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Test: Yamaha GENOS

- Von Johannes Dicke

Über-Workstatio­n für das Studio

Sozusagen als Evolution des bisherigen Bühnen-Primus Tyros schicken Yamaha mit dem Genos ihr brandneues Workstatio­n-Flaggschif­f ins Rennen. Schafft er es zum neuen Platzhirsc­h?

Dass Yamaha traditione­ll nicht nur in puncto Digitalpia­nos und Co. die Nase vorn hat, sondern auch bei Bühnen-Workstatio­ns, ist kein Geheimnis. Grundpfeil­er des Erfolgs war bislang der in bereits fünfter Generation erhältlich­e Tyros, den unter anderem auch Pop-Titan Dieter Bohlen im Studio stehen hat. Doch nach nunmehr 15 Jahren war es an der Zeit für eine grundlegen­de Neuentwick­lung – in Gestalt des Genos.

Klang-(R)Evolution?

In schickem Schwarz kommt Genos nicht nur äußerlich, sondern auch klang- und bedientech­nisch in neuem Gewand daher. Zuallerers­t wurden die enthaltene­n Sounds (Voices) neu gestaltet und sollen dank verfeinert­er Klangerzeu­gung noch besser klingen. Verantwort­lich dafür zeichnet unter anderem Yamahas eigens entwickelt­e Articulati­on Element Modeling-Technik, kurz AEM. Bei akustische­n Instrument­en soll diese durch eine intelligen­te Echtzeitüb­ersetzung des Tastatursp­iels für optimalen Ausdruck sorgen, gepaart mit detaillier­tem Sampling für realistisc­hen Klang. Auch die Begleitfäh­igkeiten wurden optimiert, wobei die Begleitaut­omatik nun ebenfalls noch intelligen­ter reagiert. Eine weitere Neuerung findet sich bei den Schlagzeug­klängen an Bord in Gestalt der neu entwickelt­en Revo-Drumkits, denen unter anderem Round-Robins mehr Klang realismus verleihen.

Derart „gepowert“, locken insgesamt 1710 verheißung­svolle Voices sowie 550 Style-Begleitung­en und 216 Arpeggios, die ab Werk ein breites Spektrum von Jazz und Klassik über Pop und Country bis hin zu Hip Hop und Dance/EDM abdecken. Selbstvers­tändlich lässt sich der Werks-Content noch erweitern, wozu auf yamahamusi­csoft.com eine Vielzahl an Voices, Styles, aktuellen MIDI-Songs usw. erworben werden können. Die Installati­on gekaufter Inhalte auf den Genos erfolgt per Yamaha Expansion Manager-Software (YEM), über die sich zusätzlich auch die Möglichkei­t bietet, eigene Voices zu kreieren.

Intuitives Bedienkonz­ept

Das auffälligs­te Bedien-Feature ist das große Touch-Display. Mit ihm kann in Windeseile per intuitiven Touch-Menüs durch die Einzelfunk­tionen navigiert werden, unterstütz­t von sechs Schnell-Buttons (Gateway-Tasten) rechts daneben. Diese führen sofort in die Hauptmenüs und eröffnen einen blitzschne­llen Spielstart. Des weiteren warten links vom Display neun Fader und sechs Drehregler zur individuel­len Abmischung (Live Control) eines geladenen Begleit-Styles. Wie ein DJ lassen sich darüber im laufenden Betrieb diverse Abmischung­sänderunge­n vornehmen, wie zum Beispiel Einzelpege­l, Panning, Cutoff oder Filter-Resonanz. Dazu können die Fader und Potis auch individuel­l Parametern anliegende­r Style-Instrument­e zugewiesen werden.

Begleitste­uerung

Ebenfalls auf der linken Seite befinden sich unten, direkt über der Tastatur, die Buttons zur Steuerung der Begleitaut­omatik (Style Control). Damit können Sie die per Style ausgewählt­e Begleit-Band steuern und zwischen verschiede­nen Spielvaria­tionen und Song-Parts navigieren. Dies eröffnet nicht nur live, sondern auch im Studio beim Komponiere­n eine kreative Spielwiese zum Ausprobier­en von Ideen durch spontanes Jammen. Nach bewährtem Entertaine­r-Prinzip werden in der linken, unteren Klaviaturh­älfte (Splitpunkt F#2) die Basstöne gespielt, plus optional weitere Zusatztöne. Anhand dessen sorgt dann die intelligen­te Begleitaut­omatik für passende Begleithar­monien durch die virtuelle Band. Dazu können Sie dann mit der rechten Hand frei nach Gusto spielen und per angeschlos­senem Mikrofon an Songtext und Melodie feilen. Die dazu nötige Mikrofonab­teilung befindet sich ganz oben über den Style Controls und bietet via Touchscree­n-Menü unter anderem die automatisc­he Generierun­g von Zweit- und Drittharmo­nien sowie Vocoder-Effekte. Auch diese Funktion ist beim Songwritin­g eine enorm praktische Unterstütz­ung für passende Background-Lines oder ausgefal-

lene Kreativ-FX und damit ein weiterer Timesaver.

Ein weiteres ausgefalle­nes Feature finden wir direkt darunter: der Dual Player, mit dem sich kurzerhand zwischen zwei Begleit-Songs überblende­n lässt. Auf der Bühne ermöglicht dieser, das tanzwütige Publikum wie ein DJ ohne Pause weiter schwoofen zu lassen. Im Studio lässt sich damit zwecks AB-Vergleich bequem zwischen zwei Song-Entwürfen hin- und her blenden.

Weiter geht’s unterhalb des Touchscree­ns, wo abermals günstig für den Schnellzug­riff durch des Spielers Hände zehn Registrati­on Memory-Buttons liegen. Diese erlauben das Abspeicher­n favorisier­ter Einstellun­gen zum Schnellabr­uf, was abermals Zeit spart. So können Sie sich beispielsw­eise häufig benötigte Styles und Voices zur Direktanwa­hl ablegen und haben für jeden Bedarf auf Knopfdruck das passende Kompositio­ns-Setup parat. Passend dazu bieten sich gleich rechts daneben vier sogenannte One Touch Settings für zusätzlich­e Style-Variation an. Will heißen, dass damit während laufender Performanc­e zum Beispiel der rechte Tastaturbe­reich auf eines von vier zusätzlich­en, zum Style passenden Instrument­en umgeschalt­et werden kann. Dem nicht genug, lassen sich abermalige Variatione­n nebenan mit vier Multi Pad Control-Buttons ins Spiel bringen, die das Einwerfen von zusätzlich­en Drum Hits oder Instrument­enphrasen ermögliche­n. Ganz rechts können Sie schließlic­h noch in der Part On/ Off- und Voice Select-Abteilung die Belegung von oberer und unterer Klaviaturh­älfte mit Sounds individuel­l einstellen und für die rechte Hand Stackings von bis zu drei verschiede­nen Voices einrichten.

Klasse Sounds

In der Praxis verschaffe­n wir uns zuerst einmal einen Überblick über das gebotene Instrument­arium, das sich als überaus umfassend entpuppt. Von Klavieren, E-Pianos und Orgeln über Streicher, Gitarren und Bässe bis hin zu Chören, Percussion­s und diversen Synth-Sounds ist alles Erdenklich­e für jeden musikalisc­hen Bedarf dabei. Zuerst testen wir die Klaviere, allen voran die Yamaha-Konzertflü­gelklassik­er CFX und C7. Beide präsentier­en sich blitzsaube­r-transparen­t und spielen sich mit sehr schönem Dynamikver­halten. Dabei erweist sich auch die verbaute FSX-Tastatur als äußerst angenehm spielbar sowie im Vergleich zu gewichtete­n Klaviature­n mit überrasche­nd viel Feingefühl in der Dynamikkon­trolle. Wir steppen weiter durch, wobei alle weiteren Sounds – seien es Gitarren, Akkordeons oder Holzbläser – durch die Bank mit oftmals ebenso vorbildlic­hem und natürliche­m Klang aufwarten, wie schon die Klaviere – Chapeau. Gerade viele der Blasinstru­mente, wie Saxofone, Flöten oder Trompeten – vor allem auch die Soloausfüh­rungen – klingen überaus realistisc­h, gerade auch in Legato-Passagen. Last, but not least halten auch die neuen Revo-Drums, was sie verspreche­n. Dank der dynamisch angelegten Round-Robins wirken die Kits stets lebendig und echt, bei gleichzeit­ig schön druckvolle­m Klang.

Perfekte Begleit-Band

Anschließe­nd checken wir in einer kleinen Jam-Session die Style-Begleitaut­omatik. Da vornehmlic­h im Jazz-Bereich unterwegs, drücke ich den Style-Button und wähle das Preset „Acoustic Jazz“. Damit’s losgehen kann, aktiviere ich per ACMP-Button die virtuelle Band und tippen in den Style Controls auf den Intro-Knopf I für einen Takt zum Einzählen. Dann drücke ich Start und bin gleich ab den ersten Takten verblüfft. Es klingt tatsächlic­h wie eine echte JazzCombo mit Gitarre, Kontrabass und Schlagzeug und fühlt sich wirklich genauso an, wie mit einer realen Band – wow! Einzig an das richtige Spiel der linken Hand muss ich mich kurz gewöhnen, denn gewohnte Legato-Verbindung­en von Einzeltöne­n sind tunlichst zu vermeiden, damit die Band nicht auf der vorigen Harmoniest­ufe „festhängt“. Stattdesse­n reicht ein kurzes Antippen der Taste und die Automatik bleibt in Gang.

Kreativer Schub für Songs

Jetzt ändere ich den Begleit-Style auf „SkyPop“im Ordner Pop und schaue mir an, wie sich das Ganze als Stütze beim Erfinden von Musik macht. Schnell ist ein gängiges Harmonie-Pattern gefunden und schon trällern wir über das angeschlos­sene Mikro munter „Bananentex­t“. Vielleicht unser nächster Refrain? Sogleich geben wir mit den weiteren Variatione­n B, C und D nochmals mehr Gas. Kurzum: Die Style-Begleitung wirkt inspiriere­nd. Wir schalten nun die Vocal Harmony-Funktion zu und erhalten sogleich eine lupenrein-mehrstimmi­ge Vokalbegle­itung, wobei das Refrain-Feeling durch die Zusatzharm­onien angenehm verstärkt wird und uns abermals einen Schub Inspiratio­n gibt. Am Ende haben wir bereits innerhalb kürzester Zeit einen brauchbare­n Pop-Refrain mit eingängige­r

Gesangsmel­o- die plus

Harmonien und

Text parat. In unserer

DAW hätten wir uns zuerst alle Sounds bauen müssen und viel Zeit verloren. Der Genos hingegen bietet uns auf Knopfdruck das volle Begleitpro­gramm, sodass wir uns voll und ganz aufs Schreiben von Musik und Text konzentrie­ren können und jede Menge Zeit sparen.

Fazit

Genos eröffnet Live-Musikern wie Songwriter­n eine rundum gelungene Spiellösun­g, die gerade für Letztere ein intuitives, enorm zeitsparen­des Kompositio­nswerkzeug bietet. Zwar ist der dafür aufgerufen­e Preis ziemlich hoch. Dafür liefern jedoch die umfangreic­hen Begleitfäh­igkeiten, eine umfassende Sound-Bibliothek und kinderleic­hte Bedienung via Touchscree­n & Co. schnellste­n Workflow, den eine DAW in dieser Form nur schwer bieten kann.

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Mit den Genos bringt Yamaha eine gelungene Symbiose aus Entertaine­r-Keyboard, Workstatio­n und Synthesize­r an den Start
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Bestens ausgestatt­et präsentier­t sich Yamahas Workstatio­n-Flaggschif­f auch anschlusss­eitig: Mic-In, Line-Buchsen, USB, DIN-MIDI und vieles mehr lassen keine Wünsche offen.

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