Test: Waldorf Modular + kb37
Der perfekte Eurorack-Einstieg?
Die alteingesessene deutsche Synthesizerschmiede Waldorf hat nicht nur mehrere Module im Eurorack-Format im Programm, sondern bietet mit dem kb37 auch ein schickes und praktisches Zuhause hierfür an.
Mit dem kb37 bringt Waldorf nicht nur optisch frischen Wind in die Eurorack-Welt, sondern präsentiert ein innovatives Konzept und kombiniert ein Gehäuse für Eurorack-Module mit USB- und MIDI-Anbindung, CV-Interface, hochwertigem Keyboard und eingebauten Spielhilfen wie einem Arpeggiator. Damit wird das Eurorack auch für klassische Keyboarder interessant.
Controller-Keyboard
Das Waldorf kb37 ist ein reines Controller-Keyboard ohne eigene Klangerzeugung, hierfür müssen Sie passende Module einbauen. Das hierfür vorgesehene, oberhalb der Tastatur platzierte Rack-Gehäuse ist zum Benutzer hin angeschrägt und bietet eine Größe von 107 HP. Das kb37 bietet Anschlussmöglichkeiten für bis zu 14 Module, in der Regel werden Sie sich aus Platzmangel aber auf weniger konzentrieren müssen. Aufgrund der Eurorack-Kompatibilität können Sie nicht nur Module von Waldorf einbauen (auch wenn diese sich aufgrund des passenden Designs natürlich am Besten optisch einfügen), sondern auch Module anderer Hersteller und sich so Ihren individuellen Lieblingssynthesizer zusammenstellen.
Das Metallgehäuse des kb37 ist ähnlich wie das Blofeld-Keyboard aus glei- chem Hause in edlem Weiß mit grauen Seiten gehalten und sieht äußerst schick aus. Auch an der Verarbeitung gibt es nichts zu bemängeln. Die Tastatur stammt vom bewährten Hersteller Fatar, es handelt sich um eine TP9. Sie umfasst 37 Tasten (= 3 Oktaven), verarbeitet sowohl Anschlagdynamik als auch Aftertouch und ist angenehm schwergängig, wird also auch klassischen Keyboardern und Pianisten gefallen.
Spielhilfen & Arpeggiator
An zusätzlichen Spielhilfen gibt es zunächst einmal die obligatorischen Pitchbend- und Modulationsräder. Ebenfalls links neben der Tastatur sind zahlreiche weitere Anpassungsmöglichkeiten vorhanden, die sich in erster Linie auf die üblicherweise monophone Spielweise eines Modularsystems konzentrieren. Hier wählen Sie die Priorität bei mehreren gedrückten Tasten. Entweder die letzte, die tiefste oder die höchste gerade gespielte Note bestimmt die Tonhöhe. Mit den verschiedenen Trigger-Modi bestimmen Sie, wann dabei ein Gate-Signal erzeugt wird, um z.B. die Hüllkurve zu starten. Der Glide-Drehregler ist für die Länge des Portamento-Effekts, also des fließenden Gleitens von einer Tonhöhe zu einer anderen zuständig. Und zum Abschluss gibt es noch einen Arpeggiator mit Haltefunktion zum rhythmischen Aufbrechen gespielter Akkorde in ihre Einzelnoten. Er muss mit zwei Tastern auskommen, bietet aber dennoch einige Funktionen. Während die linke Taste zum Ein- und Ausschalten dient, können Sie bei gehaltener rechter Taste in Verbindung mit dem unteren Tastaturbereich weitere Einstellungen vornehmen. Diese umfassen unter anderem die Abspielrichtung und den Oktavumfang. Die Funktionen sind oberhalb der Klaviertasten abgedruckt und lassen sich auch einhändig bedienen. Sie können also mit der linken Hand auch Anpassungen im laufenden Betrieb vornehmen, während Sie mit der rechten Hand einen Akkord spielen. Für das Einstellen des Tempos des Arpeggiators bzw. des eingebauten Clock-Generators ist ein weiterer Drehregler zuständig.
USB, MIDI und Sensor-Eingang
Auch an Anschlüssen wurde beim kb37 nicht gespart. Auf der Rückseite befindet sich ein USB-Anschluss, der MIDI-Signale an einen hierüber angeschlossenen Computer sendet und empfängt sowie für Firmware-Updates zuständig. Daneben besitzt das kb37 das klassische MIDI-Trio mit IN/OUT/THRU im DIN-For-
mat. Der Sensor-Eingang bedarf dagegen etwas Erläuterung. Hier können Sie eine Signalquelle anschließen, aus der dann ein über die Oberfläche abgreifbares CV-Signal abgeleitet wird. Eine einfache Anwendung wäre der Anschluss eines Expression-Pedals, mit dem Sie die Filterfrequenz eines Filtermoduls per Fuß steuern. Dank Lern-Funktion ist der Sensor-Eingang aber deutlich flexibler und eine Spielwiese für Experimentierfreudige und Bastler. Denn er verarbeitet auch Mikrofonsignale, sodass Sie wie bei einem MS-20 die Tonhöhe eines Synthesizermoduls per Stimme steuern können. Oder Sie nutzen einen Distanz-Sensor im Stile des in Roland-Produkten verbauten D-Beam und spielen Ihr Modularsystem wie ein Theremin – Star Trek lässt grüßen! Der daneben liegende Anschluss für ein klassisches Sustain-Pedal wirkt dagegen schon fast unspektakulär. Zwei weitere 6,3-mm-Klinkenbuchsen senden das summierte Audiosignal der eingebauten Module an Soundkarte oder Mischpult. Ein Extension-Anschluss (3-Pin) für mögliche zusätzliche Erweiterungen ist derzeit noch ohne Funktion. Die Stromversorgung erfolgt löblicherweise per eingebautem Netzteil mit Buchse für ein Kaltgerätekabel, auch ein Powerschalter ist vorhanden.
MIDI-CC CV-Einbindung
Die Anschlüsse zum Steuern der eingebauten Module befinden sich auf der Oberseite des Keyboards. Links neben dem Rack-Gehäuse ist das CV-Interface platziert. Es bietet CV-Ausgänge für die vom Keyboard oder MIDI-Eingang erzeugten Pitch- und Gate-Signale. Praktischerweise werden diese Anschlüsse auch intern von der unterhalb der Module platzierten Platine bereitgestellt und erlauben eine interne Verkabelung der wichtigsten Funktionen via Bus ohne störende Kabel auf der Oberseite, wenn das Modul dies unterstützt. Zwei weitere Ausgänge liefern das Signal des eingebauten Clock-Generators zum Synchronisieren von Sequenzer-Modulen etc. sowie eine Reset-Funktion bei eingehendem MIDI-Stop-Signal. Auch Anschlagdynamik, Aftertouch und die beiden Wheels lassen sich hier abgreifen. Per Velocity die Lautstärke regeln, per Aftertouch die LFO-Modulationstiefe anpassen und mit dem Modulationsrad die Filterfrequenz steuern – alles kein Problem, Sie müssen einfach die Ausgänge mit den passenden Eingängen der eingebauten Module verbinden.
Und es kommt noch besser. Drei CTRL-Ausgänge lassen sich individuellen MIDI-Controllern zuweisen. Auf diese Weise lässt sich beispielsweise die Filterfrequenz in der DAW automatisieren. CTRL-X erzeugt alternativ eine zweite Steuerspannung und folgt dabei der Tonhöhe der zweiten gespielten Taste. Dies ermöglicht duophones Spiel. So können Sie zwei Oszillatoren in verschiedener Tonhöhe spielen, wie es etwa ein Arp Odyssey oder ein Moog Sub37 erlaubt. Auch für den oben bereits ausführlich erläuterten Sensor-Eingang finden Sie hier den passenden Ausgang. Alle vier Buchsen werden durch eigene Taster ergänzt, über die weitere Einstellungen wie die Auswahl der MIDI-Controller-Nummer oder den Steuerumfang des Sensor-Controllers vorgenommen werden.
Audiomodul in Stereo
Passend zum Signalfluss befindet sich auf der rechten Seite das interne Audio-Modul. Es besitzt zwei Eingänge, die beim klassischen subtraktiven Aufbau mit dem am Ende der Signalkette sitzenden Verstärker-Modul (VCA) verbunden werden und zu den rückseitigen Audioausgängen weitergeschleift werden. Sie können sich also auch ein Effektgerät oder einen Synthesizer in Stereo basteln, wenn ausreichend Module vorhanden sind. Das Audio-Modul besitzt auch einen Kopfhörerausgang mit getrennt regelbarer Lautstärke.
Eurorack-kompatibel
Das Spannende am kb37 ist, dass es sich mit beliebigen Eurorack-Modulen bestücken lässt und Sie sich einen transportablen Synthesizer individuell zusammenstellen können. Da der Platz für Module aber beschränkt ist, müssen Sie für komplexere Synthesizer und Effektkombinationen entweder noch ein zusätzliches Rack einplanen oder aber auf Module ausweichen, die auf kleinen Raum bereits mehrere Komponenten vereinen. Wir haben dies im Test mit dem Hades-Modul von Dreadbox ausprobiert, das bereits Oszillator, Multimodefilter, Hüllkurven, LFO und VCA sowie diverse Patchbuchsen enthält. Dieses Modul kann man beispielsweise mit Waldorfs Wavetable-Modul nw1 kombinieren, um fetten Vintage-Analogklang mit trockenem und kühlem Waldorf-Digitalsound zu kombinieren. Auch der sehr kompakte A-111-5 Minisynth von Doepfer bietet sich hierfür an.
Passende Waldorf-Module
Aber auch allein mit den von Waldorf angebotenen Modulen lässt sich mit dem kb37 ein komplexer und durchaus spezieller Synthesizer bauen, der dazu auch noch toll aussieht. Wir haben unser Testexemplar hierfür mit dem nw1-Wavetable-Oszillator, dem mod1-Modulator, dem vcf1-Multimodefilter sowie dem vca1-Verstärker bestückt. Zusätzlich hat uns Waldorf noch mit dem cmp1-Kompressor beglückt, den wir aus Platzmangel aber bereits in einem externen Eurorack-Gehäuse platzieren mussten. Alle Waldorf-Module sind optisch mit weißer Oberfläche und silbernen Edelstahlreglern perfekt auf das kb37 abgestimmt.
Wavetable-Oszillator nw1
Mit dem nw1 hat Waldorf einen überaus flexiblen, modern klingenden Eurorack-Oszillator am Start. Das nw1 Wavetable Module nutzt die neuartige Wavetable-Engine des Software-Synthesizers Nave, um Sound zu kreieren. Je nach Wavetable- und Spektral-Einstellungen sind sowohl sanfte, teils glockige wie auch schroffe bis metallisch-kratzende Sounds machbar. Damit ist das Modul eine tolle Grundlage für Leads und Bässe. Im Test wusste das nw1 vor allem in letzterer Kategorie zu begeistern, da durch die Klangformungs-Optionen überaus lebendige, sich stetig weiterentwickelnde Ergebnisse machbar sind. Damit ist das Modul ideal für Dubstep, Drum-&-Bass und andere Genres mit brachial-tiefen Klängen. Des weiteren ist das nw1 sehr gut für experimentelle Percussion-Effekte geeignet.
Wavetables & Textdateien
Neben vorgefertigten Wellenformen aus Microwave und Nave lassen sich auch eigene Wavetables verwenden, die entweder per USB importiert oder aus einem direkt über eine Eingangsbuchse aufgenommenen Audiosignal erzeugt werden können. Per Computereditor kann man zudem „Text-to-Speech“-Dateien kreieren und dem Modul so das Sprechen beibringen – ein Eldorado für
Experimentierfreudige! Die maximale Länge liegt bei etwa 7 Sekunden bei niedrigster Qualitätsstufe.
Die Wavetables des nw1 enthalten zwischen acht und 4096 Einzelwellen mit einer Länge von jeweils 32 bis 1024 Samples. Ihre Auflösung liegt bei 16 Bit. Die Schwingungen sind in sogenannte Sektionen gruppiert, pro Wavetable gibt es 4 bis 13 dieser Teilbereiche. Im einfachsten Fall wird Sound erzeugt, indem der Oszillator eine Sektion immer wieder durchläuft. Der Startpunkt innerhalb des Segments lässt sich durch den Parameter „Position“bestimmen. Für abwechslungsreichere Klänge kann das Modul die Teilbereiche eines Wavetables nacheinander scannen. Die Geschwindigkeit, mit der von einer zur nächsten Sektion gewechselt wird, bestimmt man mit dem Parameter „Travel“. Er weist positive wie auch negative Werte auf, der Auslesevorgang kann also vorwärts oder rückwärts erfolgen. Anstelle sprunghafter Übergänge interpoliert das nw1 zwischen den Werten von Start- und Zielsektion.
Modulier- und editierbar
Für weitergehende Sounddesign-Aufgaben hält das Modul vier Drehregler bereit. Spectrum verschiebt das klangliche Spektrum nach oben oder unten, ohne die tatsächliche Tonhöhe zu beeinflussen. Brilliance schärft Spitzen des harmonischen Spektrums oder dämpft diese ab. Keytrack definiert, wie stark der gespielte Notenwert Verschiebungen im Spektrum bewirkt. Auf Rechtsanschlag entspricht das Verhalten einem normalen Wavetable-Synthesizer wie etwa dem Microwave. Noisy wird die Wellenform „verrauscht“, was zu unscharfen, zittrigen Klängen führt. Fast alle Parameter lassen sich über drei flexibel zuweisbare CV-Eingänge extern modulieren.
Modulator mod1
Auch das mod1-Modul zeigt sich äußerst flexibel und kombiniert drei analoge Modulationsquellen. Im Zentrum steht eine ADSR-Hüllkurve, die als Besonderheit drei getrennt regelbare Decay-Stufen bietet und damit eine perfekte Ergänzung zu dem insbesondere für knackige Bässe und Leads geeigneten nw1-Modul darstellt. Die Hüllkurve verfügt über eine Loop-Funktion und kann auch invertiert abgenommen werden. Hinzu gesellt sich ein Symmetrie-Generator, der stufenlos zwischen absteigender und aufsteigender Steuerspannung überblenden kann und aufgrund verschiedener Trigger-Modi als Triggersignal, Mini-Hüllkurve oder LFO dient. Ein loopbarer Rise&Fall-Generator vervollständigt das Modulationstrio. Alle drei Modulatoren verfügen über separate Ein- und Ausgänge, daher bietet Ihnen mod1 beispielsweise getrennte Hüllkurven für Filter und VCA sowie einen LFO zur Tonhöhenmodulation in einem Modul.
Filter und Verzerrer vcf1
Das vcf1-Modul bietet das aus Waldorfs Rocket und 2-Pole bekannte analoge Multimodefilter mit Verzerrer. Der kräftige und aggressive Distortion-Effekt kann entweder durch das nachgeschaltete Filter wieder gezähmt oder separat abgenommen werden. Das Filter mit 12dB Flankensteilheit bietet individuelle Ausgänge für Tiefpass, Hochpass und Bandpass und kann mit hohen Resonanzwerten auch zur Selbstoszillation gebracht werden. Hinter dem Filter sitzt noch ein Overdrive-Effekt, der Waldorf-typisch auch eher in Richtung hart, laut und brutal anstatt subtil, warm und rund tendiert. Das Filter kann über zwei Eingänge für die Filterfrequenz sowie einen Eingang für die Resonanz von Hüllkurve, LFO oder auch einem Oszillator moduliert werden.
Duo-Verstärker vca1
Das vca1-Modul bietet zwei getrennte Verstärker, die spiegelbildlich angeordnet sind und z.B. für Stereoklänge und -modulationen auch verlinkt werden können. Neben echter linearer analoger Verstärkung besitzt es auch eine exponentielle Kontrolle, passend dazu gibt es verschiedene Eingangsbuchsen. Für eine klangliche Färbung des Eingangssignals besitzen beide Kanäle separate Colour-Regler. Aufbauend auf einer State-Variable-Filter-Schaltung lässt sich das Signal so klanglich etwas wärmer, runder und lebendiger gestalten, was sich sehr gut mit dem eher etwas kühl und aggressiv klingenden Oszillator- und Filtermodul ergänzt. Beide Verstärker können getrennt oder kombiniert genutzt werden.
Kompressor cmp1
Das cmp1-Modul beinhaltet einen waschechten analogen Kompressor, der nahezu alle Tricks eines modernen Dynamikmoduls beherrscht. Cmp1 kann im Peak- oder RMS-Modus arbeiten und bietet Hard- oder Soft-Knee-Kompression. Attack und Release lassen sich automatisch oder manuell anpassen. Für Parallelkompression lässt sich das Ori- ginalsignal stufenlos dem komprimierten Signal hinzumischen. Dank Sidechain-Eingang sind auch die aus modernen Dancefloor-Produktionen nicht mehr wegzudenkenden pumpenden Bässe kein Problem. Da Threshold und Kompression auch über CV-Eingänge verfügen und daher von beliebigen Quellen moduliert werden können, gehen die Möglichkeiten aber weit über klassische Kompression hinaus. Neben dynamischer Kompression ist auch der Einsatz als Envelope-Follower oder exponentieller VCA denkbar.
Fazit
Waldorfs Beiträge zur modularen Eurorack-Welt überzeugen auf ganzer Linie. Das kb37 verbindet ein robustes Controllerkeyboard mit guter Tastatur und ein flexibles Eurorack für individuell zusammenstellbare Module, schlägt dabei gekonnt eine Brücke zwischen Keyboarder und Klangtüftler und ist derzeit nahezu konkurrenzlos. Ob Sie nur ein Masterkeyboard für Ihre Moog Mother und einen zusätzlichen Oszillator suchen oder sich Ihren eigenen abgefahrenen Synthesizer von Grund auf selbst zusammenstellen wollen, beides geht ohne großen technischen Aufwand mit dem kb37. Für Letzteres sind auch die von Waldorf angebotenen Module bestens geeignet, da sie modernen Klang und flexible Möglichkeiten auch abseits klassischer analoger Modularsysteme bieten. Zwar sind weder Keyboard noch Module auf den ersten Blick ein Schnäppchen, im Vergleich zur Konkurrenz und angesichts der Möglichkeiten aber durchaus als preiswert zu bezeichnen.