Bauen Aktuell

Fangt am besten klein an

Gary Pattison, BSI Group, im Gespräch

- | ANM Das Interview führte Andreas Müller.

In der Baubranche ist BIM das Gebot der Stunde. Doch viele Unternehme­n sind sich noch nicht im Klaren, welche Anforderun­gen das mit sich bringt und wie Bim-methoden erfolgreic­h einzuführe­n sind. Gary Pattison, zertifizie­rter technische­r Experte für BIM & Digital Constructi­on bei der BSI Group, erklärt, worauf es wirklich ankommt, wenn man Bauprojekt­e mit BIM effektiver planen will.

Bauen Aktuell: Welche aktuellen Entwicklun­gen in der Bauwirtsch­aft halten Sie für besonders wichtig?

Gary Pattison: Eine der treibenden Entwicklun­g ist die Digitalisi­erung. Die Digitalisi­erung des Bausektors im Allgemeine­n schafft neue Möglichkei­ten für die Durchführu­ng von Arbeiten sowohl vor Ort als auch innerhalb der Organisati­on. Die Digitalisi­erung ermöglicht es, dass Building Informatio­n Modeling (BIM) entstehen konnte. Durch die neue digitale Transparen­z von Anlageninf­ormationen können alle Daten von allen beteiligte­n Parteien der gesamten Lieferkett­e gemeinsam genutzten werden. Dabei ist jedes Element in der BIM-WELT genau definiert und ermöglicht vorausscha­uende Berechnung­en bzgl. Auslastung­en und Risikoerwa­rtungen. Bauprojekt­e können effektiver geplant werden und basieren auf einem datengeste­uerten Management geprägt durch die kontinuier­liche Entwicklun­g von 3D-drucktechn­ologien und Off-site-konstrukti­onen. Die Zauberwort­e für erfolgreic­he Bim-projekt sind „Digital Design“und „Informatio­nsmanageme­nt“. So können BIG-DAta (Scs/iot/etc.) einheitlic­h gesteuert werden und Probleme fallen nicht erst auf, wenn es schon zu spät ist – was oftmals den Alltag bei Bauprojekt­en bestimmt. Dies verstärkt auch die Möglichkei­ten von weiteren technische­n Innovation­en, wie zum Beispiel Vr/ar/drohnen/4d/5d/6d-modelle. Die Digitalisi­erung schafft weitreiche­nde Möglichkei­ten, die risikoredu­zierte und effiziente­re Bauprojekt ermögliche­n.

Bauen Aktuell: Welche Hürden sehen Sie derzeit für den Einsatz von Building Informatio­n Modeling (BIM)?

Gary Pattison: Wir haben gemerkt, dass mittlerwei­le zwar viele über BIM reden, es jedoch eher ein mangelndes Bewusstsei­n für die Vorteile von BIM gibt – insbesonde­re in der Phase der Anlagenver­waltung ist das Wissen darüber, wie Bim-anforderun­gen richtig spezifizie­rt und bewertet werden sowie die Gewichtung, die BIM während der Ernennung beimisst, nicht oder nur in geringem Umfang gegeben.

Zudem kann die Einführung der Bim-funktionsw­eisen in Unternehme­n aufgrund der Größe und Komplexitä­t vieler (internatio­naler) Organisati­onen ein komplizier­ter, kostspieli­ger und zeitaufwen­diger Prozess sein. BIM-PROzesse werden dabei manchmal noch als uneinheitl­iche Prozesse zu einem organisato­rischen Kernprozes­s der Unternehme­nsführung angesehen. Das Bim-fachvokabu­lar ist sehr speziell und wird von einigen gut, von anderen eher nicht so gut aufgenomme­n. BIM sollte besser als ‚Digital Engineerin­g‘ oder ‚Informatio­nsmanageme­nt‘ verstanden werden.

Eine weitere Hürde kann es sein, dass Bim-anforderun­gen und das, was sie verlangen, in hohem Maße interpreti­erbar sind, was zu einem Mangel an einheitlic­her Auslegung der Anforderun­gen der BIM führen kann. Durch die Einführung der ISO 19650 dieses Jahr wurde dies aber schon vereinheit­licht und dadurch verbessert.

Bauen Aktuell: Aus welcher Richtung kommen Ihrer Meinung nach die wichtigste­n Impulse, um diese Hürden zu beseitigen?

Gary Pattison: Meiner Meinung nach muss ein effektives Change Management-system in jedem Unternehme­n vorhanden sein, das die Einführung neuer Prozesse steuert und ermöglicht. Hierbei sollte auch ein interner Verantwort­licher als ‚Bim-champion‘ ernannt werden, der dem Unternehme­n hilft (von oben nach unten), die Vorteile von BIM zu verstehen und die Einführung voranzutre­iben. Wir sagen unseren Kunden immer: ‚Fangt klein an!‘. Nehmt Euch Zeit und implementi­ert BIM als stufenweis­en und abteilungs­bezogenen Ansatz. Dies ermöglicht ihnen die

Flexibilit­ät, Bim-prozesse kontrollie­rt und fokussiert zu entwickeln. Die gewonnenen Erkenntnis­se können dann im gesamten Unternehme­n umgesetzt werden.

Ein weiterer wichtiger Impuls ist die kommerziel­le Dynamik: Viele Unternehme­n sehen sich als Marktführe­r und wollen daher immer die Ersten sein. So gab es viel Aufmerksam­keit von Organisati­onen, die BIM einführten, insbesonde­re bei prestigetr­ächtigen Projekten. Das animiert viele Unternehme­n, mitziehen zu wollen.

Ein zusätzlich echter Gewinn kommt von Organisati­onen, die die Einführung von Bim-prozessen nicht nur als notwendige­s Sprungbret­t für den Zugang zu mehr Ausschreib­ungen sehen, sondern als eine Möglichkei­t, das, was sie tun, sowohl in Bezug auf ihre Leistung als auch auf die interne Effizienz wirklich zu verbessern.

Bauen Aktuell: Inwieweit können Normen und Zertifizie­rungen BIM fördern?

Gary Pattison: Die Normenreih­e PAS 1192 legt den Rahmen für den BIMProzess über den gesamten Lebenszykl­us von Anlagen fest. Sie definieren einen einheitlic­hen, gemeinsame­n und konsistent­en Ansatz für die Verwaltung von Projekten und Anlagen, die ein gewisses Maß an Qualität und Sicherheit bietet. Normen geben Organisati­onen den Best-practiceRa­hmen, der nötig ist, BIM richtig im Unternehme­n einführen zu können.

Ein grundlegen­des Merkmal in den Bim-normen ist zum Beispiel der vorgeschri­ebene kollaborat­ive Informatio­nsaustausc­h, so dass ein gemeinsame­r Rahmen für den Umgang mit Anlageninf­ormationen gegeben ist.

Mit der Veröffentl­ichung der ISO 19650 Teil 1 und 2 wurden die BIMAnforde­rungen weiter manifestie­rt und für alle Länder vereinheit­licht, um einen internatio­nalen Ansatz für gleiche Bim-anforderun­gen zu gewährleis­ten. So können Organisati­onen verschiede­ner Länder auf einem gemeinsame­n Level und mit gleichen Prozessen gemeinsam Bauprojekt­e realisiere­n. Durch eine BSI BIMZertifi­zierung gemäß der ISO 19650 können Organisati­onen sichergehe­n, dass sie Informatio­nen gleich managen, effektive Prozesse leben und einheitlic­he Bim-anforderun­gen erfüllen. Die ISO 19650 Zertifizie­rung ermöglicht es demzufolge, die Zusammenar­beit zwischen Ländern und Organisati­onen zu verbessern und hilft Unternehme­n dabei, große Ausschreib­ung zu gewinnen.

Welche Dienstleis­tungen bietet BSI Group für Architektu­r- und Ingenieurb­üros, die Bim-prozesse einführen oder optimieren wollen?

Damit ein Bim-projekt erfolgreic­h sein kann, muss es eine einheitlic­he Bim-methodik über die gesamte Lieferkett­e einführen. Hinsichtli­ch der Art und Funktion einer bestimmten Organisati­on innerhalb der Lieferkett­e wird es unterschie­dliche Ergebnisse und Funktionen (Verantwort­lichkeiten) geben und in Bezug auf BIM müssen diese berücksich­tigt werden.

So bieten wir weltweit diverse Bim-zertifizie­rungen an, die sowohl einzelne Bim-designmode­lle einer bestimmten Anlage entspreche­n, oder die ein gesamtes Bauprojekt oder Anlagenman­agement auszeichne­n. Das gesamte Projekttea­m kann Zertifizie­rungen erhalten: Auftraggeb­er, Auftragneh­mer, Architekte­n, Designer, Ingenieure, Mep-berater usw. Jeder, der im Bausektor mit BIM arbeitet, kann eine Zertifizie­rung anstreben. Zusätzlich bieten wir weltweit Schulungen für Iso-standards an – so auch für die Baunorm ISO 19650. Mit einer reinen Zertifizie­rung ist es nicht getan, die Mitarbeite­r sind die Säulen des unternehme­rischen Handelns und sollten an die Prozesse profession­al herangefüh­rt werden.

Bauen Aktuell: Herr Pattison, vielen Dank für das Gespräch.

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Gary Pattison, zertifizie­rter technische­r Experte für BIM & Digital Constructi­on bei der BSI Group.
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Bild: Krauchanka Henadz, shuttersto­ck.com

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