Lindstrøm: It‘s Alright Between Us As It Is
Die Beziehung von Hans-Peter Lindstrøm zum Disco-Sound der 70er ist reine Vereinnahmung. Es ist die Umdeutung eines rohen New Yorker Untergrundphänomens zu einem epischen Poduzententraum, zu einem Vokabular für komplette musikalische Freiheit, für Songs, die sich, wie die bis zu halbstündigen Tracks auf seinem Debüt „Where You Go I Go Too“, Richtung Unendlichkeit verabschieden, für Grooves, die niemals enden wollen, für Arrangements, die, wie auf dem umstrittenen irgendwo-zwischen-Geniestreich-und-Wahnsinn rangierenden „Six Cups of Rebel“, keinen Takt wiederholen und keinen Sound, keine Harmonie und keinen Hook zulassen, der im Kontext von Dance-Musik irgendwie konventionell klingen könnte. „Six Cups of Rebel“erinnerte mit seinen Kirchenorgeln, verknoteten Schlagzeug-Metren und Jazz-Anleihen fast schon an Progressive Rock. Weswegen „It‘s Alright Between Us As It Is“auf den ersten Blick wie eine Besinnung auf die Ursprünge wirkt: Die Bässe pluckern wieder im „I Feel Love“-Arpeggio, Schlagzeug und Synthies marschieren mit maschineller Strenge und die Melodien projizieren neonfarbene Regenbögen auf die Leinwand der sündenerfüllten Nacht.
Auch wenn die Kompositionen etwas früher zum Punkt kommen als noch auf „Where You Go I Go Too“, schmelzen sie doch wieder zu einem nahtlosen Gesamtkunstwerk zusammen, in dem die Musik über lange Strecken selbstvergessen vor sich hin fließt, ohne erkennbaren Zwang einer Auflösung, ohne störende Veränderungen und Variationen. Wie auf einer Zugfahrt durch ein fremdartiges Land sind die Übergänge graduell, fliegen Formen vorbei, fließen Farben ineinander. In der Schlussviertelstunde, in der die Musik sich endgültig Richtung Kosmos verabschiedet und Lindstrøm ein an Radiohead‘s „Everything in its Right Place“erinnerndes Pianomotiv über ein nacktes Percussiongerüst legt, entschwindet sie dann gänzlich an einen Raum, der außerhalb jeglicher Szenen und Referenzen steht, eine Landschaft, in der traditionelle Grenzen nicht mehr gezogen werden können. Das ist längst keine Vereinnahmung mehr. Es ist die gleiche Euphorie, die gleiche Ekstase, die vor vier Jahrzehnten im New Yorker Underground ihren Lauf nahm, gebrochen durch die Brille eines genialen Soundtüftlers, der sich mit „It‘s Alright Between Us As It Is“selbst ein zeitloses Denkmal gesetzt hat.