Test: Line 6 Helix Native
Amp-Simulation der Extraklasse?
Physical Modeling ist in den letzten Jahren gesellschaftsfähig geworden, und immer vorne mit dabei war Line 6. Deren anerkannt gute Modellierung echter Hardware in Form der Helix-Reihe ist jetzt als native Version erhältlich ist.
Helix Native modelliert die gesamte Signalkette eines Gitarren-Setups. Das schließt klassische und moderne Amps ein, Lautsprecher-Kabinetts, Mikrofone zur Simulation einer Recording-Umgebung sowie Effekte, die typischerweise in solchen Setups benutzt werden. Das Plug-in bietet vollständige Routingmöglichkeiten, und die sind durch ein zeitgemäß gestaltetes User Interface auch praxisgerecht auszureizen. Es gibt eine Demo-Version, und mit der kann man Stunden mit den Factory Sounds verbringen. Das muss man empfehlen, denn in diesen Presets wird alles gezeigt, was Helix Native kann. Presets werden geladen durch Doppelklick in die Liste, und der Aufbau der Signalkette wird im Diagramm oben rechts angezeigt. Bestandteile der Kette werden als kleine Icons dargestellt, deren Inhalt wiederum im unteren Bereich. Insgesamt eine Systematik, die einfach zu durchschauen ist und zum gelungenen Bedienkonzept beiträgt. Gitarristen testen natürlich mit echten Gitarren, Line 6 empfiehlt das Plug-in aber ausdrücklich auch für Keyboardsounds. Das können Gitarrenklänge sein, wie Logics Clean Electric Guitar 1 aus dem ESX, im Hinblick auf extravagantes Sounddesign aber auch beliebige andere Sounds.
Bestandteile
Helix Native kommt mit mehr als 60 Gi- tarren- und Bass-Amps, mehr als 30 Lautsprecher-Kabinetts und mehr als 100 Effekten als 28 MB kleiner Download auf den Rechner. Gitarristen dechiffrieren Amp-Bezeichnungen wie Angl Meteor oder Mandarin 80 natürlich auf Anhieb, man kann aber auch mit Thumbnails navigieren und sich überraschen lassen. Das Paket enthält 16 Mikrofonsimulationen, auch hier leicht verschlüsselt wie 414 Cond oder 57 Dynamic. Die simulierte Entfernung zwischen Box und Mic lässt sich über Distance einstellen und der Frequenzgang über alles von beiden Extremen her mit Low Cut oder Hi Cut einengen. Helix Native arbeitet mit Impulsantworten, und eigene können geladen werden. Die Effektabteilung bringt insgesamt mit, was man an Bodentretern jemals hätte haben wollen und ergänzt sie mit FX aus der Studioecke.
Baukasten
Helix Native kommt mit grandiosen Presets und für eigene Sets liefert 01A Quickstart das Basis-Setup. Empfehlung: Kette mit Bedacht füllen und dann erst mal reinhören. Es sind hier ausgefuchste Verschaltungen möglich, und die einzelnen Elemente lernt man am besten nacheinander kennen. Das Routing ist zweikanalig, und in jedem Strang sind parallele Anordnungen möglich und damit auch die beliebten Dry-Wet-Dry-Ketten, die das Gitarrensignal präsent und trocken in der Mitte halten, Effekte aber bei vollem Pegel über die Außenpositionen kommen lassen. Serielle Verschaltungen sind möglich, das Signal kann von einer Kette in die andere geroutet werden (siehe Preset 01C Super Serial x2). Zeitbasierte Effekte können zum Host synchronisiert werden, nützlich für Delay, Vibrato und Tremolo.
Klang
Helix Nativ reagiert aktiv auf dynamische Spielweise und mit dem Saitenanschlag steuert man bei crunchy Presets problemlos die Verzerrung. Amp- und Cab-Simulationen für simulierte Re-Amping-Anwendungen sind möglich und VA-Synths werden mit dezentem Tube durchsetzungsfähiger. Egal ob Holz-Gitarre oder Sampler, gerade und immer wieder der Chorus zeigt, auf welchem Niveau hier gerechnet wird. Unter Preamp lassen sich Gitarren- oder Bass Amps anwählen und auch der Studio Tube Pre, der Vocals mehr Biss und schlappen Synth-Sounds mehr Druck gibt, auch ohne Einsatz von extremem EQ. Preset Vox Belzebubba ist eigentlich für Vocals gedacht, produziert aber mit Gitarrensounds perkussive Drahtklänge, die eher nach präpariertem Klavier klingen, was Sounddesign auf Bundesliga-Niveau ermöglicht. Das Klangbild ist in allen Fällen organisch, verstecktes Exciter-Tuning am Ausgang der Kette ist nicht auszumachen.
Fazit
Die Effekte sind professionell, das Signalverhalten ist überzeugend, und die Amp-Simulationen klingen echt. Wer das jetzt noch ergänzt mit einem Gitarren-Plugin, das auch Notenmaterial erzeugt, der produziert auch als Keyboarder mit Dosengitarren einen absolut amtlichen Sound.