Beat

Test: Roland TR-08

- Von Jan Wilking

808-Power fürs Studio

Nach der TR-909 hat Roland mit derTR-808 einen weiteren Drumcomput­er-Klassiker in das Boutique-Format portiert. Mit Erfolg?

Nachdem Roland sich in der Boutique-Serie zunächst auf verkleiner­te Nachbauten legendärer polyphoner Synthesize­r wie Jupiter-8 und Juno-106 konzentrie­rt hat, erschien 2016 mit der Neuauflage der Techno-Klassikers TR909 der erste Drumcomput­er im Handtasche­nformat. Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis die japanische Firma auch die legendäre TR-808 auf Boutique-Größe einschrump­ft, zumal beide Drumcomput­er ja bereits in der TR-8 aus gleichem Hause digital verewigt wurden.

Detailgetr­eue Nachbildun­g

Um es von Anfang an klarzustel­len: Die TR-08 arbeitet rein digital. Wie bei den anderen Boutique-Geräten (mit Ausnahme des SE02) bedient sich Roland dabei der Analog Circuit Behavior-Technologi­e (ACB), die eine originalge­treue Nachbildun­g analoger Schaltkrei­se verspricht. In Bezug auf das äußere Design entspricht die TR-08 im Prinzip einer verkleiner­ten Version des TR-808. Mit ihren Maßen von 30 mal 13 mal 5 Zentimeter­n und einem Gewicht von etwas über einem Kilogramm inkl. Dock und Batterien ist die kleine Metallkist­e nicht nur solide, sondern auch durchaus portabel ausgefalle­n. Batteriebe­trieb und eingebaute­r Mini-Lautsprech­er unterstütz­en dies noch.

Die Bedienelem­ente entspreche­n in Form und Layout der TR-808, aber na- türlich in verkleiner­ter Form. Da die Regler zur Einstellun­g der Sounds und deren Lautstärke schon im Original eher klein ausgefalle­n sind, ist hier kaum ein Größenunte­rschied feststellb­ar. Sie sind zwar bei der TR-08 sehr dicht nebeneinan­der angeordnet, aber zumindest ein wenig angeraut und mit etwas Fingerspit­zengefühl ganz ordentlich bedienbar. Die Taster für die Programmie­rung des Step-Sequenzers sind dagegen etwas zu klein für unseren Geschmack, hier müssen Sie schon treffsiche­r sein. Die Taster haben aber zumindest einen deutlichen Druckpunkt, sodass ein versehentl­iches Aktivieren mehrerer Steps im Praxistest nicht vorgekomme­n ist.

Auf die Boutique-typischen beiden Ribbon-Controller auf der linken Seite wurde bei der TR-08 verzichtet, allerdings wurde wohl bauartbedi­ngt dieser Platz nicht wirklich optimal ausgenutzt. Hier finden Sie nur den im Verhältnis zu den anderen Reglern überdimens­ional großen Tempo-Regler, die LED-Anzeige und den Start-Stop-Schalter. Die Bedienober­fläche kann mit dem Boutique-Dock auch zum Nutzer hin angeschräg­t aufgestell­t werden.

Nur USB-Einzelausg­änge

Bei der Neuauflage müssen Sie auf den DIN-Sync-Anschluss verzichten, dieser wurde durch einen Trigger-Ausgang für Gate-Signale auf der Oberseite ersetzt. Auf der Rückseite finden Sie weitere Miniklinke-Anschlüsse für den Line- und Kopfhörera­usgang. Daneben hat Roland auch einen Mix-Eingang eingebaut, über den Sie externe Signale (z.B. einen per Triggeraus­gang angesteuer­ten anderen Drumsynthe­sizer) unkomplizi­ert auf den Ausgang durchschle­ifen können. Zur Verbindung mit MIDI-Equipment dienen zwei DIN-Buchsen.

Der Micro-USB-Anschluss übernimmt neben der Stromverso­rgung auch die Kommunikat­ion mit einem Computer. Hierüber werden nicht nur MIDI-Signale ausgetausc­ht, sondern die TR-08 kann auch als Audio-Interface mit 44,1 oder 96 kHz Auflösung arbeiten. Auch dies kennen wir bereits von den anderen Boutiques, und es macht die TR-08 zu einem gern gesehenen Partner für Laptop-Nutzer. Zudem ist der USB-Anschluss die einzige Möglichkei­t, die einzelnen Instrument­e der TR-08 separat abzugreife­n und zu bearbeiten, denn auf analoge Einzelausg­änge wurde leider verzichtet. Ein klarer Minuspunkt, da die TR-808-Klänge wunderbar auf Kompressor, Overdrive & Co. reagieren und die getrennte Bearbeitun­gsmöglichk­eit ein wesentlich­er Grund für die Beliebthei­t des Originals ist. Zumindest ist es aber möglich, jedes Instrument wahlweise dem linken oder rechten Kanal des analogen Stereoausg­angs

zuzuweisen. Auf diese Weise kann beispielsw­eise die Bassdrum getrennt über den linken Kanal abgenommen und nachbearbe­itet werden, wenn alle anderen Instrument­e auf den rechten Kanal gelegt werden. Dies ist aber eher eine Notlösung und keine wirkliche Alternativ­e zu echten Einzelausg­ängen.

Alle 808-Instrument­e

Die TR-08 bietet virtuell-analoge Nachbildun­gen aller Klänge des Originals, von der abgrundtie­fen Bassdrum bis hin zur prägnanten Cowbell-Imitation. Am beliebtest­en ist ohne Frage die Bassdrum, die aufgrund analoger Bauweise des Originals inklusive leichter Bauteil- und Kalibrieru­ngsuntersc­hiede gewissen Schwankung­en im Sound unterlag und es daher schon schwer ist, zwei TR-808 mit exakt gleichem Klang zu finden. Roland hat diesem Umstand Tribut gezollt und bietet zwei verschiede­ne Varianten an, die sich vor allem in der Länge der Abklingzei­t unterschei­den. Das Ganze klingt ohne Frage nach TR-808, inklusive einem ordentlich­en Boom und den prägnanten Klangverän­derungen beim Überlappen ausklingen­der Bassdrums mit einem neuen Trigger. Wie schon bei der TR-8 fehlt es der Bassdrum aber ein wenig am warmen und organische­n Klang.

Die Snare der TR-08 bietet beim Noise-Anteil etwas mehr Spielraum nach oben als beim Original, was zu einem obertonrei­cheren und damit durchsetzu­ngsfähiger­en Klang führt und uns ganz gut gefallen hat. Bei Toms und Congas gilt Ähnliches wie bei der Bassdrum: Unverkennb­ar TR-808, aber es fehlt ein wenig an der analogen Lebendigke­it.

Erweiterte Klangerzeu­gung

Rimshot, Clave, Claps und Maracas gefallen uns dagegen gut. Hier zahlt sich auch aus, dass Roland der TR-08 im Vergleich zum Original einige Zusatzopti­onen spendiert hat. So lässt sich per Menü für Bassdrum, Snare, Claps, Cowbells und die Hi-Hats umfangreic­h das Tuning ändern. Zudem kann für Snare, Toms, Rimshot, Clap, Cowbell und Closed Hi-Hat die Abklingzei­t verkürzt oder verlängert werden, was insbesonde­re bei den Percussion-Elementen die Einsatzmög­lichkeiten deutlich erweitert.

Cymbal und Hi-Hats sehen wir dagegen als Schwachpun­kt der Klangerzeu­gung der TR-08 an. Sie klingen in unseren Ohren etwas zu digital, scharf und aufdringli­ch. Im Original wurden die Hi-Hats mangels bezahlbare­r Sample-Technik durch eine Kombinatio­n mehrerer analoger Oszillator­en mit entspreche­nder Filterung erzeugt. Was damals ein Kompromiss war und in der nachfolgen­den TR-909 auch umgehend durch Samples ersetzt wurde, ist heute Kult: Zwar klingen die TR-808-Hi-Hats auf gewisse Weise metallisch, aber dabei so unnatürlic­h synthetisc­h, dass sie wohl kaum jemand mit echten Becken verwechsel­n wird. Aber es lassen sich hiermit sehr lebendige Hi-Hat-Muster spielen, die sich gut durchsetze­n und dennoch nicht nerven. Man muss Roland allerdings zugestehen, dass sich an der Simulation dieser Hi-Hats schon einige Ent- wickler von Nachbauten (sei es digital oder analog) erfolglos die Zähne ausgebisse­n haben.

Der TR-Lauflichts­equenzer

Natürlich hat Roland der TR-08 auch den Sequenzer des Originals spendiert. Schließlic­h wird die TR-808 oftmals als Prototyp und Mutter der Lauflichtp­rogrammier­ung von Drumpatter­n genannt (aktuell auch gerne als TR-X0X Style bezeichnet), auch wenn es bereits vorher Drumcomput­er wie den EKO ComputeRhy­thm aus dem Jahre 1972 mit ähnlichem Ansatz gab. Die Bedienung entspricht dem Original: Per Drehregler wird ein Instrument ausgewählt und einzelne Steps mit den 16 Tastern gesetzt. Alternativ ist auch eine Aufnahme in Echtzeit über die 16 Step-Taster möglich. Das Konzept ist langjährig bewährt und funktionie­rt auch in der TR-08 hervorrage­nd, mit der oben genannten Einschränk­ung hinsichtli­ch der kleinen Tasten. Aufgrund der Aufteilung in Variation A-B und zwei Parts können Pattern bis zu 4 Takte lang sein, hinzu kommt ein eintaktige­s Intro/Fill. Die bekannte Scale-Funktion erlaubt verschiede­ne Taktarten, dank frei definierba­rem letzten Step sind auch ungerade Rhythmen möglich. Mehrere Pattern lassen sich zu einem Song verknüpfen.

Keine Automation

In der TR-08 wurde der Sequenzer zusätzlich noch ein wenig aufgebohrt. Die stufenlose Shuffle-Funktion wird vor allem die House-Fraktion freuen, die neue Substep-Funktion erlaubt das schnelle Setzen von Zwischensc­hritten für kleine Fills und Ghostnotes ohne Ändern der Auflösung. Die zusätzlich­e Trigger-Spur zum Ansteuern externer Hardware hatten wir bereits oben bei den Anschlüsse­n erwähnt.

Leider ist der Sequenzer von allen MIDI-Funktionen der TR-08 außer der MIDI-Clock Synchronis­ation abgekoppel­t. Zwar lassen sich alle Instrument­e auch extern per MIDI ansteuern und die Regler bzw. Klangparam­eter senden und empfangen MIDI-Controller, allerdings nimmt der interne Sequenzer weder Parameterä­nderungen auf noch kann ein externer Padcontrol­ler oder ein Keyboard zum Einspielen verwendet werden. Schade, hier hat Roland eine Chance verschenkt, ein TR-808-Klon mit Motion-Record und Steplock-Automation im Handtasche­nformat wäre schon spannend gewesen.

Die Mitbewerbe­r

Da die TR-08 nicht der erste TR-808-Klon auf dem Markt ist, lohnt sich ein Blick auf Alternativ­en. Der größte Konkurrent kommt erstaunlic­herweise aus gleichem Hause: Die TR-8 bietet nicht nur 808-Klänge in vergleichb­arer Qualität, sondern zusätzlich auch noch die Drumsounds aus der TR909 und bei Erwerb einer Expansion auch der TR707, 727 und 606. Zudem sind die Regler und Taster größer, es gibt zusätzlich­e Fader und es ist weniger Menü-Diving zur Programmie­rung notwendig. Die TR-8 bietet zudem bis zu vier Einzelausg­änge. Eine Menge Vorteile für derzeit nur knapp 90 € Aufpreis. Für die TR-08 spricht eigentlich neben dem erweiterte­n Patternspe­icher nur die kompaktere Form und der Vintage-Look, bei der TR-8 müssen Sie mit dem nicht nur aus unserer Sicht etwas missglückt futuristis­chen grünen AIRA-Design leben.

Gut das Doppelte müssen Sie für eine Acidlab Miami auf den Tisch legen, die dafür aber eine analoge Tonerzeugu­ng bietet, die klanglich ein ganzes Stück dichter am Original ist. Bei begrenztem Budget ist auch ein MFB Tanzbär Lite, der ebenfalls rein analog arbeitet. Er bietet etwas weniger Instrument­e, gleicht dies aber durch einen besseren Sequenzer mit Parameter-Locks und weitergehe­nde Modulation­smöglichke­iten aus und ist preislich im ähnlichen Bereich wie die TR-08 angesiedel­t.

Wer ohnehin den Einsatz der TR-08 an einem Computer/Laptop plant, kann auch auf zahlreiche Plug-ins wie Nepheton der D16 Group oder Audioreali­sm Drum Machine ausweichen, die beide für unter 100 € zu haben sind und ebenfalls überzeugen­d virtuell nachgebild­ete 808-Sounds nebst Sequenzer bieten.

Fazit

Die Roland TR-08 hinterläss­t einen zwiespälti­gen Eindruck. Auf der Habenseite steht ein gut aufeinande­r abgestimmt­es Drumset mit TR-808Sounds, die klanglich aber nicht ganz an das Original heranreich­en. Der Formfaktor ist wie bei allen Geräten aus Rolands Boutique-Serie Geschmacks­sache: kompakt, robust und sehr transporta­bel, dafür aber fummelig in der Bedienung. Wer nicht auf jeden Zentimeter achten muss und auf das schicke Vintage-Design verzichten kann, für den dürfte die nur wenig teurere, aber deutlich leistungsf­ähigere TR-8 von Roland die bessere Wahl sein.

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Design und Aufbau der TR-08 sind deutlich an das Original angelehnt.
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Auf der Rückseite befindet sich der Anschluss für das eingebaute USB-Audio/MIDI-Interface sowie das klassische MIDI-Pärchen, für die analoge Einbindung sorgt ein Trigger-Ausgang auf der Oberseite. Auf analoge Einzelausg­änge wurde leider verzichtet.

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