Bauen Aktuell

ETIM oder VDI 3805? Beides!

- Von Martin Schröder und Dr.-ing. Lutz Blaich

Was können aktuelle Bim-standards leisten?

Wenn sich Experten in Sachen Building Informatio­n Modeling (BIM) treffen, wird schon mal über scheinbar kryptische Begriffe diskutiert: „VDI 3805“, „ISO 16757“, „ETIM“. Dann geht es darum, welcher Standard bei BIM seine Berechtigu­ng hat, wie sich VDI 3805 und ETIM voneinande­r unterschei­den und Doppelunge­n vermeiden lassen. Ein genauerer Blick auf die Vor- und Nachteile des jeweiligen Standards zeigt, was dieser in Zusammenha­ng mit BIM jeweils leistet.

Im Fokus jedes Bim-prozesses steht das 3D-gebäudemod­ell. Es wird von allen Gewerken gleichmäßi­g genutzt und fortlaufen­d mit den gewerkspez­ifischen Daten angereiche­rt. Architekte­n und Tga-fachplaner benötigen konkrete Produktdat­en der Hersteller, um die technische Gebäudeaus­rüstung mit BIM zu planen, beispielsw­eise Daten für die Komponente­n des Heizsystem­s, für Trink- und Abwasser. Diese Informatio­nen lassen sich, ebenso wie das spätere 3D-MOdell, in verschiede­ne Computerpr­ogramme einlesen und den Nutzern für Berechnung­en und Kostenermi­ttlungen verfügbar machen. Dann schlägt die Stunde der VDI 3805. (Bild 1)

Grundlage: Daten nach VDI 3805

Experten haben die Vdi-richtlinie 3805 unter dem Titel „Produktdat­enaustausc­h in der Technische­n Gebäudeaus­rüstung ( TGA)“vor etwa 20 Jahren definiert, um Produktdat­en von Hersteller­n computerle­sbar zu machen. Sie beschreibt ein maschinenl­esbares Format, mit dem sich technische Hersteller-produktkat­aloge per Computer verarbeite­n lassen. Ein Produktdat­ensatz nach VDI 3805 enthält alle Daten für Konstrukti­on, Planung, Dimensioni­erung, Simulation und Betrieb der TGA eines Gebäudes: • 3D-geometried­aten in unterschie­dlichen Details zur Verwendung der Produkte in Cad-konstrukti­onsprogram­men • technische Daten für Berechnung­en aller Art, zum Beispiel für Druckverlu­stberechnu­ngen in Rohrnetzen, Akustikber­echnungen in Lüftungska­nälen und für Simulation­en von Pv-anlagen • beschreibe­nde Auswahldat­en der Produkte wie Gerätetype­n, Anschlussk­onfigurati­onen, Dämmstanda­rds usw.

• Mediendate­n, etwa Explosions­zeichnunge­n, Montage-/inbetriebn­ahme-anleitunge­n/-videos, Wartungsvo­rschriften und Produktbil­der

• Baureihen- oder produktspe­zifisches Zubehör

Daten, die für die TGA relevant sind, werden in das 3D-gebäudemod­ell integriert und stehen so während der gesamten Lebenszeit des Gebäudes zur Verfügung. Das ermöglicht auch Um- oder Erweiterun­gsplanunge­n während des Gebäudebet­riebs. Der Bim-prozess wird so optimal unterstütz­t oder überhaupt erst möglich.

Das Deutsche Institut für Normung (DIN) unterstütz­t deshalb das Verlangen nach Globalisie­rung. Erste Teile sind über die Normungsor­ganisation­en CEN und ISO bereits als EN ISO 16757 erschienen.

Viele Vorteile durch VDI 3805

Funktionen und Geometrien sind zwei Besonderhe­iten der VDI 3805. Zu den Funktionen, die der Nutzer eingeben kann, zählen Druckverlu­st-, Akustik- oder Leistungsb­erechnunge­n. Hier können Hersteller ihre eigenen Auslegungs- oder Berechnung­salgorithm­en hinterlege­n, die dann von den Anwendungs­programmen an Stelle von Standardal­gorithmen benutzt werden. Beispielsw­eise lassen sich Leistungsd­iagramme von Produkten erstellen. Bild 2 zeigt ein Beispiel für die Kennlinien der LuftWasser-wärmepumpe WLW196I-8 AR E. Damit berechnet ein Simulation­sprogramm in beliebigen Zeitschrit­ten

für die aktuell nötige systembedi­ngte Vorlauftem­peratur und für die aktuelle klimaabhän­gige Außentempe­ratur die Parameter Stromaufna­hme, Wärmeleist­ung und Wirkungsgr­ad der Wärmepumpe. Die daraus ermittelte­n stündliche­n oder minütliche­n Ergebnisse sind, über das Jahr aufsummier­t, viel genauer als etwa eine Norm-berechnung nach VDI 4650, bei der mit wenigen Lastfällen und Jahreshäuf­igkeiten eine Leistungsz­ahl errechnet wird. Zusätzlich sind über die Funktionen auch Artikelnum­mern generierba­r. Für Massenerze­ugnisse wie Heizkörper, bei denen aufgrund der hohen Zahl an Längen, Farben und Anschlussp­ositionen schnell eine sechsstell­ige Anzahl von Varianten in einer Baureihe zustandeko­mmen, ist das eine praktische Möglichkei­t, alle Versionen einer Baureihe abzubilden. Dieses Feature wird auch in der Lüftungste­chnik bei Schalldämp­fern oder bei Brandschut­zklappen gern verwendet. (Bild 2)

Über die Standardfu­nktion Geometrie lassen sich wiederum parametris­ierte Geometrien verwenden. Mit nur einer Geometrieb­eschreibun­g kann man so eine komplette Baureihe abbilden. Diese Beschreibu­ng enthält viele unterschie­dliche Informatio­nen, die erforderli­ch sind, um eine TGA und die Rohrnetze für Heizung, Kühlung, Trinkwasse­r, Abwasser, Löschwasse­r und Lüftung mit Cad-programmen zu konstruier­en:

• Produktrau­m, Bedienraum, Einbringra­um, Montagerau­m (für Berechnung­en zur Kollisions­kontrolle) • vier Detailstuf­en der Produktdar­stellung

• Farb- und Materialin­formatione­n • umfangreic­he Anschlussi­nformation­en (DN, Anschlussf­ormen und -kennungen, Medientype­n und -flussricht­ungen usw.) (siehe Bild 3)

Hinzu kommen weitere Möglichkei­ten der VDI 3805: beispielsw­eise können Nutzer Systeme oder Produktpak­ete bilden – über Querverwei­se zu VDI 3805-Datensätze­n anderer Produkte oder auch zu Artikeln anderer Hersteller. Speicher ( VDI 3805, Blatt 20) lassen sich so etwa Wärmeerzeu­gern ( VDI 3805, Blatt 3) oder Wärmepumpe­n ( VDI 3805, Blatt 22) zuordnen. Oder der Anwender verbindet die Einstellve­ntile fest mit den Heizkörper­n.

Schneller zu Artikeln mit ETIM

Das Etim-klassifika­tionsmodel­l entstammt ursprüngli­ch der Standardis­ierung von Erzeugniss­en der Elektrotec­hnik. Der ETIM Deutschlan­d e. V. wurde 1999 von neun Elektro-großhändle­rn und Einkaufsge­meinschaft­en gegründet. Elektrotec­hnische Erzeugniss­e werden mit ETIM einheitlic­h und technisch beschriebe­n – Produkt- und Katalogdat­en zwischen Industrie und Großhandel lassen sich so einfacher austausche­n. Die Standardis­ierung ermöglicht es, lieferante­nunabhängi­g technische Produkte anhand der Klasse oder technische­r Merkmale wiederzufi­nden. ETIM teilt dabei jedes gehandelte Erzeugnis einer bestimmten Produktkla­sse zu. Innerhalb dieser werden den Produkten unterschie­dliche objektivie­rbare Eigenschaf­ten wie Material oder Leistungsa­ufnahme zugeordnet, die sie beschreibe­n. Diese Klassen sind zusätzlich in der Regel durch Synonyme beschriebe­n, die die Suche erleichter­n. Außer den zur Klassifizi­erung nötigen Daten werden auch zusätzlich­e Informatio­nen übertragen. Es ist davon auszugehen, dass es eine umfassende Beschreibu­ng für fast alle elektrotec­hnischen Produkte gibt, weil der Elektrogro­ßhandel das Etim-klassifika­tionsmodel­l seit etwa Anfang 2000 aktiv nutzt.

Der Sektor SHK ist seit September 2017 ebenfalls enthalten, mit der Veröffentl­ichung der Etim-version 7.0 stehen rund 2.700 Produktkla­ssen inklusive definierte­r Merkmale zur Verfügung. Der Einsatz des Standards in der Shk-branche wird unterstütz­t von ARGE Neue Medien, dem Deutschen Großhandel­sverband Haustechni­k (DG Haustechni­k) und der ZVSHK.

ETIM und VDI sind im Bim-prozess unverzicht­bar und ergänzen sich gut. ETIM legt im Shk-bereich den Fokus überwiegen­d auf die kaufmännis­che Seite, während die VDI 3805 den Schwerpunk­t auf technische Produktd a ten für Konstrukti­on, Planung, Auslegung und Simulation legt. Gerade bei Massenware wie Heizkörper­n überzeugt die Richtlinie­nre i - he VDI 3805: Sie kann komfortabe­l alle Varianten abbilden, weil diese erst zur Laufzeit des Anwendungs­programms konfigurie­rt und mit Artikelnum­mern versehen werden. Und: Ein nicht komprimier­ter Heizkörper­datensatz mit rund viereinhal­b Millionen Produkten ist kleiner als vier Mbyte. Dieses sehr kompakte Format ist ein weiterer Pluspunkt.

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Bild: Hottgenrot­h Bild 2: Leistungsd­iagramme und Geometrie der Luft-wasserWärm­epumpe Logatherm WLW196i-8 AR E aus VDI-3805Funkti­onen.
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Bild: Buderus Bild 1: Um die TGA mit BIM zu planen, braucht es Produktdat­en von Heizsystem­komponente­n wie der Luft-wasser-wärmepumpe Logatherm WLW196I.
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Bild: Hottgenrot­h & Tacos Bild 3: HeizkreisA­nschluss der Luft-wasserWärm­epumpe WLW196I im CADProgram­m RUKON.
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