerkzeug lassen sich nun die entsprechenden Platzhalter für die Technikzentralen im Plan anordnen (siehe Bild 4). Ein prüfender Abgleich bereits geplanter Flächen mit den eingangs ermittelten Sollwert-Korridoren ist während dieser Entwurfsphase jederzeit möglich.
Versorgungstrassen dimensionieren
Für eine Einschätzung des Platzbedarfs der TGA ist nach der Abstimmung zu Größe und Lage der Technikzentralen ein weiterer Planungsschritt nötig. Hier gilt es zunächst, den groben Verlauf der Verteiltopologie zu definieren, wobei bereits ein geschätzter Platzbedarf anzunehmen ist. Alternativ lassen sich in einer groben Darstellung auch zunächst die Hauptverteilwege skizzieren, wobei die Dimension der Trassenabschnitte unberücksichtigt bleibt. Statt Konzeptgeometrien verwendet die liNear-Lösung zur Skizzierung der Trassenverläufe intern spezielle Kanalklassen, die sich geometrisch für eine Trassendefinition eignen und sich über eine Typklassifizierung für den IFC-Export als „Provision for Space“ausweisen lassen. So muss man keine neuen Zeichenbefehle erlernen, und man kann den Trassenverlauf als zusammenhängendes Verteilnetz modellieren. Da die Trassenobjekte auf eigenen Systemen liegen, lassen sie sich mühelos über die liNear-Sichtbarkeitssteuerung ein- und ausschalten.
Um eine Dimensionierung der Versorgungstrassen und somit den Platzbedarf für Schächte, Abhangdecken und sonstige Konstruktionsräume abzuschätzen, ist es notwendig, die Querschnitte der Hauptverteilwege zu planen und zu dimensionieren. Das erfordert zunächst eine Einteilung der Gebäudeflächen in Versorgungsbereiche. Aus den Nutzungsanforderungen und energetischen Standards resultieren beispielsweise Leistungen und Luftmengen, aus denen sich dann eine grobe Dimensionierung der einzelnen Leitungen in den Querschnitten ergibt. Diese Informationen gilt es nun, über einen grafischen Editor in zweidimensionalen Querschnitten zu organisieren und den entsprechenden Trassensegmenten zuzuweisen. Auch zusätzliche Abstände sowie Dämmstärken und Leitungsgefälle bei Abwassersystemen können hier bereits angegeben werden, um sie in der Dimensionierung der Trasse zu berücksichtigen.
Die Querschnittsprofile bleiben den einzelnen Abschnitten zugeordnet und können beim Übergang in die Entwurfsplanung dazu verwendet werden, automatisiert Leitungstrassen zu generieren (Bild 6). Damit an Kreuzungspunkten keine Schwierigkeiten entstehen, sollte man in einer frühen Konzeptphase bereits zusätzliche Störräume vorsehen, so dass eine spätere Anbindung an die Haupttrasse kollisionsfrei erfolgt (Bild 6). So können bereits in ganz frühen Phasen eine Koordination mittels gezielter Kommunikation direkt im Modell gewährleistet und im Sinne der Konfliktvermeidung die Planung effizienter gestaltet werden. Im Anschluss an diese Abstimmungen geht die Planung dann wie gewohnt in eine detaillierte Modellierung der Anlagentechnik über, bei der aber nun klar ist, auf welche Platzverhältnisse der TGA-Planer sich verlassen kann. ( anm) ■