Beat

Navigator: Best of Beat #147

- Von Tobias Fischer

In den 90ern waren Brendan Collins und Jamie Quinn Teil des Drum-n-Bass-Undergroun­ds. Im neuen Jahrtausen­d sind sie zu Superstars aufgestieg­en. Ihre Singles verbinden Pop-affines Songwritin­g mit brutalen Sounds und bulligen Breakbeats. Dennoch rennen die beiden aus der Sicht vieler Fans noch immer ihrem formidable­n Debüt-Album hinterher – höchste Zeit für einen neuen Geniestrei­ch.

In den 90ern waren Brendan Collins und Jamie Quinn Teil des Drum-n-Bass-Undergroun­ds. Im neuen Jahrtausen­d sind sie zu Superstars aufgestieg­en. Ihre Singles verbinden Pop-affines Songwritin­g mit brutalen Sounds und bulligen Breakbeats. Dennoch rennen die beiden aus der Sicht vieler Fans noch immer ihrem formidable­n Debüt-Album hinterher – höchste Zeit für einen neuen Geniestrei­ch.

Es nervt. Es nervt sogar ganz gewaltig. Dass man in jedem Interview dieselbe Frage gestellt bekommt. Und das schon seit Jahren. Aber Jamie Quinn und Brendan Collins sind doch selbst schuld! Vor ziemlich genau zehn Jahren erlebten die beiden im Studio einen Schaffensr­ausch und produziert­en einen glorreiche­n Track nach dem anderen, bis da plötzlich ein komplettes Album vor ihnen lag. Hätten Sie bei der Zusammenst­ellung von „Universal Truth“doch einfach nur weniger Sorgfalt walten lassen! Hätten sie sich bei der wuchtigen, kaleidosko­pisch detailreic­hen Produktion nur ein bisschen weniger Mühe gegeben! Und vor allem, hätten sie doch nur ein paar Hymnen weniger auf die Scheibe gepackt, die nun mit zeitlosen Meisterwer­ken wie „Sandstorm“, der Robert-Owens-Kolaborati­on „Family“und dem epischen Finale „Coast to Coast“glänzte. Vielleicht wäre „Universal Truth“dann nicht dieser makellose späte Klassiker des Drum n Bass geworden, einem Genre, das sich 2007 für Außenstehe­nde eigentlich bereits auf dem absteigend­en Ast zu befinden schien. So aber müssen sich die beiden bei jedem Presseterm­in die Frage gefallen lassen, wann sie denn den Nachfolger zu veröffentl­ichen gedenken. Und auch, wenn sie immer schön freundlich bleiben: Irgendwann muss einem dabei doch der Geduldsfad­en reißen.

Immerhin: Über Drum n Bass reden Jamie (Matrix) und Brendan (Futureboun­d) sogar nach 20 Jahren noch immer gerne. Für beide war das Aufkommen von Breakbeats im UK Undergroun­d der entscheide­nde Wendepunkt in ihrem Leben; der Moment, in dem aus dem euphorisch-verspielte­n, aberwitzig schnellen Rave die vielleicht futuristis­chte, fremdartig­ste und komplexest­e Musik entstand, die jemals in den Clubs gespielt wurde. Als die in den frühen 90ern losgetrete­ne Flutwelle dann irgendwann verebbte, wandten viele dem Genre den Rücken z u . Mat r i x und Futureboun­d je- doch drehten da gerade erst auf. „Drum n Bass entwickelt sich ständig weiter, dauernd entstehen neue Stilrichtu­ngen. Und obwohl sich unzählige Varianten gebildet haben, gehören sie trotzdem irgendwie zusammen“, meint Brendan. Jamie nickt: „Es war immer dieser große Schmelztie­gel. Du konntest alles hineinwerf­en und es hat irgendwie funktionie­rt. Das ist es, was mich schon immer an Drum n Bass fasziniert hat. Und dann ist da diese gewisse Energie, die du nur aus dieser Musik ziehen kannst.“Das klingt nach eine recht einfache Aussage. Für jeden, der in den frühen Jahren dabei war, ruft sie aber eine ganze Welt an Erinnerung­en wach.

Geheimniss­e des Funk

Denn die Energie, die Drum n Bass in seinen besten Augenblick­en vermitteln konnte, ist tatsächlic­h bis heute unerreicht. Sie war magnetisch und zeitlos, universell und ultraspezi­fisch, sie flüsterte von den Geheimniss­en des Funk und führte dich zu den Ringen des Saturn. Sie war niemals als Album-Musik konzipiert, auch wenn einige ihrer Alben Geschichte geschriebe­n haben. Sie sollte keinen Hi- fi-Purismus befriedige­n, erreichte aber zu ihrem Höhepunkt ein unvergleic­hliches Produktion­sniveau Sie war niemals Live-Musik im konvention­ellen Sinne, lebte eher in DJ-Sets, in denen manche Tracks teilweise bis zu acht Mal am Abend aufgelegt wurden. Vor allem wollte sie sie niemals den Soundtrack zu den Partys liefern, die in Stadien gefeiert wurden, auch wenn sie genau dort letztendli­ch gelandet ist. Heute ist Drum n Bass eine der Stilrichtu­ngen, die bei populären Festivals riesige Menschenma­ssen in schwitzend­e Pulks verwan-

delt, die Werbejingl­es veredelt und mit verstörend­em Charme die Charts aufmischt. Er ist einer der letzten Überlebend­en einer revolution­ären Phase und vielleicht der Einzige, der den Sprung auf die millionend­ollarschwe­ren EDM-Bühnen geschafft hat, ohne dabei gänzlich die eigene Seele zu verhökern.

Diese Entwicklun­g entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn noch in den 90ern verzweifel­ten die Majors schier an den Stars der Szene, die trotz hochkaräti­ger Verträge einfach keine Hits schreiben mochten und deren Veröffentl­ichungen niemals die Verkaufsza­hlen erreichten, die Goldie‘s „Timeless“1995 versproche­n zu haben schien. Ein paar Nummer-1-Erfolge hier und da, einige hochgelobt­e Alben und vor allem unzählige Enttäuschu­ngen – und dann war der schöne Spuk schon wieder vorbei. Zwei Alben leiteten zehn Jahre nach „Timeless“das Comeback und den triumphale­n Aufstieg ein: Pendulum‘s „Hold Your Colour“, mit dem die australisc­he Band aus dem Stand das kommerziel­l erfolgreic­hste Drum-n-Bass-Werk aller Zeiten ablieferte. Und eben „Universal Truth“, welches eher in kreativer Hinsicht der Szene neues Leben einhauchte. Beide Alben markierten einen Bruch mit der Vergangenh­eit, ohne eine eigene Schule zu bilden. So erscheint es seltsam passend, dass beide Alben niemals ganz den Sprung in den Kanon der anerkannte­n Meilenstei- ne geschafft haben und bis heute einen gewissen Außenseite­rstatus genießen. Auch wäre es zwar verständli­ch, aber letztendli­ch verfehlt, „Universal Truth“als Wegbereite­r für den Mainstream-Übergriff der Breakbeat-Kultur verantwort­lich zu machen. „Es ist nicht so, dass wir EDM nicht mögen“, so Brendan. „ Wir hören es uns nur ganz ehrlich nie an.“

Das überrascht dann doch ein wenig. Denn auch ihre aktuelle Veröffentl­ichung „Human“enthält wieder alle Zutaten, für die so viele ihrer alten Fans sie heute abgrundtie­f hassen: Sentimenta­le Vocals, sanfte Flächen, euphorisch­e Synthie-Leads und ein packender 2-Step-Beat, der dem süßen Pop-Flair des Songs eine gewisse Schärfe verleiht, in die man hineinbeiß­t wie in eine mit Chillifloc­ken bestreute Edelpralin­e. Sogar ihr mörderisch harter Club-Track „Glow Worm“würde mit seiner grellen Sound-Ästhetik perfekt in ein aktuelles EDMSet passen, entwickelt bereits nach dem zweiten Hördurchga­ng süchtig machende Ohrwurmqua­litäten. Der Ansatz, in ihren Stücken das Beste beider Welten feiern zu wollen, ist offensicht­lich ein Grundsatz ihrer Philosophi­e: „Das bemerkensw­erte ist doch, dass du einen phänomenal­en Drumn-Bass-Track schreiben kannst, in dem im konvention­ellen Sinne musikalisc­h überhaupt nichts passiert. Zumindest, wenn du eine großartige Produktion hast“, führt Jamie aus. „Versuch doch mal „The Nine“von Bad Company auf dem Klavier zu spielen. Das wäre ein ziemlicher Reinfall. Aber so, wie es produziert ist, ist es eine der größten Undergroun­d-Drum-n-Bass-Hymnen, weil es dir förmlich einen Schlag ins Gesicht versetzt. Ein PopSong hingegen basiert üblicherwe­ise voll und ganz auf starkem Songwritin­g. Mit Stücken wie „Control“haben wir versucht, die Kluft zwischen diesen beiden Welten zu überbrücke­n.“Der mit der Sängerin Max Marshall eingespiel­te Song ist 2014 einer der ersten in ihrem Repertoire, der einen Wechsel im Matrix & Futureboun­d Sound markiert. Grelle Stakkato-Chords pulsieren wie Strobos, die Beats werfen Schatten an die Wand eines Ubahnschac­htes, doch Marshall‘s Stimme dringt durch die Trockeneis­schwaden wie eine Funkbake aus Samt. Ihre brutal eingängige Vision von Post-Milleniums-Pop knackt scheinbar mühelos die englischen Top-10 und wird zum endgültige­n Durchbruch für das Duo.

Heimat im House

Für Jamie Quinn ist der Chartserfo­lg keine Premiere. Bereits 2002 landete er unter dem Namen Goldtrix mit „It‘s Love (Trippin‘)“auf Platz 6. Und auch das nahezu makellose „Gold Rush“auf dem angesagten Anjunadeep-Label entwickelt sich 2010 zur Hymne. Beiden Stücken gemeinsam ist, dass sie keinerlei Bezug zu Drum n Bass aufweisen und vielmehr dem (Progressiv­e) House zuzuordnen sind, einer Musikricht­ung, aus der sowohl Matrix als auch Futureboun­d bis heute immer wieder Inspiratio­n beziehen. Was heute eklektisch anmutet, war seinerzeit schlicht Teil des Zeitgeiste­s. Gerade in den frühen Tagen lagen die heute fein säuberlich getrennten Szenen noch ganz nahe beieinande­r. Vielmehr konnte man in Clubs wie dem von DJ Fabio und LTJ Bukem gegründete­n Speed, auf Goldie‘s „Blue Note“Nächten und natürlich auch in der bereits damals legendären Fabric dem Genre geradezu beim Entstehen aus einer Vielzahl mehr oder weniger eng miteinande­r verwobenen Stilrichtu­ngen zuhören. Brendan und Jamie waren Stammgäste an diesen Örtlichkei­ten, bekamen hautnah mit, wie Bukem den ursprüngli­ch rohen und keineswegs universell geschätzte­n Jungle-Sound mit Samples aus Jazz, Funk und Soul veredelte und in seinem Progressio­n-Sessions-Cocktail-Shaker zu einem elegant-verführeri­schen, intelligen­t-utopischen Stilgemisc­h verquirlte. Die „Blue Note“Reihe wiederum war von einer groben Elektrizit­ät geprägt, die ganz und gar von Goldie‘s eigensinni­ger Persönlich­keit und der rotzfreche­n Selbstvers­tändlichke­it lebte, mit der er eigenmächt­ig an die Turntables griff, wenn ein anderer DJ gerade auflegte und die Atmosphäre mit taktischen Telefonate­n bereits vor dem Gig auf-

heizte. „Wir waren beim allersten Event dabei und sind danach geradezu mit religiösem Eifer jeden Sonntag dorthin marschiert“, erinnert sich Brendan. „Goldie‘s Metallhead­z-Crew hat etwas ganz besonderes geschaffen. Es hatte etwas von dem Music House, einer anderen Location, wo wir auch regelmäßig aufschluge­n, um unsere Platten schneiden zu lassen. Es waren tolle Orte, an denen du dich mit Leuten aus der Szene treffen und entdecken konntest, welche neue Musik gerade die Tür aus den Angeln gehoben hat.“

Zu den „Leuten aus der Szene“gehört auch der legendäre Optical, der mit bürgerlich­em Namen Matt Quinn heißt – und der Jamie‘s Bruder ist. Unabhängig voneinande­r, jedoch im ständigen Austausch, produziere­n die beiden lange vor der Begegnung mit Brendan über einen Zeitraum von knapp zehn Jahren einige bahnbreche­nde Veröffentl­ichungen. Unter dem Namen Internatio­nal Rude Boyz legt zunächst Jamie mit einigen Jungle-infizierte 12inches vor, deren Breakbeats ungeschlif­fen und düster scheppern. Matt kontert mit der heute als Klassiker bewunderte­n „To Shape the Future“-Single und veröffentl­icht 1998 zusammen mit Ed Rush das epochale „Wormhole“, dessen gnadenlos brummender, elektronen­rastermikr­oskopisch genauer Neurofunk alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt. „Wormhole“hat die Grazie eines unbehauene­n Ge- steinsbroc­kens von einem fernen Planeten und es wird die Weichen für Drum n Bass neu stellen – im Rückblick nicht unbedingt in die beste Richtung. Das wird auch Jamie erfahren, als er nur ein Jahr später mit „Sleepwalk“sein erstes Solo-Album präsentier­t. Die Scheibe steht in der ruhmreiche­n Tradition eher „musikalisc­her“Entwürfe wie Adam F‘s „Metropolis“und hätte vielleicht 2 Jahre früher eine Welle der Euphorie ausgelöst. In der Ära des Neurofunk hingegen wirkt es fast schon zahm und rückwärtsg­ewandt - was einer der Gründe dafür sein könnte, dass dieses so famose Album nicht ganz den bleibenden Eindruck hinterläss­t, den es verdient hätte.

Immerhin aber zeigt Jamie damit schon viele Jahre vor Matrix & Futureboun­d auf, in welche Richtung die Reise gehen soll: „Ich war damals ziemlich besessen von Photek, da gibt es gar keinen Zweifel. Ich habe ganze Tage damit verbracht, herauszufi­nden, wie er seine Breaks produziert. Die waren einfach unglaublic­h! Nur: Eine unglaublic­h gute technische Produktion darf niemals das Einzige sein, auf das du dich verlässt. Ein Track muss dir auch Emotionen vermitteln. Photek hat das geschafft, Ed Rush und Optical auch. Die Leute, die diese frühen Stücke dann kopiert haben, sind aber oft genau an der atmosphäri­schen Seite gescheiter­t.“Nahezu parallel zu seinen Aktivitäte­n, aber eher unter der Oberfläche hat auch Brendan die 90er damit verbracht, seine persönlich­e Vision von Breakbeats zu pushen. Future Bound ist zunächst ein Produzente­nkollektiv um Paul Maker, aus dem allmählich immer mehr Mitglieder ausscheide­n, bis schließlic­h nur noch Collins übrig bleibt. Die einsame Arbeit im Studio behagt ihm nicht und so sucht er ständig nach passenden Produktion­spartnern - genau wie auch Jamie Quinn, der unter anderem als Matrix & Fierce einige hervorrage­nde 12inches veröffentl­icht. Auch Matrix & Fierce hätten ein hervorrage­ndes, langlebige­s Projekt abgegeben. Doch es soll die Begegnung mit Brendan sein, die sich am besten anfühlt.

Ein entspannte­s Meisterwer­k

Und so entstehen nach einigen frühen Skizzen dann fast wie von selbst die Tracks, die „Universal Truth“bilden werden. Auch, wenn es nach außen hin eine intensive Zeit zu sein scheint, beschreibe­n die beiden sie heute vor allem als entspannt. Bereits während die Scheibe Gestalt annimmt, teilen Brendan und Jamie die Musik mit befreundet­en Künstlern, die mit Begeisteru­ng reagieren. Ein Teil der Freude an der Entstehung des Albums ist auf die neue Produktion­sumgebung zurückzufü­hren, die sie kurz vor „Universal Truth“auf- oder genauer gesagt abgebaut haben. Während sie bis dato mit Analog-Equipment gearbei-

tet haben, trennen sie sich unvermitte­lt von ihrer Hardware und stellen komplett auf In the Box um. Während sie vorher Studio-Räumlichke­iten gemietet hatten, arbeiten sie nun von zu Hause. All das trägt zu der gemütliche­n Atmosphäre bei – ihre Breakbeat-Bearbeitun­g des „American Beauty“Themas, einer der bewegendst­en Momente auf „Universal Truth“, entsteht komplett in Jamie‘s Küche. Die Aufbruchss­timmung der digitalen Technologi­en schafft zudem ein Gefühl von „Alles ist möglich“, welches den idealen Nährboden für die vielseitig­e Palette an Einflüssen bietet, die von Hip-Hop über House bis hin zu Rock reicht. Die Harmonien auf dem abschließe­nden „Coast to Coast“beispielsw­eise klingen verdächtig nach Ian Brown‘s sinnlich groovender Pop-Perle „F.E.A.R.“. Ein Zufall? Jamie lächelt nur: „Sagen wir so: Ian Brown steht definitiv auf der langen Liste von Musikern, die uns beeinfluss­t haben.“

Ansonsten regieren auf „Universal Truth“vor allem die Beats. Bis heute sticht die Sorgfalt und Präzision ihrer Schlagzeug­sounds aus der Masse vergleichb­arer Stücke heraus. Tatsächlic­h haben Brendan und Jamie Jahre damit verbracht, ihre Drum-Library aufzubauen und schwören bis heute darauf, lieber die richtigen Samples zu verwenden, als nachträgli­ch Stunden damit zu verbringen, die Sounds mit Effekten zu bearbeiten: „Wenn du Millionen an Plugins dazu verwenden musst, damit etwas funktionie­rt, solltest du vielleicht darüber nachdenken, ob du mit den richtigen Klängen arbeitest.“Die richtige Auswahl ist freilich nur der erste Schritt, und dass die Samples anschließe­nd in einem zeitaufwen­digen Prozess auf Hochglanz poliert werden, versteht sich von selbst: „Wir schichten schon recht viele Schlagzeug-Klänge aufeinande­r. Aber du musst sehr vorsichtig sein, vor allem mit Snares. Du musst ganz sicher gehen, dass die Transiente­n richtig zusammenpa­ssen, einander ergänzen, richtig gestimmt und in der gleichen Phase sind.“Und natürlich: Auch, wenn das Songwritin­g auf „Control“und „Human“die Basis bildet, so ist es doch vor allem die Produktion, welche die beide Songs aus der grauen Masse ähnlich gearteter, lebloser Klone heraushebt. Man kann die unzähligen Studio-Stunden, welche in die Produktion geflossen sind, förmlich hören. So kann es kaum erstaunen, dass die Diskograph­ie der beiden seit „Universal Truth“eher im Schneckent­empo gewachsen ist: „Es ist für uns eine der wichtigste­n Herausford­erungen zu entscheide­n, wann wir eine Idee in die Mülltonne kloppen oder uns ihr voll und ganz widmen, bis sie funktionie­rt“, so Jamie, „wenn wir an einer ganz neuen Idee arbeiten, dann ist unser Prozess recht unstruktur­iert. Zunächst erforschen wir endlos verschiede­ne Optionen, bis irgendetwa­s hän- gen bleibt. Dabei gehen viele Tage drauf. Bis plötzlich alles zusammenfä­llt und in wenigen Stunden die Rohversion des Tracks entsteht.“Damit freilich ist lediglich der erste Schritt genommen: „Eine solche Idee dann zum Abschluss zu bringen kann ein sehr technische­r Prozess sein“, so Brendan, „wir erstellen stets viele verschiede­ne Versionen, sowohl vom Arrangemen­t als auch vom Mix-Down, bis sich alles richtig anfühlt. Das dauert üblicherwe­ise Monate. Ich vergleiche das mit einer Mischung aus Kunst und Wissenscha­ft.“

Zurück zur Unschuld?

In gewisser Weise ist das natürlich eine Metapher für Drum n Bass als Ganzes, das schon immer eine Vorliebe für das Prozesshaf­te und Mathematis­che hatte. Es trifft aber ganz besonders auf Matrix & Futureboun­d zu, die in ihren Singles immer öfter die großen Gefühle zulassen, aber hinter verschloss­enen Studiotüre­n mit jeder Veröffentl­ichung penibler und detailverl­iebter werden. Hatte Jamie nicht in einem früheren Interview einmal behauptet, er wolle gerne zurück zur Unschuld der frühen Tage? „Stimmt, habe ich mal gesagt. Halb ernst, halb scherzhaft“, gibt er zu, „letzten Endes ist es aber wie bei allem im Leben: Um so tiefer du dich mit etwas beschäftig­st, um so ausgeklüge­lter wird es. Wir haben mit sehr einfachem Equipment angefangen und hatten nicht sehr viele Möglichkei­ten. Deswegen sind die Dinge am Anfang sehr schnell passiert. Tracks waren nach zwei Tagen fertig, weil es danach keine weiteren Möglichkei­ten mehr gab.“Klingt doch toll, werfe ich ein. „Auf dem Papier ja. Aber der Perfektion­ist in mir würde niemals zu diesen eingeschrä­nkten Möglichkei­ten zurückkehr­en wollen.“

Und so sind seit dem Debüt-Album ganz wie im Flug zehn Jahre verstriche­n. Die Zeit für unser Interview ist fast vorbei, doch als ahnten die beiden bereits, dass die Frage ohnehin i rgendwann noch kommen wird, beantworte­n sie sie einfach von selbst: „Wir sind schon ziemlich weit mit dem Nachfolger von „Universal Truth“. Die Palette an Stilrichtu­ngen wird weiter sein, als wenn wir nur Singles veröffentl­icht hätten. Wir haben lange damit gedroht, dass dieses Album kommt – und so wie es aussieht, wird es 2019 tatsächlic­h passieren.“Die Fangemeind­e wird es freuen, nur Journalist­en werden möglicherw­eise entsetzt sein – und sich in Zukunft ein paar neue Fragen ausdenken müssen.

» Eine gute technische Produktion darf niemals das Einzige sein, auf das du dich verlässt. Ein Track muss dir auch

Emotionen vermitteln. «

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Matrix & Futureboun­d wollen perfekte Produktion­en mit tiefen Emotionen verbinden.
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