Berliner Nachtschwärmer
Mit „Disconnected“legen Jan Blomqvist und seine Band ein Electro-Pop-Kleinod vor, das es wert ist, entdeckt zu werden. Nicht nur in Sachen Songwriting, sondern auch in puncto Produktion setzen die Berliner Maßstäbe, sodass wir mit Sänger und Namensgeber Jan unbedingt einen Blick hinter die Studiokulissen werfen wollten.
Beat / Wie bist du zur Musik gekommen?
Jan / Ich erinnere mich, dass ich eine Gitarre geschenkt bekam, als ich noch ziemlich jung war. Ich habe dann jeden Tag sehr viel darauf gespielt. Nicht geübt, wirklich nur gespielt. Auf dem Land war eine Gitarre das Spannendste, was man besitzen konnte. Computer und Fernsehen hatten wir nicht. Der Drang, ernsthaft Musik zu machen, kam erst mit 13 oder 14 in meiner ersten Punkband. Wir waren unheimlich ehrgeizig und irgendwann auch technisch ziemlich gut. Besser als jetzt eigentlich, wenn man nur das Gitarrenspiel betrachtet. Die Proben waren richtig anstrengend. Wir wollten mit 14 Jahren Profi-Musiker werden und das mit aller Macht. Völlig gestört eigentlich, wie im Wahn, unnötiger Stress. Aber wir hatten auch viel Spaß. Die Proben waren besser als jede Party. Ich glaube, am Ende waren die Bandproben jeden Freitag nach der Schule bis Samstagmorgen die lustigsten Momente meines Lebens.
Beat / Hattest du jemals eine professionelle Ausbildung?
Jan / Nein, ich bin Autodidakt. Mir hätte eine herkömmliche Ausbildung in einer Musikschule wahrscheinlich auch gar nicht viel gebracht, weil elektronische Musik dort nicht auf dem Plan steht. Aber auch, weil ich zum damaligen Zeitpunkt nicht wirklich Bock gehabt hätte, einmal die Woche irgendwo aufzutauchen, um Musik zu machen. Punk ist ja nicht nur eine Musikrichtung. Auf der anderen Seite ist in der elektronischen Musik vieles eng an die neuesten technischen Möglichkeiten geknüpft. Was man vor zehn Jahren wissen musste, ist jetzt womöglich völlig veraltet. Manche Programme gibt es auch gar nicht mehr. Ich habe mir selbst beigebracht, mir Dinge selbst beizubringen. Damit war und bin ich immer noch der beste Lehrer für mich.
Beat / Welche Bands haben dich musikalisch sozialisiert?
Jan / Auf der einen Seite Bands mit ausdruckstarken Vocals oder smarten Lyrics. Das waren bei mir in der Jugend Nirvana, Bob Dylan, Tocotronic, die Rolling Stones und Björk. Andererseits stehen die fetten Electro-Produktionen von Moderat und Stephan Bodzin, von James Holden und Trentmøller zu Beginn der Nullerjahre. Wichtig waren auch Bands wie Radiohead, Röyksopp und Moderat, die Vocals immer sehr schön in elektronische Klänge eingebunden haben.
Friedliche Nächte
Beat / Dein neues Album heißt „Disconnected“. Hattest du im Vorfeld eine Vision, wie es klingen soll oder lässt du dich treiben?
Jan / Beides. Es gibt zuerst schon eine Vision, aber dann lasse ich mich doch immer ein Stück weit treiben, zumindest bis die ersten paar Songs stehen. Insgesamt versuche ich dann aber schon, die Songs in ein einheitliches Soundgewand zu bekommen. Vor allem wenn es ein Konzeptalbum werden soll wie „Disconnected“.
Beat / Du arbeitest am liebsten nachts an deiner Musik, heißt es. Wie kommt’s?
Jan / Ich hatte schon immer einen verschobenen Tages- und Nachtrhythmus. Die Schule hat für mich immer drei Stunden zu früh angefangen. Besonders zuträglich ist es allerdings nicht, dass ich jedes Wochenende spät nachts in Clubs spiele. Es ist am einfachsten, wenn ich diesen Rhythmus auch unter der Woche beibehalten kann. Außerdem nervt mich nachts niemand und die Versuchung, auf Social Media oder im Netz Zeit zu verschwenden, ist viel kleiner, weil alle schlafen. Wenn man doch mal Leute treffen muss, sind diese meistens abends auch viel besser gelaunt als morgens um acht Uhr (lacht). Die Nacht bedeutet für mich Frieden, die Tage sind eher Stress. Wenn ich die Wahl habe, arbeite ich also lieber nachts.
Beat / Wie lang am Stück kannst du an Musik arbeiten? Sitzt du jeden Tag an deinen Songs?
Jan / Ich würde gerne jeden Tag nur im Studio sein, aber das klappt momentan nicht. Wenn ich drei Tage Zeit habe, ist das schon eine gute Woche.
Soundgeheimnisse
Beat / Mit welcher DAW arbeitest du und weshalb?
Jan / Live arbeite ich mit Ableton. Produziert wird aber seit Langem mit Cubase, da es für uns die beste Mischung aus gutem Audio- und MIDI-Editing bietet. Die DAWs gleichen sich ja immer mehr an im Funktionsumfang. Aber da wir über Jahre mit einer DAW gearbeitet haben, sind wir jetzt mehr oder weniger festgelegt, da sich der Workflow eben nicht so schnell übertragen lässt.
Beat / Eure Musik hat etwas angenehm Weiches und Warmes, vor allem in den Synth- Sounds. Was ist das Geheimnis dahinter?
Jan / Danke, das freut mich, zu hören. Dann hat sich das ewige Rumfrickeln ja gelohnt. Einfach gesagt: Den Cutoff nicht zu weit aufdrehen (lacht). Und natürlich die richtige Klangerzeugung. Analoge Synths machen schon einen Unterschied. Hauptsächlich arbeiten wir mit Moogs, Prophets und unseren Junos. Da kommen schon von Grund auf sehr schöne warme Sounds raus. Die Kunst ist es dann, das optimale Mischungsverhältnis aus Voicing, Synth-Settings und anschließendem EQing so hinzubekommen, dass es schön warm klingt, ohne dass der Mix zu mulmig wird. Ich liebe es auch, Synths zu layern, bis sie klingen wie einer. Das braucht einfach Zeit, bis es im Mix passt. Wir layern auch oft analoge Sounds dazu, die man so direkt gar nicht wahrnimmt, sondern den Unterschied erst hört, wenn man sie stumm schaltet.
Beat / Welche Tools haben den Sound von „Disconnected“besonders geprägt?
Jan / Da sind auf jeden Fall unsere Synths zu nennen, die den Hauptteil der Sounds ausmachen. Little Phatty am Bass, Prophet 6 und 8 und unsere Junos für Pads und Arpeggios. Unsere beiden Minitaur kamen auch ziemlich viel zum Einsatz. Für Kicks und Toms war 8raw8 tonangebend, ein super 808-Nachbau mit stimmbarer Kick, der klanglich total überzeugt. Aufgenommen haben wir hauptsächlich über unsere analogen Channel. Wir haben einen Stereo-Channel, bestehend aus einem Heritage Audio DMA-73 und einem Electrodyne 2511 und zwei Mono-Channels. Der eine etwas punchiger mit API 550a und SSL 500 Compressor und einen etwas rockigeren mit Chandler Little Devil und BAC 500.
Beat / Werden bei euch alle Sounds von Grund auf programmiert oder arbeitet ihr auch mit Presets, wenn sie euren Vorstellungen entsprechen?
Jan / Grundsätzlich arbeiten wir selten mit Presets, außer es sind unsere eigenen. Im Laufe der Zeit haben sich da einige angesammelt. Wir greifen öfter darauf zurück und passen sie an den aktuellen Track an. Es kommt aber auch vor, dass wir mit den eigenen Sounds nicht zum gewünschten Ergebnis kommen und – auf der Suche nach etwas Speziellerem – Presets durchgehen. Meistens muss man dann aber noch einiges verändern, damit es richtig passt. Ich denke, dass es nie ein Preset unverändert in einen unserer Tracks geschafft hat. Nur bei Claps benutzen wir öfter mal Samples.
Illustre Einkaufsliste
Beat / Bist du ein Equipment-Nerd, der ständig neue Sachen kauft?