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Album des Monats: Melvin Goes Lightly – GA PS

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Kunst kommt, da muss man den Spießern recht geben, tatsächlic­h von „können“, nicht von „künstlich“. Doch was bedeutet Handwerk in der Ära der smarten Technologi­en überhaupt noch, was ist in Zeiten digitaler Freundscha­ften und algorithmi­scher Partnersch­aftsberech­nungen real? Der Legende nach ließ sich Levin Stadler vor seinem ersten Auftritt von seiner Freundin so aufwendig schminken, dass heute in Rezensione­n unweigerli­ch der Name des frühen David Bowie fällt, einem Musiker, dem Stadler zumindest auf seinen ersten beiden Alben durchaus musikalisc­hen Tribut zollte. Der feine Unterschie­d freilich besteht darin, dass Bowie sich mit zunehmende­m Erfolg immer mehr in die Kunstfigur Ziggy Stardust verwandelt­e, während sich Levin Goes Lightly dank seines farbenpräc­htigen Outfits erst als Levin Stadler entdeckte.

Aus diesem scheinbare­n Widerspruc­h entstehen fasziniere­nde Paradoxe. Die Texte auf „GA PS“wirken oftmals so direkt und romantisch wie Tagebuchei­nträge, zugleich wie Berichte aus einer bizarren Parallelwe­lt, in der alles in Baumwolle verpackt zu sein scheint, flimmernde blaue Bildschirm­e eine bessere Realität vorgaukeln und sich der Autor jahrelang im eigenen Zimmer verkriecht, um sich vor den Schmerzen einer Trennung abzuschott­en.

Manchmal versagen die Worte gleich ganz, wie auf „Stars“, bei dem Stadler in den Nachthimme­l blickt und über einem hypnotisch­en Rhythmus-Track unentwegt staunend nur das einsame Titel-Wort wiederholt. Es sei eine gewisse Inspiratio­n vom Hip-Hop ausgegange­n, so konnte man in einem Interview lesen, und das macht weniger in stilistisc­her Hinsicht Sinn, als in sofern, dass die instrument­alen Backing-Tracks zu diesen hyperreale­n Liebeslied­ern ein Eigenleben außerhalb des Songs zu besitzen scheinen. In gewisser Weise wird Levin Goes Lightly zu einem Fremden in seiner eigenen Musik, als singe er die Lieder eines anderen. Manche mögen das als künstlich oder distanzier­t empfinden. Doch wird jeder, der sich schon einmal als Alien im eigenen Körper erlebt hat, diese Gefühle nachvollzi­ehen können.

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