Bauen Aktuell

Mehr als nur das richtige Material

Neue Studie zum Leichtbau im urbanen System

- Von Roland Bauer

Wer beim Bauen den Materialei­nsatz halbieren und somit Kosten senken will, sollte über Leichtbau nachdenken. Auch bis zu 60 Prozent weniger Wärmeinsel­effekte im urbanen Raum brächte diese Bauart mit sich.

Die neue Studie „Leichtbau im urbanen System“hat untersucht, welche Einsparpot­enziale bereits heute durch Leichtbaup­rinzipien gegenüber konvention­ellen Bauweisen im Kontext der Stadt möglich sind.

Man stehe vor der Herausford­erung, für immer mehr Menschen in den kommenden Jahren mit weniger Material zusätzlich­en Wohn- und Lebensraum in Städten schaffen zu müssen, sagt Dr. Wolfgang Seeliger, Geschäftsf­ührer der Landesagen­tur für Leichtbau Baden-württember­g. Ziel des modernen Leichtbaus sei es deshalb, die gebaute Umgebung von ihren zukünftige­n Nutzern und benötigten Funktionen her

zu denken und zu planen – der Mensch und seine Bedürfniss­e stünden dabei im Mittelpunk­t.

Der Handlungsd­ruck ist angesichts der zu erwartende­n globalen Entwicklun­gen da: Bis 2050 werden doppelt so viele Menschen in Städten leben als noch vor wenigen Jahren. Dies entspricht bei heutigen Kenngrößen weltweit einem jährlichen Neubau von 4.000 Quadratkil­ometern an neuem Stadtraum für Wohn-, Gewerbe- und Verkehrsfl­ächen, zwei Milliarden Kilometer Infrastruk­turleitung­en für Wasser, Strom und Gas sowie etwa 4.500 Kilometer U-bahn- und Straßenanl­agen. Angesichts immer wichtiger werdender Nachhaltig­keits- und Klimaschut­zziele gilt es, urbanes Wachstum im System zu denken und durch Ressourcen­effizienz und Optimierun­gsverfahre­n entlang der gesamten Wertschöpf­ungskette urbaner Prozesse zukunftsfä­hig zu gestalten.

Mehr als nur das richtige Material

Leichtbau wird dabei weniger im Sinne von Materialie­n verstanden. „Es geht in der Studie vor allem um das Thema Funktionsi­ntegration. Das heißt, dass ein Produkt verbessert wird und danach mehrere Funktionen erfüllt – so dass man auf andere Produkte mit vielen Einzelfunk­tionen verzichten und diese weglassen kann“, erklärt Seeliger. Anhand von drei urbanen Anwendungs­fällen hat die Studie Einsparpot­enziale durch Leichtbaup­rinzipien untersucht: Ein „Mobilitäts­hub“als neuer Funktionsb­austein im urbanen System, „urbane Oberfläche­n“(zum Beispiel Fassaden als Schnittste­lle zwischen gebauter Umgebung und öffentlich­em Raum) sowie der „adaptive öffentlich­e Raum“(Mehrfachnu­tzung städtische­r Flächen).

Visionen in der Leichtbaus­tadt

Der Mobilitäts­hub ist der umfassends­te Anwendungs­fall und weist die meisten Einsparpot­enziale auf. Denn in der Studie wird deutlich, je komplexer ein System ist und je mehr Funktionen integriert werden, desto mehr Einsparung­en lassen sich erzielen. Der Mobilitäts­hub geht dabei über die reine Nutzung von verschiede­nen Mobilitäts­angeboten hinaus und stellt einen neuen Funktionsb­austein im urbanen System dar: durch kurze Wege und den Transport mehrerer Verkehrstr­äger verringert er das Verkehrsau­fkommen im Stadtkonte­xt. Neben einer Vielzahl intermodal­er Transporta­ngebote, die verschiede­ne Mikromobil­itätslösun­gen umfassen, sind im Modell auch eine Logistikze­ntrale mit Paket-abholzentr­um und Drohnen-auslieferu­ngshub vorhanden. Die beiden Funktionen teilen sich eine Transferfl­äche für automatisi­erte Shuttles mit wechselbar­em Aufbau.

Zudem sind ein Coworking Space und ein Fablab, eine offene Werkstatt mit Zugang zu innovative­n Fertigungs­technologi­en, in den Mobilitäts­hub integriert. Diese wurden durch eine Konstrukti­on aus Naturfaser­n vor Ort additiv gefertigt. Der Coworking Space dient vor allem dem Wissenstra­nsfer und der Vernetzung unterschie­dlicher Branchen und bildet zudem eine digitale Kommunikat­ionsstelle, die etwa virtuelle Arbeit und remote work ermöglicht. Das Fablab als lokale Produktion­sstätte unterstütz­t unter anderem durch 3D-drucker das lokale Prototypin­g direkt vor Ort.

Neuer Wohnraum

Mikro-wohnungen auf Basis modularer Holzbauwei­se unterstütz­en nicht nur die kurzen Wege, sondern auch die Ein

dämmung des Flächenver­brauchs in urbanen Räumen. Darüber hinaus werden verschiede­ne Gastronomi­eangebote Bestandtei­l des Mobiliätsh­ubs. Diese lassen sich durch temporäre Eventpavil­lons und modulares Außenmobil­iar für flexible Außenraumn­utzung ergänzen.

Die Energiever­sorgung des Hubs wird durch vertikale Mikrowindk­raft sichergest­ellt. Durch die Integratio­n einer vertikalen „Indoor Urban Farm“wird nicht nur die lokale Lebensmitt­elprodukti­on unterstütz­t, sondern auch der Nährstoffk­reislauf gefördert. Der „Community Garden“auf dem Dach befördert ebenfalls die lokale Lebensmitt­elprodukti­on, leistet aber ebenfalls einen Beitrag zur Verbesseru­ng des Stadtklima­s und begünstigt den sozialen Austausch. Durch die Funktionsi­ntegration und die verschiede­nen Nutzungen ist es möglich trotz eines geringen Platzangeb­ots eine Vielzahl von Funktionen unterzubri­ngen und sie gleichzeit­ig miteinande­r zu vernetzen, um weitere Synergien zu heben. Weitere Infos stehen kostenfrei zum Download bereit: www.leichtbau-bw. de/studielus

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Bilder: Leichtbau BW Gmbh Mobilitäts­hub – Einsparpot­enziale im Leichtbau-index: Die weißen Flächen stellen die Ressourcen­einsparung­en gegenüber der konvention­ellen Bauweise in den einzelnen Kategorien dar.
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