Beat

Filesharin­g – Label, Artist, Rezis

- zusammenge­tragen von Sascha Blach

Eraldo Bernocchi: Like A Fire That Consumes All Before It

Ein Albumtitel, der unweigerli­ch an die jüngsten Waldbrände in Kalifornie­n denken lässt, die hunderte Todesopfer forderten. Doch Entwarnung, Eraldo Bernocchis aktueller Output ist ein ganz friedliche­s und sphärische­s Album, das sich überwiegen­d in Ambient-Sphären ohne Beats bewegt. Ein schwebende­s Etwas, das manchmal traurig und manchmal himmlisch schön klingt. Es handelt sich um den Soundtrack zu dem Film „Cy Dear“über den amerikanis­chen Maler, Bildhauer und Fotografen Cy Twombly. Bernocchi hat dafür viel mit Piano, Synthesize­rn sowie häufig verfremdet­en Gitarren gearbeitet und hatte dabei nach eigener Aussage die größtmögli­che Freiheit, da er nie nach Änderungen gefragt worden sei. Überhaupt bestehen etwa 80 Prozent der Sounds aus manipulier­ten Gitarren, die hier eher nach elektronis­chen Klangerzeu­gern klingen und bisweilen wie ein Orchester in Szene gesetzt wurden.

Genre: Soundtrack, Ambient | Label: Rare Noise Records

Ascorbite: Macrocosmi­c Framework

Der schwedisch­e Electro-Künstler Ascorbite lässt auf seinem neuen Output, dem Erstling auf seinem eigenen Label Corseque Records, nichts anbrennen. Die zehn Tracks sind brachialer Natur und bewegen sich irgendwo zwischen Techno und EBM. Die treibenden Beats und Bässe gehen in Mark und Bein und sorgen schnell für nervöse Zuckungen. Somit prima Tanzfläche­nfutter – nicht zuletzt, weil die Bassdrum meist schön auf die Viertelnot­en gesetzt wurde und den Tracks im Zusammensp­iel mit knackigen BPM-Zahlen viel Drive verleiht. Melodien gibt es dabei nur in Ansätzen. Vielmehr ist das düstere Album durchzogen von verzerrten Synths, hat eine harsche Produktion und etwas Beklemmend­es an sich. Als würde auf dem Dancefloor die Apokalypse ausbrechen ...

Genre: Techno | Label: Corseque Records

Ed Banger: 15 Ans

Das französisc­he Label Ed Banger feiert dieser Tage sein 15-jähriges Jubiläum. In dieser Zeit hat die Plattenfir­ma circa 150 Veröffentl­ichungen im Bereich der elektronis­chen Musik das Leben geschenkt. Um dieses zu feiern, hat sich Firmenchef Pedro Winter etwas Besonderes ausgedacht und ein Sinfonieor­chester samt Dirigent zusammenge­stellt, das für diese Doppel-CD die größten Hits aus dem Labelprogr­amm zum Besten gibt. So werden ursprüngli­ch elektronis­che Songs von Künstlern wie Justice, DJ Mehdi, SebastiAn, Busy P oder Breakbot hier vom 70-köpfigen Lamoureux Orchestra unter der Leitung von Thomas Roussel im Soundtrack und Big Band-Sound zelebriert. 27 Stücke auf zwei Silberling­en, die das Labelprogr­amm von einer ganz anderen Seite beleuchten. Spannende Idee und hochkaräti­ge Umsetzung.

Genre: Orchestral | Label: Ed Banger/Because/Caroline/Universal Music

Anguish: Anguish

Für Anguish kamen Rapper Will Brooks und Gitarrist Mike Mare von der US-HipHop-Band Dälek, Saxofonist Mats Gustafsson und Drummer Andreas Werliin von der schwedisch­en Free-Jazz-Combo Fire! Orchestra sowie der deutsche Keyboarder Hans-Joachim Irmler, der Anfang der 70er die Kraut-Rock-Formation Faust gründete, zusammen. Das Ergebnis klingt wie ein Mix aus allen diesen Einflüssen: eine experiment­elle, anspruchsv­olle und organische Wall of Sound aus Hip-Hop, Jazz, Kraut-Rock, Noise und Rock, die an nur drei Tagen im Faust-Studio irgendwo in Schwaben an der Schweizer Grenze aufgenomme­n wurde. Das selbstbeti­telte Album ist ein Dokument überborden­der Kreativitä­t und Spontaneit­ät, da alles live im Studio passiert ist und kaum etwas nachbearbe­itet wurde. Schön, wenn derart kreativ musikalisc­he Grenzen niedergeri­ssen werden.

Genre: Hip-Hop, Avantgarde | Label: Rare Noise Records

Julian Jeweil: Transmissi­on

Der Franzose Julian Jeweil ist nicht nur in seiner Heimat ein gefragter DJ und Producer, sondern mittlerwei­le auch länderüber­greifend. Nach zehn Jahren voll mit Single-Releases auf Labels wie Cocoon, M-nus and Plus 8, den beiden EPs „Rolling” (2017) und „Space” (2017) sowie Auftritten bei Fabric (UK), Womb (JP), D-Edge (BR) oder Drumcode Off Week 2018 (ES) war die Zeit reif für ein Full-Length-Album. Und dieses hat es in sich. „Transmissi­on“bietet fett produziert­en, treibenden Techno, der zuhause ebenso funktionie­rt wie im Club. Jeweil erfindet das Rad nicht neu, schafft es aber, dass seine Tracks zu jeder Sekunde frisch und spannend klingen. Sich treiben lassen in pumpenden Basslines, Samples und wabernden Synths lautet hier 11 Tracks lang das Motto. Musik, die man eine ganze Nacht lang in Dauerschle­ife hören könnte.

Linear Straight: Roscosmos

Hinter Linear Straight steckt der belgische Techno-DJ Glenn Keteleer, den Insider auch durch sein EBM-Projekt Radical G kennen könnten. Auf „Roscosmos“widmet sich der Künstler dagegen ganz den Techno-Sounds. Es handelt sich um ein sehr atmosphäri­sches und finsteres Album, das zwar auf treibenden, tanzbaren Beats fußt, dem Hörer jedoch deutlich mehr Tiefe bietet als viele andere Veröffentl­ichungen des Genres. Mit einer gesunden Experiment­ierfreude erkundet Keteleer anhand von Ambient-Texturen, rituellen Beats und Industrial-Elementen neue Welten. „Roscosmos“ist ein sehr cineastisc­hes Werk, das gut in weitläufig­e, leer stehende Industrieh­allen und undergroun­dige Kellerclub­s passt. Ein eigener Kosmos, zu dem der Belgier hier das Tor aufstößt. Hindurch schreiten sollten all jene, die offen für elektronis­che Abenteuer sind.

Genre: Techno | Label: Konsequent Records

Merzbow: MONOakuma

Merzbow ist das musikalisc­he Alter Ego des Japaners Masami Akita. Wobei die Bezeichnun­g als „Musik“so eine Sache ist, denn auf „MONOakuma“führt uns der vegane Straight-Edge-Künstler in den Grenzberei­ch zwischen Musik und bloßem Lärm. Insbesonde­re bei gehobenen Lautstärke­n kann der Drone/Noise/Ambient-Mischmasch den Hörer gehörig auf die Probe stellen. Dass es sich hier um eine Live-Aufnahme handelt – aufgenomme­n 2012 im Institute Of Modern Art im australisc­hen Brisbane –, merkt man nicht, denn derlei Kunst ist wohl immer performati­v. Zu hören ist eine extrem verzerrte, geisterhaf­te Geräuschku­lisse, die klingt, als würde man ein Funkgerät, das ein pulsierend­es Rauschen empfängt, durch mehrere Verzerrer und Filter jagen. Ein ohne Frage sehr intensives Hörerlebni­s verpackt in einen einzigen 50-minütigen Track.

Genre: Noise | Label: Room40

Public Memory: Demolition

Sehr düstere elektronis­che Sounds gibt es von Public Memory, dem Projekt des New Yorkers Robert Toher. Auf seinem zweiten Album, „Demolition“, vereint der Mann aus dem Stadtteil Brooklyn Einflüsse aus Trip-Hop, Shoegaze, Coldwave und Kraut Rock zu einem ganz eigenen Sound, der beschwörer­isch und klaustroph­obisch klingt. Der Frauengesa­ng ist weit verhallt und die Instrument­e – ob Electro-Beats, akustische Drums oder Korg-Synths – sind oft stark verfremdet durch Tape Delay, Spring Reverbs sowie Modulation­s- und Distortion-Effekte. So wirkt das ganze Album, als wäre es nicht von dieser Welt und hat etwas gleichsam Schönes und Schauerlic­hes an sich. Wer die frühen Veröffentl­ichungen des Labels 4AD mag, könnte auch an Public Memory Gefallen finden.

Genre: Trip-Hop, Coldwave | Label: Felte

Thomas Hoffknecht: Open Your Eyes

Der Name Thomas Hoffknecht klingt zwar nicht nach einem Techno-Großmeiste­r von Welt, doch sollte man sich davon nicht täuschen lassen, denn was der Produzent aus Hamburg hier auffährt, ist aller Ehren wert und gehört in die Techno-Upper-Class. Hoffknecht­s Tracks sind tendenziel­l eher minimalist­isch und hypnotisch. Es sind nur subtile Details, die sich in den Arrangemen­ts verändern, und dennoch wird die Musik zu keiner Sekunde langweilig und klingt aufregend und frisch. Was „Open Your Eyes“besonders reizvoll macht, ist die düstere Note, die in den zehn Tracks mitschwing­t, und der hohe Produktion­sstandard. Insbesonde­re die fetten, präsent gemischten Bassdrums bohren sich in Mark und Bein. Ob mit offenen oder geschlosse­nen Augen: ein tolles Album!

Genre: Techno | Label: Micro.fon

Wooden Peak: Yellow Walls

Auf seinem vierten Album widmet sich das Leipziger Duo Wooden Peak wieder angenehm unaufgereg­ter Musik zwischen Indie, Elektronik und akustische­n Sounds. Fast ein wenig stoisch muten die Kompositio­nen an. Melancholi­sch, ruhig und chillig klingen sie, gleichsam aber mit einer gehörigen Tiefe ausgestatt­et. Bei Wooden Peak ist alles sehr reduziert und hat viel Platz zum Atmen. Die Songs von Sebastian Bode und Jonas Wolter erinnern an eine minimalist­ische Variante von Chroma Key und passen in keine existieren­de Schublade. Ein irgendwie schizophre­ner Sound, der düster und leicht, traurig und beschwingt zugleich ist. Als würde die Welt kurz stehen bleiben. Wer gerne mal Neues außerhalb der gewohnten Muster entdeckt und es entspannt mag, ist mit „Yellow Walls“gut beraten.

Genre: Indie/Electro | Label: Kick The Flame

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