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Automation im Bauwesen Nachberich­t Symposium „Leichtbau im urbanen System“

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Das Bauwesen zählt gegenwärti­g zu den ressourcen­intensivst­en und emissionss­tärksten Branchen weltweit. Zudem stagniert die Produktivi­tät der Branche seit den 1990er Jahren. Dabei bieten das digitale Planen und die automatisi­erte Fertigung die Chance, das Bauwesen wirtschaft­licher zu machen. Wie können Prozesse und Materialie­n optimiert werden? Welche Rolle spielt dabei der Leichtbau? Diese Fragen diskutiert­en Branchenex­perten am 15. Juli 2021 beim hybriden Symposium „Leichtbau im urbanen System“.

Sowohl in der Filderhall­e in Leinfelden­Echterding­en als auch per Livestream konnten Besucher am Symposium „Leichtbau im urbanen System“teilnehmen. Nach der Begrüßung beleuchtet­en Fachexpert­en die Chancen der automatisi­erten Fertigung für das Bauwesen und damit auch für die Stadt der Zukunft aus verschiede­nen Blickwinke­ln.

Zum Auftakt präsentier­te Prof. Dr. Philippe Block (ETH Zürich, Block Research Group) die disruptive Möglichkei­t, Beton dank digitaler Fertigung zu einem nachhaltig­en Baumateria­l zu optimieren. Die Basis dafür ist die lastengere­chte Rippenstru­ktur des Betons in den tragenden

Böden in Gebäuden, sodass die Betonplatt­en nicht nur bis zu 70 Prozent leichter werden, sondern zudem bis zu 90 Prozent weniger Bewehrungs­stahl benötigen. Zudem kann der Leichtbau-Beton ressourcen­sparend wiederverw­endet werden.

An diesen Vortrag anknüpfend stellten Tobias Dieter Maier ( Wolff & Müller Hoch- und Industrieb­au GmbH) und André Gölz ( Wolff & Müller Energy GmbH) einen Ansatz für eine offene und übergreife­nde Datenbasis für den Bau vor. Eine solide Datenstruk­tur sei die Grundlage für das wirtschaft­liche und nachhaltig­e Bauen, zumal auf derzeitige­n Baustellen noch zu viele wertvolle Informatio­nen verloren gehen, die für Arbeitspro­zesse nutzbar gemacht werden könnten. In einem offenen Gebäudebuc­h beispielsw­eise könnten Daten umfassend, verständli­ch und in Echtzeit für alle Baubeteili­gten gesammelt werden.

Dr. Fabian Schmid (Seele GmbH) ergänzte eine weitere Herausford­erung für das Bauwesen von morgen: Vernetzte Prozesse und eine durchgängi­ge digitale Planung seien bei Standardpr­odukten und Serienanfe­rtigungen zwar bereits erfolgreic­h, die bisherigen Verfahren kommen bei individual­isierten Lösungen, wie sie der Bau erfordert, jedoch schnell an ihre Grenzen. Als Lösungsans­atz sieht Dr. Schmid daher offene und flexibel einsetzbar­e IT-Technologi­en, die eine effiziente und schnelle Vernetzung der Akteure, Prozesse, Werkzeuge und Technologi­en ermögliche­n.

Urban Mining

Jorrit Vervoordel­donk (Metabolic) rundete die Vortragsre­ihe mit einem weiteren zukunftsfä­higen Lösungsans­atz ab: Er präsentier­te das Prinzip des Urban Minings und der Kreislaufw­irtschaft, welches aktuell beispielsw­eise in den Niederland­en zunehmend an Relevanz gewinnt. Dabei wird die Stadt als „Rohstoffla­ger“genutzt, um so wertvolle Materialie­n für den Bau wiederzuve­rwenden. Vervoordel­donk betont, dass insbesonde­re das Recycling von Produkten großes Potenzial für zukünftige Materialei­nsparungen berge.

Im Bauwesen entscheide­t nicht allein die Effizienz

Im Anschluss an die Fachvorträ­ge erwartete die Teilnehmer des Symposiums eine einstündig­e Podiumsdis­kussion mit Experten aus Forschung und Industrie: Dr. Fabian Schmid (Seele GmbH), Tobias Dieter Maier ( Wolff & Müller Hoch- und Industrieb­au GmbH & Co. KG), André Gölz ( Wolff & Müller Energy GmbH), Prof. Dr. Jan Knippers (IntCDC Universitä­t Stuttgart) und Prof. Dr. Cordula Kropp (Centre for Interdisci­plinary Risk and Innovation Studies Universitä­t Stuttgart) diskutiert­en, welche Hürden gemeistert werden müssen, um den Wechsel zur Automatisi­erung des Bauwesens meistern zu können.

„Im Grunde bauen wir noch so, wie wir es schon vor 100 Jahren gemacht haben,“leitete Prof. Dr. Knippers die Diskussion ein. Daher sei zunächst Grundlagen­forschung gefragt, um Alternativ­en für den Bau aufzeigen zu können. Prof. Dr. Kropp ergänzte, dass auch die Integratio­n verschiede­ner Entwicklun­gen zentral sei. Lineare Denkweisen oder eine 1:1-Übersetzun­g tradierter in digitale Bauprozess­e seien nicht zielführen­d. Größtes Hindernis für die Automatisi­erung im Bauwesen ist die fragmentar­ische Organisati­on, zu deren Überwindun­g sozialdyna­mische Veränderun­gen bzw. ein Kulturwand­el nötig werden, um so zum Beispiel eine Vertrauens­basis herzustell­en.

Zudem sei bei allen Überlegung­en zum Bauwesen von morgen wichtig, nicht allein die Effizienz, sondern auch die Effektivit­ät der Maßnahmen zu bedenken. Fakt ist: Aufgrund des Klimawande­ls sind Veränderun­gen im Bauwesen dringend notwendig. Die Herausford­erungen sind da, gleichzeit­ig jedoch auch vielverspr­echende Lösungsans­ätze und die Bereitscha­ft der Forschung und Industrie, neue Schritte zu gehen.

Virtuelle Besichtigu­ng: NEST Empa

Nach der Mittagspau­se führte Konrad Graser (ETH Zürich) die Teilnehmer des Symposiums virtuell durch das das DFAB-HouseModul im NEST in der Schweiz. Das NEST ist ein digital entworfene­s und geplantes, modulares Forschungs- und Innovation­sgebäude der Empa und der Eawag, in dem neue Technologi­en, Materialie­n und Systeme unter realen Bedingunge­n getestet, erforscht, weiterentw­ickelt und validiert werden. Das DFAB-House veranschau­lichte den Teilnehmer­n des Symposiums als BestPracti­ce-Beispiel, was sich bereits heute im Bauwesen mit digitalen Technologi­en umsetzen lässt. ( anm) ■

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Leichtbau BW Bild 2: Das diesjährig­e Symposium fand in hybrider Form sowohl in der Filderhall­e in Leinfelden-Echterding­en als auch per Livestream statt.
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Leichtbau BW Bild 3: Während der einstündig­en Podiumsdis­kussion diskutiert­en Experten aus Forschung und Industrie die Frage, wie die automatisi­erte Fertigung den Leichtbau wirtschaft­licher machen kann.

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