Eine Hommage an das Bauhaus
Kubistische Formensprache für das Rathaus in Rangsdorf
Der Entwurf für das Rathaus in Rangsdorf orientiert sich an dem nicht mehr existierenden Hotel „Rangsdorfer Hof“mit Gaststätte und großer Terrasse, das sich früher an ähnlicher Stelle befand. Die Herausforderung bestand darin, die Historie des Ortes – das von Villen im berühmten Bauhausstil geprägt ist – aufzugreifen, ohne dabei bereits bestehende Gebäude zu kopie
ren. Vor dem Bau des Rathauses befand sich auf der Baufläche die Ruine eines Geschäftes, das im Jahr 2011 abgerissen wurde. Anstelle eines typischen Ortszentrums bestehend aus Markt und Kirche ist der Stadtkern Rangsdorf langgezogen. Das Rathaus befindet sich dank städtebaulicher Veränderungen nun in prominenter Ecklage und bereichert nach nur einem Jahr Bauphase auf diese Weise das Stadtbild wesentlich. Gleichzeitig fügt es sich in das Gesamtbild des Ortes ein.
Fassade im Bauhausstil
Das Gebäude erstreckt sich über drei Etagen. Dabei greifen sowohl Gebäudekörper und -hülle als auch die Fassade bauhaustypische Elemente auf. Der Gebäudekörper besteht aus zwei Kuben, die leicht versetzt zueinander liegen, damit die städtebauliche Anforderung an das Gebäude bedient wird. Eine Art Bügel erstreckt sich über die Kuben und verbindet sie auf diese Weise miteinander. Im Eingangsbereich entsteht durch die Verlängerung des Riegels ein Portal. Die kubische Form der Gebäudehülle greift die Proportionen des Vorbilds auf und auch die Fassade des Rathauses ist dem Rangsdorfer Hof nachempfunden. Die Fassadenbauer setzten die architektonischen Vorgaben detailgetreu um, sodass die Fassade nun geprägt ist vom Zusammenspiel von roten Klinkern und weißem Putz, das dem typischen Bauhausstil entspricht. Auch die Fensterbänder wurden fachgerecht verklinkert. So entsteht eine klare geometrische Gliederung der Fassade.
Fenster als Blickfang
Blickfang des Entwurfs bilden die beiden übereinanderliegenden Eckfenster mit gebogenem Glaselement in der ersten und zweiten Etage. Die Fensterrundung bildet einen Kontrast zu den sonst strengen und kantigen Formen, ohne dabei von anderen Elementen abzulenken. Eines der Fenster gehört zum Büro des Bürgermeisters und das andere zum Einwohnermeldeamt. Aufgrund der Tatsache, dass sie um die Ecke gehen, stellen sie die auffälligsten Elemente des gesamten Entwurfes dar und spiegeln auf diese Weise die wichtige Rolle der beiden Räume wider. Gebogene Fenster sowie Rundungen generell zählen zu den typischen Elementen im Bauhausstil. Bei diesem Projekt bekommen sie eine zusätzliche Bedeutung, denn sie bilden den ästhetischen und gestalterischen Blickfang der Fassade. Die Fenster stellen eine Maßanfertigung dar. Die Herstellung gestaltete sich hierbei sehr aufwendig. Für die Konstruktion der Rahmen kam Kunststoff zum Einsatz, der vorgebogen wurde. Der Einbau der Fenster erfolgte entsprechend der Montagerichtlinien RAL. Hierbei werden die Außen- und Innenfugen gemäß dem Prinzip, dass die innere Fuge dichter sein muss als die äußere, abgedichtet. Außerdem ist die Fensteranschlussfuge diffusionsoffen, damit gegebenenfalls vorhandene Feuchtigkeit entweichen kann. Da sich bei Ral-fenstern das Fenster sehr gut mit dem Mauerwerk und der Dämmung abstimmen lässt, eignen sie sich besonders für Neubauten wie das Rathaus. Ziel der Ral-richtlinien besteht darin, das Eindringen von Raumluft in den Fugenbereich zu verhindern. Diese Vorgehensweise trägt sowohl zur Einsparung von Heizkosten als auch zur Bewahrung der Bausubstanz bei, sodass das Rathaus mit seinen runden Fenstern noch lange als Blickfang erhalten bleibt. Als helligkeitsspendende Architekturelemente kommen darüber hinaus große Oberlichter im Flachdach zum Einsatz. Der so entstehende Lichtraum erstreckt sich über alle Etagen des Gebäudes.
Alleskönner Gründach
Das für den Bauhausstil typische Flachdach ermöglicht das Anlegen eines Gründachs. Die Dachbegrünung ist dabei mehr als nur ein optisches Highlight. So schützt das Gründach nicht nur die Dachabdichtung vor extremen Witterungseinflüssen und verlängert somit ihre Lebensdauer, sondern sorgt auch für gutes Klima im Innenraum – im Sommer trägt es zur Gebäudekühlung bei, und im Winter gibt es kaum Wärmeverlust. Außerdem dient das Gründach zur Luftbefeuchtung und Feinstaubfilterung, weil es das Regenwasser zurückhält, das dann wieder verdunstet. Der Regenwasserrückhalt hat zudem eine Entlastung der Kanalisation und eine Senkung der Niederschlagswassergebühr zur Folge.
Innen bauhaustypische Details
Die Anordnung der Büros erfolgte entlang der Außenfassade. Durch die damit einhergehende Verlegung aller Nebenräume nach innen entsteht eine Art Rundgang zu den einzelnen Büros. Auf diese Weise lässt sich die relativ tiefe, quadratische Fläche überwinden und eine optimale Nutzung des Innenraumes erzielen. Der Eingang ist durch ein bauhaustypisches Element – das Portal – umgesetzt. Rathausbesucher gelangen dadurch in das Foyer. Dort befinden sich ein Kiosk und eine Bibliothek. Sowohl Glas als auch
Metall dominieren das Innenraum-design. Bei der Gestaltung der Kioskfassade fanden Glasfronten Verwendung. Zunächst war geplant, dass diese weiter in den Flur ragen, doch aufgrund von weiteren Planungsprozessen und Änderungen schließen sie in der tatsächlichen Umsetzung bündig mit der Flurwand ab und erhielten auch nicht mehr alle geplanten Gestaltungselemente. Zentral im Eingangsbereich gelegen befindet sich der Aufzug. Der ursprüngliche Entwurf sah vor, dass es eine Anzeigetafel gibt, die signalisiert, wo sich der Fahrkorb gerade befindet. Doch dieses Detail wurde letztendlich nicht umgesetzt. Als besonderes architektonisches Highlight im Innenraum des Rathauses hängt das alte Terrassengeländer des Rangsdorfer Hofs im Foyer. Es wurde geborgen und befindet sich nun im Bereich des Treppenaufgangs als Blickfang. Zusätzlich gibt es im Bereich des Aufgangs eine Wand, die für Bilder und Ausstellungen dient. Mit der genauen Umsetzung aller architektonischen Details durch alle Beteiligten profitiert das Projekt vom Zusammenspiel von Funktionalität und Design.
Der Autor, Tassilo Soltkahn, ist Architekt und Vorstand der Soltkahn AG.