Test: Yamaha GENOS
Über-Workstation für das Studio
Sozusagen als Evolution des bisherigen Bühnen-Primus Tyros schicken Yamaha mit dem Genos ihr brandneues Workstation-Flaggschiff ins Rennen. Schafft er es zum neuen Platzhirsch?
Dass Yamaha traditionell nicht nur in puncto Digitalpianos und Co. die Nase vorn hat, sondern auch bei Bühnen-Workstations, ist kein Geheimnis. Grundpfeiler des Erfolgs war bislang der in bereits fünfter Generation erhältliche Tyros, den unter anderem auch Pop-Titan Dieter Bohlen im Studio stehen hat. Doch nach nunmehr 15 Jahren war es an der Zeit für eine grundlegende Neuentwicklung – in Gestalt des Genos.
Klang-(R)Evolution?
In schickem Schwarz kommt Genos nicht nur äußerlich, sondern auch klang- und bedientechnisch in neuem Gewand daher. Zuallererst wurden die enthaltenen Sounds (Voices) neu gestaltet und sollen dank verfeinerter Klangerzeugung noch besser klingen. Verantwortlich dafür zeichnet unter anderem Yamahas eigens entwickelte Articulation Element Modeling-Technik, kurz AEM. Bei akustischen Instrumenten soll diese durch eine intelligente Echtzeitübersetzung des Tastaturspiels für optimalen Ausdruck sorgen, gepaart mit detailliertem Sampling für realistischen Klang. Auch die Begleitfähigkeiten wurden optimiert, wobei die Begleitautomatik nun ebenfalls noch intelligenter reagiert. Eine weitere Neuerung findet sich bei den Schlagzeugklängen an Bord in Gestalt der neu entwickelten Revo-Drumkits, denen unter anderem Round-Robins mehr Klang realismus verleihen.
Derart „gepowert“, locken insgesamt 1710 verheißungsvolle Voices sowie 550 Style-Begleitungen und 216 Arpeggios, die ab Werk ein breites Spektrum von Jazz und Klassik über Pop und Country bis hin zu Hip Hop und Dance/EDM abdecken. Selbstverständlich lässt sich der Werks-Content noch erweitern, wozu auf yamahamusicsoft.com eine Vielzahl an Voices, Styles, aktuellen MIDI-Songs usw. erworben werden können. Die Installation gekaufter Inhalte auf den Genos erfolgt per Yamaha Expansion Manager-Software (YEM), über die sich zusätzlich auch die Möglichkeit bietet, eigene Voices zu kreieren.
Intuitives Bedienkonzept
Das auffälligste Bedien-Feature ist das große Touch-Display. Mit ihm kann in Windeseile per intuitiven Touch-Menüs durch die Einzelfunktionen navigiert werden, unterstützt von sechs Schnell-Buttons (Gateway-Tasten) rechts daneben. Diese führen sofort in die Hauptmenüs und eröffnen einen blitzschnellen Spielstart. Des weiteren warten links vom Display neun Fader und sechs Drehregler zur individuellen Abmischung (Live Control) eines geladenen Begleit-Styles. Wie ein DJ lassen sich darüber im laufenden Betrieb diverse Abmischungsänderungen vornehmen, wie zum Beispiel Einzelpegel, Panning, Cutoff oder Filter-Resonanz. Dazu können die Fader und Potis auch individuell Parametern anliegender Style-Instrumente zugewiesen werden.
Begleitsteuerung
Ebenfalls auf der linken Seite befinden sich unten, direkt über der Tastatur, die Buttons zur Steuerung der Begleitautomatik (Style Control). Damit können Sie die per Style ausgewählte Begleit-Band steuern und zwischen verschiedenen Spielvariationen und Song-Parts navigieren. Dies eröffnet nicht nur live, sondern auch im Studio beim Komponieren eine kreative Spielwiese zum Ausprobieren von Ideen durch spontanes Jammen. Nach bewährtem Entertainer-Prinzip werden in der linken, unteren Klaviaturhälfte (Splitpunkt F#2) die Basstöne gespielt, plus optional weitere Zusatztöne. Anhand dessen sorgt dann die intelligente Begleitautomatik für passende Begleitharmonien durch die virtuelle Band. Dazu können Sie dann mit der rechten Hand frei nach Gusto spielen und per angeschlossenem Mikrofon an Songtext und Melodie feilen. Die dazu nötige Mikrofonabteilung befindet sich ganz oben über den Style Controls und bietet via Touchscreen-Menü unter anderem die automatische Generierung von Zweit- und Drittharmonien sowie Vocoder-Effekte. Auch diese Funktion ist beim Songwriting eine enorm praktische Unterstützung für passende Background-Lines oder ausgefal-
lene Kreativ-FX und damit ein weiterer Timesaver.
Ein weiteres ausgefallenes Feature finden wir direkt darunter: der Dual Player, mit dem sich kurzerhand zwischen zwei Begleit-Songs überblenden lässt. Auf der Bühne ermöglicht dieser, das tanzwütige Publikum wie ein DJ ohne Pause weiter schwoofen zu lassen. Im Studio lässt sich damit zwecks AB-Vergleich bequem zwischen zwei Song-Entwürfen hin- und her blenden.
Weiter geht’s unterhalb des Touchscreens, wo abermals günstig für den Schnellzugriff durch des Spielers Hände zehn Registration Memory-Buttons liegen. Diese erlauben das Abspeichern favorisierter Einstellungen zum Schnellabruf, was abermals Zeit spart. So können Sie sich beispielsweise häufig benötigte Styles und Voices zur Direktanwahl ablegen und haben für jeden Bedarf auf Knopfdruck das passende Kompositions-Setup parat. Passend dazu bieten sich gleich rechts daneben vier sogenannte One Touch Settings für zusätzliche Style-Variation an. Will heißen, dass damit während laufender Performance zum Beispiel der rechte Tastaturbereich auf eines von vier zusätzlichen, zum Style passenden Instrumenten umgeschaltet werden kann. Dem nicht genug, lassen sich abermalige Variationen nebenan mit vier Multi Pad Control-Buttons ins Spiel bringen, die das Einwerfen von zusätzlichen Drum Hits oder Instrumentenphrasen ermöglichen. Ganz rechts können Sie schließlich noch in der Part On/ Off- und Voice Select-Abteilung die Belegung von oberer und unterer Klaviaturhälfte mit Sounds individuell einstellen und für die rechte Hand Stackings von bis zu drei verschiedenen Voices einrichten.
Klasse Sounds
In der Praxis verschaffen wir uns zuerst einmal einen Überblick über das gebotene Instrumentarium, das sich als überaus umfassend entpuppt. Von Klavieren, E-Pianos und Orgeln über Streicher, Gitarren und Bässe bis hin zu Chören, Percussions und diversen Synth-Sounds ist alles Erdenkliche für jeden musikalischen Bedarf dabei. Zuerst testen wir die Klaviere, allen voran die Yamaha-Konzertflügelklassiker CFX und C7. Beide präsentieren sich blitzsauber-transparent und spielen sich mit sehr schönem Dynamikverhalten. Dabei erweist sich auch die verbaute FSX-Tastatur als äußerst angenehm spielbar sowie im Vergleich zu gewichteten Klaviaturen mit überraschend viel Feingefühl in der Dynamikkontrolle. Wir steppen weiter durch, wobei alle weiteren Sounds – seien es Gitarren, Akkordeons oder Holzbläser – durch die Bank mit oftmals ebenso vorbildlichem und natürlichem Klang aufwarten, wie schon die Klaviere – Chapeau. Gerade viele der Blasinstrumente, wie Saxofone, Flöten oder Trompeten – vor allem auch die Soloausführungen – klingen überaus realistisch, gerade auch in Legato-Passagen. Last, but not least halten auch die neuen Revo-Drums, was sie versprechen. Dank der dynamisch angelegten Round-Robins wirken die Kits stets lebendig und echt, bei gleichzeitig schön druckvollem Klang.
Perfekte Begleit-Band
Anschließend checken wir in einer kleinen Jam-Session die Style-Begleitautomatik. Da vornehmlich im Jazz-Bereich unterwegs, drücke ich den Style-Button und wähle das Preset „Acoustic Jazz“. Damit’s losgehen kann, aktiviere ich per ACMP-Button die virtuelle Band und tippen in den Style Controls auf den Intro-Knopf I für einen Takt zum Einzählen. Dann drücke ich Start und bin gleich ab den ersten Takten verblüfft. Es klingt tatsächlich wie eine echte JazzCombo mit Gitarre, Kontrabass und Schlagzeug und fühlt sich wirklich genauso an, wie mit einer realen Band – wow! Einzig an das richtige Spiel der linken Hand muss ich mich kurz gewöhnen, denn gewohnte Legato-Verbindungen von Einzeltönen sind tunlichst zu vermeiden, damit die Band nicht auf der vorigen Harmoniestufe „festhängt“. Stattdessen reicht ein kurzes Antippen der Taste und die Automatik bleibt in Gang.
Kreativer Schub für Songs
Jetzt ändere ich den Begleit-Style auf „SkyPop“im Ordner Pop und schaue mir an, wie sich das Ganze als Stütze beim Erfinden von Musik macht. Schnell ist ein gängiges Harmonie-Pattern gefunden und schon trällern wir über das angeschlossene Mikro munter „Bananentext“. Vielleicht unser nächster Refrain? Sogleich geben wir mit den weiteren Variationen B, C und D nochmals mehr Gas. Kurzum: Die Style-Begleitung wirkt inspirierend. Wir schalten nun die Vocal Harmony-Funktion zu und erhalten sogleich eine lupenrein-mehrstimmige Vokalbegleitung, wobei das Refrain-Feeling durch die Zusatzharmonien angenehm verstärkt wird und uns abermals einen Schub Inspiration gibt. Am Ende haben wir bereits innerhalb kürzester Zeit einen brauchbaren Pop-Refrain mit eingängiger
Gesangsmelo- die plus
Harmonien und
Text parat. In unserer
DAW hätten wir uns zuerst alle Sounds bauen müssen und viel Zeit verloren. Der Genos hingegen bietet uns auf Knopfdruck das volle Begleitprogramm, sodass wir uns voll und ganz aufs Schreiben von Musik und Text konzentrieren können und jede Menge Zeit sparen.
Fazit
Genos eröffnet Live-Musikern wie Songwritern eine rundum gelungene Spiellösung, die gerade für Letztere ein intuitives, enorm zeitsparendes Kompositionswerkzeug bietet. Zwar ist der dafür aufgerufene Preis ziemlich hoch. Dafür liefern jedoch die umfangreichen Begleitfähigkeiten, eine umfassende Sound-Bibliothek und kinderleichte Bedienung via Touchscreen & Co. schnellsten Workflow, den eine DAW in dieser Form nur schwer bieten kann.