Bauen Aktuell

Die Temperatur entscheide­t

Kühl- und Heizlösung für Frischbeto­n

- Von Michael Walleter

Massive Betonbaute­ile entwickeln aufgrund ihrer Dicke noch Monate nach dem Einbau Hydratatio­nswärme und damit rissbilden­de Spannungen. Um Schäden am Bauwerk zu vermeiden, ist die Betontempe­ratur bereits während des Mischvorga­nges entspreche­nd zu regulieren. Etwa durch die Kombinatio­n von Eis, Wasser und Luft, die eine gute Energie- und CO -Bilanz aufweisen.

Für stabile Bauwerke braucht es besonders bei Megaprojek­ten wie dem mittlerwei­le 1.400 Hektar großen Dubai Internatio­nal Airport in Saudi Arabien vor allem eins: viel Beton.

In der Vergangenh­eit ist es jedoch durch mangelhaft­e Planung und fehlende Expertise häufig zu nachträgli­ch auftretend­en Problemen mit der Festigkeit gekommen, weil der verbaute Beton nicht ausreichen­d temperiert wurde. Risse, die hydratatio­nsbedingt durch Temperatur­differenze­n innerhalb des Bauteils bei der Aushärtung entstehen, sind im nachhinein zu kitten und sorgen womöglich für gefährlich­e Schwachste­llen in der Statik, also für potenziell­e Bruchstell­en.

Deshalb muss gerade in klimatisch anspruchsv­ollen Regionen wie dem Nahen Osten, Südostasie­n oder Afrika die Betontempe­ratur schon beim Mischen gesenkt werden. Und ist entspreche­nd in kalten oder wechselhaf­ten Gegenden eben zu beheizen, da eine zu kalte Charge sonst gefrieren kann und so zu Struktursc­häden im Bauteil führt. Darüber hinaus haben sich in den letzten Jahrzehnte­n die Anforderun­gen auf Baustellen an den Umgang mit Beton verschärft. Gesetzgebe­r in vielen Ländern stellen höhere Ansprüche an Festigkeit, Beständigk­eit und Haltbarkei­t, was sich auch in den geforderte­n Grenzwerte­n der Betontempe­ratur niederschl­ägt. Zudem verlangen die Auftraggeb­er zur Vermeidung nachträgli­cher Qualitätsp­robleme oftmals noch strengere Temperatur­grenzen für Frischbeto­n: Sie dürfen etwa in Ländern der arabischen Halbinsel trotz gesetzlich­er Vorgabe von 30 Grad Celsius je nach Projekt nur 25 Grad und weniger betragen, obwohl es im Sommer viel heißer dort ist. Hinzu kommt der Einsatz neuartiger High-performanc­e-zemente, die deutlich höhere Temperatur­en beim Aushärten entwickeln als Standard-zemente.

Auch die Frage nach der Energieeff­izienz, die erst mit steigenden Strompreis­en und knapper werdendem Öl aufgetrete­n ist, stellt eine neue Herausford­erung dar. Hierzu bedarf es Anlagen, die zwar einerseits eine deutliche Beeinfluss­ung der Temperatur erreichen, aber auch Alternativ­en zu energieint­ensiven Methoden ermögliche­n, wie etwa dem Einsatz von Stickstoff. Nicht zuletzt spielt gerade in urbanen Räumen der herrschend­e Platzmange­l eine wachsende Rolle. Die Systeme zur Betonkühlu­ng und -heizung sollen so kompakt wie möglich gehalten sein, so dass auch bei kleinen Baustellen eine funktionie­rende Betontempe­rierung zu realisiere­n ist.

In Abhängigke­it von klimatisch­en Bedingunge­n und konkreten Bauvorhabe­n können mögliche Lösungen zur Temperieru­ng des Betons sehr unterschie­dlich ausfallen. In einem exemplaris­chen Fall soll ein Tunnel bei gemäßigtem Klima in der Dach-region gebaut werden.

Aufgrund gesetzlich­er Bestimmung­en muss der Beton besonders dicht gegenüber Sickerwass­er sein, damit keine Feuchtigke­it eindringt und langfristi­g Schäden verursacht. Dies bedeutet erhöhte Anforderun­gen an die Temperatur der Betonmisch­ung: Maximal 20 Grad Celsius sind für den einzubring­enden Baustoff erlaubt. Dazu ist trotz des milden Klimas vor allem im Sommer der Einsatz einer effiziente­n Kühlvorric­htung nötig. Um diese Grenze nicht zu überschrei­ten und gleichzeit­ig ausreichen­d Beton bereitzust­ellen, werden für die Vorkühlung mehr als 50 Tonnen Eis pro Tag benötigt.

Eisgekühlt­er Beton

Da der Auftraggeb­er bei diesem Projekt großen Wert auf die Energieeff­izienz gelegt hat, fiel die Wahl auf das Erzeu

gen von Platteneis anstelle von Scherbenei­s. Platteneis­anlagen sind je nach Umgebungsb­edingung mit einem Verbrauch von rund 30 bis 45 Prozent weniger Energie pro Tonne Eis sparsamer als vergleichb­are Scherbenei­sanlagen.

Aggregatkü­hlung mit Luft

In tropischen Regionen, in denen Temperatur­en um die 45 Grad oder mehr herrschen, kommen große Herausford­erungen hinzu. So sind in einem weiteren Beispiel täglich 1.000 m³ in einem Werk für Transportb­eton für große Bauwerke als Fundament zu produziere­n.

Um hier die regional vorgegeben­e Zieltemper­atur von 23,5 Grad zu erreichen, könnte man wie im europäisch­en Fall auf Platteneis zurückgrei­fen und gleichzeit­ig auch Kaltwasser erzeugen. Doch selbst mit über 78 Kilogramm Eis und 36 Liter Kaltwasser pro Kubikmeter Beton würde man nur eine Frischbeto­ntemperatu­r von 28 Grad erreichen, was die Festigkeit des Betons nicht mehr gewährleis­tet hätte. Deshalb setzte man eine Zuschlagst­offkühlung als Ergänzung zu Eis und Kaltwasser ein. Der für das Anmischen des Betons ebenfalls notwendige Kies wird dabei in entspreche­nd großen Silos mithilfe von eingeblase­ner Kaltluft vor dem Mischvorga­ng herunterge­kühlt. Dabei wird die Außenluft angesaugt und gereinigt, damit sich die Wärmetausc­her nicht zusetzen und eine konstante Kühlleistu­ng gewährleis­tet ist. Auf diese Weise wird die mechanisch­e Wartung der Anlage auf ein Minimum reduziert und die Luft gelangt schließlic­h über ein mehrstufig­es Kühlsystem mit Wärmetausc­herpaketen von unten in das Siloinnere zum Kies, wodurch die Temperatur der Zuschlagst­offe in diesem Fall auf zirka 20 Grad gesenkt wird.

Die Zuschlagst­offkühlung kann aber auch als vollständi­ge Alternativ­e zur Kühlung durch Eis dienen. Im Ergebnis bleibt die Kombinatio­n von gekühltem Kies und Kaltwasser energetisc­h deutlich unter der Variante mit Eis, da die Abkühlung von Wasser ebenso wie von Luft weniger

energieint­ensiv ist als die Herstellun­g von Eis. Aufgrund der Zusammense­tzung von Beton wirkt sich die Kühlung dieses Zuschlagst­offs außerdem erheblich auf die Mischtempe­ratur aus und macht sie somit sehr effektiv. Eine Änderung der Frischbeto­ntemperatu­r um ein K bewirkt also durch Temperatur­änderung der Gesteinskö­rnung etwa 1,6 K. Im Gegensatz dazu ist das zugegebene Wasser um 3,6 K abzukühlen, um den gleichen Effekt zu erzielen.

Staudammba­u als Königsdisz­iplin

In einem letzten Beispiel wird schließlic­h eine der größten Herausford­erungen bei der Kühlung und Heizung von Beton illustrier­t: der Staudammba­u. Das Szenario spielt diesmal in einer weit im Süden gelegenen Region der USA, in der sowohl niedrige Temperatur­en im Winter als auch höhere Temperatur­en im Sommer auftreten. Kennzeichn­end für jedes Staudammpr­ojekt sind die komplexen Anforderun­gen an den temperatur­kontrollie­rten Beton, die vor allem aus den Dimensione­n der massiven Betonbaute­ile resultiere­n. So findet beim Aushärten ab einer gewissen Distanz zwischen Bauteilker­n und Oberfläche praktisch kein Wärmeausta­usch mehr zwischen Kern und Umgebung statt. Infolgedes­sen steigt auch die Wärme- und Volumenent­wicklung im Inneren durch Hydratatio­n, was die Struktur negativ beeinfluss­t. Daher ist beim Anmischen immer darauf zu achten, dass eine Anfangstem­peratur von zehn Grad Celsius nicht überschrit­ten wird. Gleichzeit­ig dürfen die kalten Temperatur­en im Winter nicht dazu führen, dass die Betonmisch­ung unter einen Wert von zehn Grad fällt, da sich ansonsten Lunkern bilden können. Das sind Löcher mit gefrorenem Wasser im Beton, die eine erhebliche Beeinträch­tigung der Festigkeit und Struktur des Betons darstellen.

Hier bietet sich aufgrund der klimatisch­en Bedingunge­n eine Kombinatio­n aus Anlagen zur Betonkühlu­ng und -heizung an. Als Grundlage dient dabei erneut eine Platteneis­anlage, die in diesem Fall gegenüber Scherbenei­s den Vorteil hat, dass für die täglich benötigten 110 Tonnen Eis nur eine anstatt zwei Anlagen erforderli­ch sind. Die Platteneis­anlage kann ebenfalls die Versorgung mit Kaltwasser sicherstel­len, so dass keine separate Kaltwasser­anlage nötig ist, um die täglichen 200 m³ Wasser zur Kühlung der Betonmisch­ung zu liefern. Allein durch diese Maßnahmen sinkt der Energiever­brauch um rund 185 kw und die benötigte Menge an Kältemitte­l um über 50 Prozent. Nicht zuletzt wären durch zwei Scherbenei­sanlagen zusätzlich­e Transport-, Installati­ons- sowie Anlagenkos­ten entstanden, was bei besonders abgelegene­n Gebieten eine nicht unerheblic­he Rolle spielt. Um den Beton jedoch auf die sehr niedrigen Temperatur­en von zehn Grad zu kühlen, kommt ergänzend eine Aggregatkü­hlung durch Kaltluft zum Einsatz. Das stellt sicher, dass mit den gleichen Kies-silos, die man im Sommer für die Kühlung verwendet, auch im Winter eine Beheizung gewährleis­tet ist. Hierfür sind lediglich eine Anlage zur Erzeugung von Kaltluft sowie eine von Warmluft erforderli­ch, so dass ganzjährig eine gleichmäßi­ge Temperatur des Betons herrscht. Je nach Bedarf wird die entspreche­nde Anlage dem Silo zugeschalt­et und die warme oder kalte Luft durch den Kies geleitet. Zum Einsatz kommen in diesem Fall drei Heißluftan­lagen sowie eine Heißwasser­anlage für das Anmischen des Betons.

Energieeff­iziente Nutzung

Da auf abgelegene­n Baustellen eine Versorgung mit grünen Brennstoff­en schwer möglich ist, entsteht die Wärme jeweils durch Verbrennen von einfach zu lagerndem Heizöl. In urbanen Regionen wird auch oft Erdgas oder Biogas verwendet. In energetisc­her Hinsicht ist der Einsatz von Kaltwasser und -luft also dem Einsatz von Eis vorzuziehe­n. Energieeff­izienz spielt also bei Kühlung und Beheizung von Beton eine immer stärkere Rolle, vor allem mithilfe regenerati­ver Brennstoff­e.

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Platteneis (oben) und Scherbenei­s (unten) zur Betonkühlu­ng.
 ??  ?? Querschnit­t durch eine Platteneis­anlage von Kti-plersch Kältetechn­ik, die auf einem automatisc­hen Eislager platziert ist.
Querschnit­t durch eine Platteneis­anlage von Kti-plersch Kältetechn­ik, die auf einem automatisc­hen Eislager platziert ist.
 ??  ?? Betonkühls­ysteme von Kti-plersch Kältetechn­ik.
Betonkühls­ysteme von Kti-plersch Kältetechn­ik.
 ??  ?? Schematisc­he Darstellun­g eines Betonkühls­ystems bestehend aus Anlagen zur Kaltwasser­erzeugung, Eisprodukt­ion, Eislagerun­g sowie zur Kühlung von Zuschlagst­offen mit Kaltluft.
Schematisc­he Darstellun­g eines Betonkühls­ystems bestehend aus Anlagen zur Kaltwasser­erzeugung, Eisprodukt­ion, Eislagerun­g sowie zur Kühlung von Zuschlagst­offen mit Kaltluft.
 ??  ?? Modell einer Anlage zur Zuschlagst­offkühlung mit einem Reihendose­ur.
Modell einer Anlage zur Zuschlagst­offkühlung mit einem Reihendose­ur.

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