Norman Garschke
Die Chancen stehen gut, dass Sie täglich mit Drum-Samples oder Grooves arbeiten, die Norman Garschke eingespielt hat. Schließlich hat der studierte Jazz-Schlagzeuger die gesamte Sound- und MIDI-Library des Superior Drummer 3 sowie zahlreiche Samples und Grooves für weitere Toontrack-Produkte eingetrommelt. Im Interview mit Beat gibt Norman Garschke interessante Einblicke in die Arbeitsweise eines Top-Schlagzeugers.
Beat / Wie gehst du als ausgebildeter Schlagzeuger beim Einspielen eines Drum-Grooves vor? Was inspiriert dich dabei?
Norman / Die Musik oder die jeweilige Produktion definiert, was entstehen soll. Ausgehend davon greift meine individuelle Klangvorstellung, meine eigene Vision, wie ich als Drummer die Musik am wirkungsvollsten rhythmisch unterstützen könnte/ müsste/möchte, um eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen oder ein bestimmtes Gefühl zu transportieren. Alles, was ich dann spiele (oder vor allem nicht spiele), sollte diesem Ziel dienen und den Song bzw. die Musik unterstützen – oftmals bedeutet das, eher sparsam und wohldosiert zu spielen. Es darf niemals darum gehen, einfach nur interessante Grooves zu spielen, weil das eben Spaß macht, eine Herausforderung darstellt oder mich als Drummer in ein gutes Licht rücken würde. Was ich dann letztlich genau spiele, kann ich gar nicht genau zurückverfolgen, es entsteht aus der Inspiration all der Musik, die ich sehr oft und sehr lange gehört/analysiert/verinnerlicht habe, aus dem intensiven Studium der unzähligen großartigen Drummer, die ich mir anhöre und von denen ich immer wieder Neues lerne. Meine Technik am Instrument ermöglicht mir dann, diese innere Soundvorstellung spontan umsetzen zu können – aber sie ist dabei „nur“das notwendige Mittel zum Zweck, die musikalische Vision problemlos spielen zu können, sie ist lediglich ein Hilfsmittel.
Beat / Wie kann man programmierten Beats ein lebendigeres und menschlicheres Feeling verleihen?
Norman / Lebendigkeit entsteht durch Variation, es hilft also durchaus, kleine Abweichungen zu programmieren. Dies müssen keine dramatische Änderungen sein, eine zusätzliche Hi-Hat-Note am Ende des einen Taktes hier, zwei leise Ghost-Notes der Snare hier und zwei bis drei kleine Varianten im Bassdrum-Pattern über eine 8-/16-taktige Entwicklung führen meistens schon zu ein bisschen mehr Lebendigkeit, sodass die sich wiederholenden Patterns nicht zu programmiert klingen. Noch etwas subtiler, aber dabei sehr wirkungsvoll sind individuelle Veränderungen der Lautstärken und/oder Anschlagstärken. Besonders bei Hi-Hat-Patterns lohnt es sich, die Velocity-Werte so zu variieren, dass sie niemals exakt wiederholt werden, denn genau dies würde ein realer Drummer ja auch niemals spielen können, auch wenn er noch so statisch zu spielen versucht. Sorgfältige Bearbeitungen der internen Lautstärkeverhältnisse zwischen den Instrumenten, Velocity-Variationen in den Hi-Hat-Patterns, die Verwendung von Akzenten, das Hinzufügen von sporadischen leisen Snaredrum-Ghost-Notes die das Pattern mit Subdivisions auffüllen, ein paar wenige zusätzliche Bassdrumnoten, die das Grundpattern zwar nicht grundlegend verändern, aber etwas interessanter gestalten – all dies sind zwar Bearbeitungen in der Groove-Programmierung, die ein bisschen Handarbeit und Zeit erfordern, die aber zu statischen Patterns sehr wirkungsvoll ein menschlicheres Feel verleihen können.
Beat / Das Zusammenspiel von Drums und Bass ist essenziell für einen packenden Groove. Hast du Tipps, wie man diese beiden Elemente zu einer Einheit zusammenfügt?
Norman / Auch dies hängt sehr stark vom jeweiligen Song, dessen Tempo und Atmosphäre ab. Aber Drums und Bass bilden natürlich zwangsläufig eine Einheit, die sogenannte Rhythmusgruppe, zu der in klassischen Band-Settings meistens auch die Keyboards und die Rhythmusgitarre gezählt werden. Grundlegend gibt es zwei verschiedene Ansätze: Bass und Bassdrum folgen einander und spielen zumindest weitestgehend dieselbe Rhythmik. Oder aber die Bassline setzt ihre Noten bewusst mehr oder weniger in die vom Bassdrum-Pattern nicht besetzten Zwischenräume. Es lässt sich nicht verlässlich sagen, welche Methode hier zu einer starken Groove-Wirkung führt, oftmals sind gerade auch Kombinationen der beiden Ansätze sehr erfolgreich. Trotzdem hilft es in der Regel, wenn Kick und Bass wichtige Ankerpunkte im Takt (oder längeren 4/8-taktigen Einheiten) gemeinsam besetzen. Viel wichtiger scheint mir noch, dass beide Instrumente (Drums und Bass) eine weitestgehend identische Rhythmik der Subdivisions und des zugrunde liegenden Mikro-Timings nutzen. Zum Beispiel sollte sich ein leichtes subtiles Shuffle-Feeling der Hi-Hat-Noten und des Snare-Ghost-Notes des Schlagzeugs genauso in den Noten der Bassline wiederfinden. Spielt der Bassist „on top“und setzt somit alle seine Noten ein bisschen früher, ohne dabei schneller zu werden, sollte der Drummer diesem Feel ebenfalls folgen und sein Mikro-Timing entsprechend anpassen. All dies gilt natürlich auch uneingeschränkt für programmierte Drum-/ Bass-Performances. Allerdings kann es vor allem in der elektronischen Musik auch besonders reizvoll sein, wenn diese Grundregeln bewusst und deutlich hörbar missachtet werden – auch durch gänzlich verschiedene Mikro-Timings in Drums und Bass kann in der richtigen Kombination eine starke Groove-Wirkung entstehen. Vor allem im Hip-Hop und vielen seiner Subgenres finden sich hierfür eindrucksvolle Beispiele und Produktionen.