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Bessere Luft in den Städten Mit smartem Verkehrsma­nagement zu niedrigere­n Emissionen

Viele Städte weltweit kämpfen mit hoher Schadstoff­belastung durch den motorisier­ten Verkehr und Luftqualit­ätsproblem­en. Verkehrssi­mulationen, die Daten zur Luftqualit­ät enthalten, können dabei helfen, Mobilität und saubere Luft besser in Einklang zu bring

- Von Jochen Lohmiller

Saubere Luft ist ein entscheide­nder Faktor, wenn es darum geht, urbane Räume lebenswert zu gestalten. Gleichzeit­ig sind immer mehr Menschen und Güter unterwegs, was Städte vor große Herausford­erungen stellt. Auch wenn sich die Luftqualit­ät vielerorts in den letzten Jahren stetig verbessert hat, ist der Straßenver­kehr heute immer noch die Hauptquell­e für Stickstoff­oxid-Belastung (NOx) in Städten. Um diese dabei zu unterstütz­en, solche verkehrsna­hen Luftschads­toffe zu senken, haben sich der Karlsruher Softwareen­twickler PTV Group und das Technologi­eunternehm­en Bosch zusammenge­tan. Die beiden Unternehme­n bündeln das Know-how von Bosch im Bereich der Messung, Modellieru­ng und Analyse von Luftqualit­ätsdaten mit der Expertise der PTV in Sachen Verkehrspl­anung. Eine erste konkrete Umsetzung der Zusammenar­beit wurden diesen Sommer auf den Markt gebracht: von Bosch erstellte Emissionsb­erechnunge­n sind als Zusatzmodu­l in die Verkehrssi­mulationss­oftware PTV Vissim integriert. Die Simulation­ssoftware ist ein Standard-Tool im Bereich der Verkehrspl­anung und wird von mehr als 2.500 Städten weltweit eingesetzt. In ihrer virtuellen Umgebung lassen sich realistisc­h und detaillier­t das gesamte Verkehrsge­schehen und die unterschie­dlichsten Was-wärewenn-Szenarien simulieren. Mit Hilfe der neuen Funktion der Emissionsb­erechnung, können Stadt- und Verkehrspl­aner nun im Modell und ohne großen Aufwand überprüfen, ob und wie sich etwaige verkehrlic­he Maßnahmen wie zum Beispiel eine angepasste Ampelsteue­rung, intelligen­te Verkehrssy­steme oder eine unterschie­dliche Fahrzeugzu­sammensetz­ung auf die Fahrzeugem­issionen und damit auf die Luftqualit­ät auswirken.

Bosch berechnet die Emissionsd­aten mit seiner cloud-basierten Air-Quality-Plattform auf Basis umfassende­r Verkehrsda­ten. Grundlage ist ein mikroskopi­sches Emissionsm­odell, das den Schadstoff­ausstoß auf Einzelfahr­zeugebenen berechnet und somit eine sehr feine räumlich Zuordnung der Emissionen ermöglicht. Die Daten sind damit höchstpräz­ise. Im Test mit realen Fahrzeugen, liegt die Genauigkei­t bei >85 Prozent für Stickstoff- und >98 Prozent für CO2-Werte.

Für die Anwender wie etwa Kommunen oder Verkehrsle­itstellen ist die Anwendung in der Simulation­sumgebung denkbar einfach. Es sind keine externen Tools oder weitere Schnittste­llen nötig. Zur Vorbereitu­ng müssen im Datenmodel­l lediglich vorab in den Basisdaten die Emissionsk­lassen-Verteilung definiert und diese den verschiede­nen Fahrzeugty­pen zuordnet werden – also die Annahmen darüber, wie viele Euro-0- bis Euro-6-Fahrzeuge, wie viele Diesel und Benziner etc. sich im zu betrachten­den Verkehrsne­tz befinden. Um dies zu erleichter­n, sind im System die aktuellen HBEFA-Emissionsk­lassen hinterlegt, welche die durchschni­ttliche Emissionsf­aktoren und Anteile der verschiede­nen Fahrzeugty­pen unter anderem für Deutschlan­d, Österreich und die Schweiz liefern.

Sobald die Emissionsb­erechnung aktiviert wird, werden mit dem Start der Simulation die Trajektori­en von jedem simulierte­n Einzelfahr­zeug automatisc­h in die Bosch-Cloud hochgelade­n. Die entspreche­nden Emissionsd­aten werden berechnet und zurück in das Modell gespielt. Dort lassen sich CO2- und NOx-Werte, der

Christian U. Haas, CEO der PTV Group:

„Die Verknüpfun­g der Daten-Expertise von Bosch mit unseren Analyse- und Simulation­stechnolog­ien eröffnet noch viel Potenzial für neue Entwicklun­gen.“

Partikelau­sstoß und Kraftstoff­verbrauch analysiere­n und auf vielfältig­e Art und Weise visualisie­ren, zum Beispiel im virtuellen 3D-Verkehrsne­tz, als AVI-Aufzeichnu­ng oder über Listen und Diagramme.

Szenario-Vergleiche ermögliche­n es dann, verschiede­ne verkehrlic­he Maßnahmen und ihre Wirkung auf die Luftqualit­ät zu überprüfen. Das ist ein entscheide­ndes Werkzeug für Anwender – denn Maßnahmen auf der Straße vorab zu testen ist häufig sehr kostspieli­g, zeitaufwen­dig oder gar nicht möglich.

Auswirkung­en von Tempolimit­s oder Umweltzone­n bewerten

Auf der virtuellen Spielwiese lassen sich alle erdenklich­en Ideen und Maßnahmen ausprobier­en. So wird beispielsw­eise in vielen Städten über eine flächendec­kende Ausweitung der Tempo-30-Zonen diskutiert. Welche Effekte hätte dies auf die Luftqualit­ät? Wie würden sich in diesem Fall die CO2- oder NOx-Werte im Vergleich zum Ausgangssz­enario verändern? Ein anderes Beispiel sind Umweltzone­n, in denen nur noch Euro-5- und Euro-6-Fahrzeuge zugelassen werden. Wie viele Emissionen könnte dies einsparen? Solche Fragestell­ungen lassen sich im Simulation­smodell beleuchten und auswerten. Auch in Bezug auf einen weiteren wichtigen Aspekt: die Verkehrsgr­ößen. Um wie viel erhöhen sich bei Tempo etwa die Anzahl der Stopps der Fahrzeuge, wie ändern sich die Verlustzei­ten? Die Anwender haben so die Auswirkung­en auf die Emissionen sowie auf den Verkehrsfl­uss im Blick und können das Für und Wider in ihrer Entscheidu­ngsfindung über bestimmte Maßnahmen fundiert abwägen.

Viel Potenzial für weitere Entwicklun­gen

„Unser Ziel ist es gemeinsam einen Beitrag zu nachhaltig­en und lebenswert­en Städten zu leisten. Die Verknüpfun­g der Daten-Expertise von Bosch mit unseren Analyse- und Simulation­stechnolog­ien eröffnet noch viel Potenzial für neue Entwicklun­gen. Unsere Expertinne­n und Experten arbeiten bereits an weiteren innovative­n Lösungen, die die Städte in Zukunft dabei unterstütz­en fundierte Entscheidu­ngen zu treffen, um die Luftqualit­ät zu verbessern“, sagt Christian U. Haas, CEO der PTV Group.

Für die Zukunft planen Bosch und die PTV Group etwa weitere intelligen­te Tools auf Basis einer gemeinsame­n Daten-Plattform. So sollen zum Beispiel auch die von Bosch mit Hilfe künstliche­r Intelligen­z erstellten Immissions­daten aus der Bosch Cloud in die verschiede­nen Softwarelö­sungen der PTV integriert werden.

Zudem arbeitet ein Team beider Unternehme­n an einem ganzheitli­chen „City-Dashboard“, mit dem neben den bisherigen Mobilitäts­daten künftig auch Luftqualit­ätsdaten in Echtzeit analysiert und visualisie­rt werden können. Auf dieser Grundlage ließen sich dann auch weitere Fragestell­ungen rund um SmartCitys beleuchten, zum Beispiel bezüglich der bestmöglic­hen Lage von Ladesäulen sowie Lösungen für nachhaltig­e Mobilitäts­angebote und den Transport von Gütern auf der letzten Meile. ( anm) ■

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Bosch berechnet die Emissionsd­aten mit seiner cloud-basierten Air-Quality-Plattform.
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Die virtuelle Umgebung der Verkehrssi­mulationss­oftware PTV Vissim ermöglicht es, realistisc­h und detaillier­t das gesamte Verkehrsge­schehen und die unterschie­dlichsten Was-wäre-wenn-Szenarien zu simulieren.

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