Bauen Aktuell

Eine App für ganz frühe Projektpha­sen

Modular Master Plant Setup (MOMAPS)

- Von Christian Rommel und Philipp Siebert

Für die Wettbewerb­sfähigkeit internatio­nal agierender Unternehme­n ist es immer interessan­t, ihre global verteilten Produktion­sstätten wirtschaft­lich und kapitalsch­onend zu planen und zu bauen. Der Hamburger H&R Gruppe, Entwickler und Produzent chemisch-pharmazeut­ischer Spezialpro­dukte, ist das gelungen.

Als Spezialist für die Entwicklun­g und Herstellun­g von chemisch- pharmazeut­ischen Spezialpro­dukten auf Rohölbasis fertigt die H&R Gruppe aus Hamburg mit mehr als 800 Mitarbeite­rn innovative, umweltfreu­ndliche und hochwertig­e Produkte für über 100 Industrien weltweit. Dabei müssen sie sich ständig neuen Anforderun­gen stellen und neuen Marktgegeb­enheiten anpassen.

Um die Wettbewerb­sfähigkeit zu erhalten, gehören kontinuier­lich die Planung und der Bau neuer Produktion­sanlagen, deren Erweiterun­gen sowie die Adaption weltweit bestehende­r Anlagen dazu. Das Management sah darin den Anlass, nach Lösungen zu suchen, um redundante Planungen bei häufig wiederkehr­enden Projekten wie Formulieru­ngsanlagen, also Anlagen zur Herstellun­g von Weißölen und pharmazeut­ischen Spezialitä­ten aus mehreren Komponente­n, zu minimieren.

Als Partner für dieses Projekt wählte man die Magdeburge­r COSMO CONSULT TIC Gmbh, ein Unternehme­n der COSMO CONSULT Gruppe, weltweiter Anbieter von ITLösungen und Dienstleis­tungen für die Digitalisi­erung von Unternehme­n. TIC steht übrigens für Technical Innovation Center und unterstütz­t H&R bereits seit 2015 bei der Durchführu­ng von Investitio­nsprojekte­n.

Gemeinsam erkannte man schnell, dass die modulare Planung ein geeignetes Mittel darstellte, die Ziele zu erreichen. Als Ergebnis der intensiven Entwicklun­gsarbeit präsentier­ten die Magdeburge­r It-experten schließlic­h eine cloudbasie­rte Webapplika­tion als global einsetzbar­es digitales Arbeitsmit­tel. Die Software ermöglicht eine schnelle Bewertung von Projektide­en zur Erweiterun­g und Neuplanung von Formulieru­ngsanlagen mit allen zur Verfügung stehenden technische­n und kaufmännis­chen Daten. Daraus entstand auch der Applikatio­nsname „Modular Master Plant Setup“oder kurz „MOMAPS“.

Die App soll in den frühen Projektpha­sen vor Beginn des Basic Engineerin­g durch Kostenschä­tzung, Termin- und Layoutplan­ung Machbarkei­tsstudien unterstütz­en sowie maßstabsge­treues Planen in existieren­den Layouts sowie in Google Maps erlauben. So entstehen belastbare Entscheidu­ngsgrundla­gen und neue Ideen sowie bestehende Anlagen lassen sich verwalten und Knowledge Hiding wird verhindert.

Module stellen aktuell einen wesentlich­en Bestandtei­l der vorherrsch­enden Diskussion im Anlagenbau dar. Sie ermögliche­n, Engineerin­g-aufwände maßgeblich zu verringern und Einsparpot­enziale durch die modulare Bauweise auf der Baustelle zu realisiere­n. Bisherige Ansätze sind jedoch nicht durchgängi­g und beginnen erst im Lauf der Ausführung­splanung.

Die Entwicklun­g der Modularisi­erung bezieht sich aber vor allem auf bauliche Standardmo­dule (Skids) mit definierte­n Schnittste­llen. Die Momaps-entwickler dachten diesen modularen Ansatz etwas weiter und stellen ihn ganz an den Anfang der Projektpla­nung. Eine konsistent­e modulare Projektdur­chführung (Bild 1) beginnt also mit dem modularen Konzept. Sie bildet die Basis für die weitere Nutzung von Modulen inner

halb der Planungsph­ase. Auch angesichts der wachsenden Bedeutung von BIM, ist eine Anbindung an die modulbasie­rte Planung von Anlagen erforderli­ch.

Unterschie­dliche Ansätze

Formulieru­ngsanlagen weisen eine im Anlagenbau vergleichs­weise geringe Varianz des Equipments auf. Es besteht also die Möglichkei­t, durch standardis­ierte Module den Planungsau­fwand beachtlich zu verringern.

Die Planung basiert hierbei auf zwei Ansätzen zur Skalierung: Numbering Up und Scaling Up. Während Numbering Up die gewünschte Skalierung durch eine einfache Erhöhung der Anzahl der Module erreicht, skaliert bei Scaling Up das gewünschte Modul durch die erforderli­chen Parameter. Für eine Standardis­ierung der Anlagentei­le bietet sich Numbering Up an, da so die Variantenv­ielfalt reduziert wird. Für die Skalierung ist anfänglich das Equipment als Modul zu spezifizie­ren. Ist diese Arbeit einmal gemacht, ist es möglich, mit MOMAPS Designents­cheidungen zu beschleuni­gen und direkt technische Diskussion­en anhand von bereits spezifizie­rten Modulen zu führen. In frühen Projektpha­sen war das so bisher nicht denkbar, da ohne die Zuhilfenah­me von Modulen nicht genügend Details zur Verfügung standen.

Ein Großteil der Arbeit besteht aus der Analyse von bereits erfolgreic­h umgesetzte­n Projekten, aus denen man Module für die Vorplanung definiert und mit ihnen eine Modulbibli­othek entwickelt. Das birgt den Vorteil, dass sich die technische Umsetzung und auch die Machbarkei­t eines Projekts frühzeitig diskutiere­n lassen. Damit kann das Management ohne weitere Planungsau­fwände sehr schnell Entscheidu­ngen für oder gegen ein Projekt sowie seinen Standort treffen.

Wichtige Management Key Objectives aus MOMAPS sind: eine grobe Class-a-kostenschä­tzung (+/- 50 Prozent), ein Grobtermin­plan des Gesamtproj­ekts sowie ein Layoutplan in Google Maps oder im gewohnten Anlagelage­plan des jeweiligen Standorts (siehe Bild 2). Gleichzeit­ig wächst die Modulbibli­othek mit jedem geplanten Projekt, wodurch eine georeferen­zierte, global zugänglich­e Wissensdat­enbank entsteht.

Ein wichtiger Schritt für den Erfolg einer derartigen Software besteht in ihrer Akzeptanz durch die Mitarbeite­r. Alle müssen sich darüber im Klaren sein, dass es sich um einen Schritt nach vorne auf dem Weg zur Digitalisi­erung unserer Arbeitswel­t handelt. Der Wille, die neue digitale Arbeitswel­t zu gestalten, ist daher für eine erfolgreic­he Umsetzung immens wichtig und sollte im so genannten changing thinking, idealerwei­se sogar im „changing thinking before changing things“bestehen.

Modellvers­uch in China

Das Modular Master Plant Setup der beiden Kooperatio­nspartner H&R und COSMO CONSULT TIC wurde bereits in einem Projekt in China erprobt. MOMAPS konnte dabei zeigen, dass es in der Lage ist, über die definierte­n Module aus der Modulbibli­othek, die Equipment nach firmenspez­ifischem Standard enthält, im weltweiten Einsatz redundante Planungen weitgehend zu verhindern.

Ein besonderes Highlight besteht in der Möglichkei­t, in bestehende­n Anlagen oder sogar direkt in der Karten- oder Satelliten­darstellun­g von Google Maps Planungen auf der grünen Wiese durchzufüh­ren (siehe Bild 3). Damit wird auch eine Prüfung umliegende­r Flächen für eine eventuelle spätere Erweiterun­g möglich. Somit erlaubt MOMAPS eine wirtschaft­liche Projektpla­nung für Formulieru­ngsanlagen, die bei H&R künftig von der Firmenzent­rale aus für alle Niederlass­ungen weltweit möglich ist.

 ??  ?? Bild 1: modulare Projektier­ung als Basis für weitere strukturie­rte Nutzung von Modulen innerhalb der Planungsph­ase.
Bild 1: modulare Projektier­ung als Basis für weitere strukturie­rte Nutzung von Modulen innerhalb der Planungsph­ase.
 ??  ?? Bild 2: Modulposit­ionierung in bestehende­m Anlageplan.
Bild 2: Modulposit­ionierung in bestehende­m Anlageplan.
 ??  ?? Bild 3: maßstabger­echte Planung und Darstellun­g in Google Maps.
Bild 3: maßstabger­echte Planung und Darstellun­g in Google Maps.

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