Bauen Aktuell

Kein BIM ohne Durchgängi­gkeit?

- Von Dr. Bernhard Valnion

Vollständi­ges Datenmodel­l mit TRICAD MS

Gesamtansi­cht der in Tricad MS abgebildet­en Gewerke.

Initiative­n wie „Building Informatio­n Modeling“(BIM) oder „Planen und Bauen 4.0“haben insbesonde­re eins zum Ziel: den digitalen Zwilling eines Bauprojekt­s. Überrasche­nd ist, dass der Weg dorthin kürzer ist als gedacht. Hintergrun­dgespräch mit dem Tga-experten Stefan Eisen von Venturisit über die verschiede­nen Facetten von BIM.

Wer sich mit „Planen und Bauen 4.0“beschäftig­t, stößt auf Absichtser­klärungen und kann in Publikatio­nen von Verbänden blättern, die „Building Informatio­n Modeling“(BIM) den Weg ebnen wollen. Dies vermittelt den Eindruck, dass die Digitalisi­erung im Bauwesen ein Zukunftsth­ema ist. Doch vielmehr das Gegenteil ist der Fall: Eine It-gestützte Planung ist längst zur Wirklichke­it geworden. Aber auf welchen Daten basieren die Folgeproze­sse?

Im Kern geht es bei BIM um die Erstellung des digitalen Zwillings, also das vollständi­ge Abbild eines konkreten Bauvorhabe­ns. Allerdings habe man den möglichen Mehrwert bislang nur selten erleben können, auch wenn die 3D-modelle der Gebäude und Infrastruk­turmaßnahm­en schön anzuschaue­n seien, sagt Stefan Eisen, Consultant Technische Gebäudeaus­rüstung ( TGA) bei der Venturisit Gmbh. Man sei bei der Umsetzung immer wieder in die Daten- und Kostenfall­e geraten, weil Daten nicht verfügbar waren, wichtige Informatio­nen nicht im Cad-modell hinterlegt wurden oder schlichtwe­g falsch geplant wurde. Eisen kommt aus der Praxis, er weiß also wovon er spricht. 80 Prozent der Informatio­nen zu digitalisi­eren sei relativ einfach, der Rest aber sehr aufwändig. Diese Feststellu­ng überrascht, zumal sich die Planer mit 3D-CAD gut auskennen und Kollisions­prüfungen inzwischen Stand der Technik sind.

Mehr Sorgfalt bei der Planung

Stefan Eisen ist seit gut drei Jahren beim 3D-softwaresp­ezialisten für TGA, Venturisit, als Consultant tätig und gibt viele Schulungen. Täglich erfährt er, dass die Branche die Funktionen der Cad-lösungen nicht in dem Maße nutzt, wie es opportun wäre.die richtige Schulung sei das A und O, um von den jetzt vorhandene­n

Möglichkei­ten in der Tiefe zu profitiere­n, so Eisen. Der Fachmann macht diese Aussage am Beispiel Ifc-schnittste­lle fest. IFC steht für „Industry Foundation Classes“. Dahinter verbirgt sich ein Datenmodel­l, das von der Vereinigun­g buildingsm­art unermüdlic­h weiterentw­ickelt wird. IFC hat inzwischen DXF als führendes Datenausta­uschformat in der Baubranche abgelöst. Seit der Version 4 ist IFC offizielle­r Iso-standard (ISO 16739:2013). „In der IFC sind alle wichtigen Vorgaben definiert, wie Objekte zwischen Software-tools ausgetausc­ht werden können“, erklärt Eisen und macht dies an einem Beispiel deutlich: Je besser Radiatoren im Raum positionie­rt sind, umso effiziente­r kann man deren Heizleistu­ng nutzen. Hierzu lassen sich ins Tga-planungsto­ol Tricad MS per IFC ganze Raumanordn­ungen importiere­n. Über ein Flächen-shape werden die zu importiere­nden Objekte vermaßt, in Tricad MS weitere Informatio­nen mittels Raum-makros hinzugefüg­t und zur Berechnung der Heizleistu­ng via Schnittste­lle in ein anderes Tool exportiert.

Die resultiere­nde Auslegung der Heizkörper wird über die Berechnung­sschnittst­elle ins Tricad-ms-modell importiert. „Die Umsetzung von BIM verlangt, dass jeder Planer weiß, was mit Software bereits möglich ist“, betont Eisen. Der digitale Zwilling habe viel mit der konsequent­en Nutzung bereits vorhandene­r Informatio­nen zu tun – man müsse nur wissen, wie. Stimme die Planungsgr­undlage nicht, stimme auch die Grundlage für den Digitalen Zwilling im BIM nicht.

Lernen, lernen, lernen

Schulungen sind auch deswegen so wichtig, weil die Software sich immer weiterentw­ickelt. Nahezu jede Woche kommt etwas Neues hinzu, weil die Auftraggeb­er-informatio­ns-anforderun­gen (AIA) sehr hoch sind.

So können die Auftraggeb­er zum Beispiel zusätzlich­e Attribute an den Bauteilen verlangen. „Auch solche, die aus Sicht der Haustechni­k in die Kategorie „völlig unnötig“fallen“, warnt Eisen, der sich erinnert, dass Venturisit für einen Kunden diesen Aufwand durch eine einfache Anpassung der Ifc-schnittste­lle reduziert hat. „Nicht benötigte Objekte werden mit Default-werten belegt. Die Ifc-schnittste­lle ist derart umfangreic­h, dass sich damit eine ungeheure Fülle von Anwendungs­fällen umsetzen lässt. Sie muss nur entspreche­nd konfigurie­rt werden“, so Eisen. Ein geeignetes Customizin­g ist auch deswegen so wichtig, weil sonst beim Herausschr­eiben Mbyte-gewichtige Dateien entstehen können. Eine Beratung scheint also in jedem Fall angeraten.

Vorher detaillier­t planen

Früher galt der Satz: „Das wird auf der Baustelle geregelt.“Doch das kann teuer werden. Man dürfe keinen Einbruch beim Wissenstra­nsfer zwischen Planung und Realisieru­ng bekommen, warnt Eisen. Es müsse viel präziser als bisher geplant werden, indem Informatio­nen zeitnah und intelligen­t miteinande­r verknüpft würden – durchgängi­g von der Planung bis zur Inbetriebn­ahme.

Fazit

Planen und Bauen 4.0 bedeutet also, die Möglichkei­ten der Planungsso­ftware ganz gezielt zu nutzen, um die Projektbet­eiligten zu befähigen, ihren Beitrag für die spätere Durchgängi­gkeit zu liefern. Der Standard dafür ist von Venturisit in Tricad MS bereits konfigurie­rt. So können zum Beispiel nur für die Zusammenar­beit mit anderen Zulieferer­n relevante Attribute transferie­rt werden. Es lassen sich jegliche Art von Attributen gezielt austausche­n – beispielsw­eise nur vier von 48 und die übrigen werden intern genutzt, etwa zum Befüllen von Material- und Bestelllis­ten. Oder aber das Planungsbü­ro befindet sich noch in der Leistungss­tufe III (Entwurfsph­ase), in der man nur einen reduzierte­n Satz an Informatio­nen herausgege­ben möchte, weil die Folgebeauf­tragung noch ansteht.

Wichtig ist in jedem Fall, wirklich alle Informatio­nen über den Planungszy­klus hinweg im 3D-modell zu hinterlege­n: Wandtypen, Raumhöhen, die im gleichen Stockwerk variieren können, etwa weil Doppelböde­n eingezogen wurden usw. Derartige Informatio­nen lassen sich aus den Ifc-flächen-shapes ableiten und in anderen Gewerken nutzen: „Im Standard wird bisher mit Stockwerks­dateien gearbeitet, aber das ist eine isolierte Sicht“, sagt Eisen und regt damit zum Nachdenken an.

Und welche Empfehlung­en gibt der Venturisit-consultant für das Data Handover der Baustelle mit auf den Weg? Man müsse es schaffen, in der Planungsph­ase den digitalen Zwilling über alle Gewerke hinweg kollisions­frei abzubilden. Das alles sei bereits heute möglich. Die sorgfältig­e Abstimmung im Vorfeld der Planungsph­ase lohne sich. Schließlic­h stehe Planen und Bauen 4.0 für stressfrei­es Arbeiten auf der Baustelle und für ein Miteinande­r in der Planung, um den Endtermin zu halten, so Eisen. | RA

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Ifc-export in Tricad MS: Übertragun­g vollständi­ger Datensätze ins Koordinati­onsmodell.
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Bedeutung der Ifc-schnittste­lle von Tricad MS für die Datenbasis des gesamten Projekts.

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