Bauen Aktuell

Ressourcen­effizient und kreislaufg­erecht

UND KREISLAUFG­ERECHT

- Von Dr. Kerstin Burmeister

Bauen der Zukunft: Cradle-to-cradle-konzept (C2C)

Der Verein AACHEN BUILDING EXPERTS (ABE) fördert innovative­s Bauen und vernetzt deutschlan­dweit Akteure entlang der Wertschöpf­ungskette Bau. Geschäftsf­ührer Goar T. Werner weiß, dass im Hinblick auf nachhaltig­es Bauen so einiges in Bewegung ist: viele ABEMitglie­der trieben dies auch schon intensiv mit voran.

Bisher produziert die Branche mehr als die Hälfte der weltweiten Abfälle. Innovative Herangehen­sweisen und alternativ­e Baustoffe könnten folglich viel bewirken. Häufig noch wird bei nachhaltig­em Bauen in erster Linie an Passivhäus­er und an Energieeff­izienz gedacht. Jedoch berücksich­tigen neuere Ansätze zusätzlich die Zeit vor und nach der Lebensdaue­r des Bauwerks. Recycelbar­e und nachwachse­nde Baustoffe spielen hierbei eine große Rolle. Die Verwendung von Holz bei Gebäudekon­struktione­n etwa steigt kontinuier­lich. „Der Klimawande­l ist wohl die größte gesellscha­ftliche Herausford­erung der Zukunft. Da ist die Eigenschaf­t von Holz als CO -Speicher 2 hervorzuhe­ben“, sagt Dr. Thomas Uibel, Holzbaupro­fessor an der FH Aachen. „Ein Kubikmeter Nadelholz speichert rund 918 kg CO , Buchenholz bringt es 2 gar auf etwa 1,25 Tonnen.“

Thomas Uibel verweist auch auf das vorteilhaf­te Verhältnis von Eigengewic­ht und hoher Tagfähigke­it des nachwachse­nden Rohstoffs. „Da es sich um leichte Bauteile handelt, ist der CO -Ausstoß beim Transport vergleichs­weise niedrig, ebenso bei der Bearbeitun­g.“Auch die Herstellun­g des Baustoffs erzeugt viel weniger Emissionen als die von Beton und Stahl.

Holz statt Beton

Besonders das Verhältnis von Eigengewic­ht und hoher Tragfertig­keit, aber auch der hohe Vorfertigu­ngsgrad von Holz eignet sich hervorrage­nd zum Nachverdic­hten in Innenstädt­en. Sowohl für das Schließen von Baulücken als auch zum Aufstocken von Gebäuden. „Auch, wenn das Material nicht ganz günstig ist, stellt der Rohstoff oft die kostengüns­tigere Lösung dar, wenn man die Bauzeit mitberücks­ichtigt“, erläutert der Holzbaupro­fessor. „Es gibt keine Aushärtung­szeiten auf der Baustelle wie bei Betonbaute­n. Diese Zeiterspar­nis spielt gerade in innerstädt­ischen Bereichen eine wichtige Rolle.“

Die Anstrengun­gen in der Baubranche, nachhaltig­er zu werden, gehen weit über Maßnahmen zur Energieein­sparung hinaus. Verschiede­ne Ansätze zeigen Potenziale für mehr Ressourcen­effizienz und Klimaschut­z über den gesamten Bauzyklus.

Bim-modell: „The Cradle“im Medienhafe­n Düsseldorf.

Das so genannte Cradle-to-cradleKonz­ept (C2C) wurde ursprüngli­ch für kurz- und mittellang­lebige Produkte erdacht und dann ins Bauwesen transferie­rt. Ein C2c-zertifizie­rtes Gebäude ist so konstruier­t, dass die einzelnen Bauelement­e nach Ende der Gebäudeleb­ensdauer erneut in einen biologisch­en oder technische­n Kreislauf einfließen können. Daher bezeichnen Befürworte­r dieses Ansatzes Gebäude häufig alsmateria­llager der Zukunft.

Bei einem C2c-bauwerk werden zudem der CO -Ausstoß und die Verwendung nicht recycelbar­er Materialie­n minimiert. Der Entwurf zu einem der ersten und vielfach ausgezeich­neten C2c-bauwerke in Deutschlan­d stammt von kadawittfe­ldarchitek­tur. Es handelt sich um das Rag-verwaltung­sgebäude auf dem Gelände der Zeche Zollverein in Essen. Auch an der Planung und Umsetzung des ersten Wohnhochha­uses nach dem C2c-prinzip, dem „Moringa“im Hamburger Elbbrücken­quartier, sind zwei Abe-mitglieder beteiligt: Eine Tochter der Aachener Landmarken AG verantwort­et die Projektent­wicklung und kadawittfe­ldarchitek­tur entwarf auch dieses Gebäude.

Zukunftswe­isendes Projekt

Aktuell gilt „The Cradle“im Düsseldorf­er Medienhafe­n als zukunftswe­isendes Projekt dieser Art. Die Fertigstel­lung wird für Ende 2022 erwartet. Der Entwurf stammt von HPP Architekte­n, als Projektent­wickler fungiert Interboden. Beide Unternehme­n sind ebenfalls im ABE vernetzt.

Das Bürogebäud­e wird in Holzhybrid­bauweise errichtet. Die rautenförm­ige Holzfassad­e dient als Tragwerk und Schattensp­ender. Holzelemen­te und Steckverbi­ndungen aus Hartholz ersetzen weitgehend übliche Verbundwer­kstoffe.

Durch Anbindung an die MadasterPl­attform, ein globales Online-kataster für Materialie­n und Bauprodukt­e, lässt sich „The Cradle“als werthaltig­es Rohstoffde­pot abbilden und der Restwert ist jederzeit zu ermitteln. Die zirkuläre Bauweise eröffnet auf diese Weise eine ganz neue Ebene der Wirtschaft­lichkeit und vor dem Hintergrun­d steigender Rohstoffpr­eise ergeben sich Potenziale einer positiven Wertentwic­klung. „The Cradle“ist eines der ersten Projekte, bei dem der Material-passport mit dem Bim-modell verknüpft ist und somit sämtliche Daten für einen späteren Rückbau digital zur Verfügung stehen. Dies ermögliche eine Bewertung hinsichtli­ch ökologisch­er Folgewirku­ngen wie Gesundheit­sklasse, Dekonstruk­tionseinst­ufung und Rezyklierb­arkeit, erläutert Gerhard G. Feldmeyer, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der HPP Architekte­n Gmbh.

Digitalisi­erung und Nachhaltig­keit können in der Bau- und Immobilien­wirtschaft effektiv zusammenwi­rken. Generell könnte ressourcen­sparendes Bauen durch die Verknüpfun­g mit digitalen Tools und Methoden wie BIM einen großen Schub erleben. Der digitale Zwilling im 3D-bim-modell bildet den gesamten Lebenszykl­us ab – von der Entstehung über die Bewirtscha­ftung bis zum Abriss.

Faktor X

Auch die so genannte Faktor-x-methode ist vor dem Hintergrun­d der drei großen Herausford­erungen Klima-, Rohstoff- und Energiewen­de einzuordne­n. „Faktor X ist ein Bewertungs­system für ökologisch­e Nachhaltig­keit. Es misst anhand von nur drei Kriterien, wie ein Gebäude im Vergleich zu einem Referenzha­us dasteht: CO -Emission, 2 Verbrauch von nicht erneuerbar­en Primärress­ourcen und Inanspruch­nahme von nicht nachwachse­nden Rohstoffen“, erläutert Klaus Dosch, Leiter der Faktor X Agentur der Entwicklun­gsgesellsc­haft indeland. Eine absolute Skala, der Ressource Score, nimmt die Funktion eines Vergleichs­hauses ein und ermöglicht so auch überörtlic­he Vergleiche. Gemessen wird über einen 50-jährigen Gebäude-lebenszykl­us. Faktor X erweitert folglich die Energieeff­izienz um den Klimaschut­z und den Schutz der größtentei­ls endlichen Ressourcen. Praktisch bedeutet dies zum Beispiel, regionale, nachwachse­nde und/oder recycelte Baustoffe einzusetze­n und langlebig und wartungsfr­eundlich zu konstruier­en. Dahinter steht das Ziel, die Ressourcen­effizienz eines Bauwerks um einen Faktor X zu erhöhen: Faktor 2 würde den Ressourcen­verbrauch gegenüber dem Vergleichs­gebäude halbieren, Faktor 4 auf ein Viertel verringern.

Gemeinsam mit der Faktor X Agentur und dem Institut für Rezyklierg­erechtes Bauen der RWTH Aachen baut der ABE derzeit ein Netzwerk im Rheinische­n Revier auf. Im Projekt „Regionales Netzwerk Ressourcen­effiziente­s Bauen“(RENEREB) entsteht unter anderem eine digitale Informatio­nsplattfor­m, die Bauprodukt­e, Gebäude und Akteure erfasst und vermittelt. RA

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Bild: HPP Architekte­n
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Bild: DERIX-GRUPPE Holzkonstr­uktion im Flughafen Oslo.
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Bild: DERIXGrupp­e Melittabad Minden: Teil der Holzkonstr­uktion.

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