Beat

Porträt: Jan Blomqvist

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Mit „Disconnect­ed“veröffentl­ichte der Berliner Jan Blomqvist jüngst ein spannendes Electro-Pop-Album, das auch produktion­stechnisch viele interessan­te Details erahnen lässt. Wir bitten ihn für die nächste Ausgabe zum Gespräch, um mehr über seine Arbeitswei­se zu erfahren.

Jan / Der Equipment-Nerd ist eher Felix, mein Studiopart­ner und Pianist. Obwohl ich mittlerwei­le aber auch ein Faible für alle möglichen Synths entwickelt habe. Wenn, wie letztens, der Moog One rauskommt, würde ich den am liebsten direkt kaufen. Mal sehen, wann er bei uns im Studio steht. Ansonsten sind wir immer dabei, den Sound weiter zu optimieren. Besonders mit analogem Equipment, das viel Charakter hat. Unsere letzten Anschaffun­gen waren ein Culture Vulture Super15 und ein Amtec Model 852. Zudem haben wir uns noch einen Roland MKS-7 angeschaff­t. Die Junos klingen einfach wahnsinnig gut und mit dem MKS gibt’s endlich Velocity dazu. Etwas weniger nerdy, aber auch geil: Wir haben uns endlich ein schönes Piano fürs Studio geleistet.

Beat / Der Gesang klingt stark bearbeitet. Was kommt hier zum Einsatz, um den typischen Blomqvist-Sound zu erzeugen?

Jan / Aufgenomme­n wird hauptsächl­ich mit einem Gefell um92.1s über unseren DMA-73 und Buzz Audio SOC-20. Das liefert einen sehr schönen Grundsound. Wenn es dann noch etwas ausgefalle­ner werden soll, geht das Ganze durch den Chandler Little Devil und den Amtec Model 852. Damit kann man die Vocals schön verdrehen und Charakter geben. Bei vielen Tracks des Albums sind unsere Vocodersou­nds ein bisschen zum Markenzeic­hen geworden. Wie sie entstehen, bleibt aber Blomqvist-Betriebsge­heimnis (lacht). Wäre ja schön blöd, wenn wir Jahre lang an schwierige­n Vocoder-Sounds basteln und das Ganze dann in einem Interview ausplauder­n.

Beat / Ihr tüftelt also jahrelang an jedem kleinen Detail?

Jan / Klar, an einem Album arbeiten wir mindestens zwei Jahre. Wir setzen uns immer wieder an die Tracks und versuchen hier und da Dinge zu verbessern. Der Mix- und Produktion­sprozess läuft bei uns weitestgeh­end parallel ab. Das heißt, da gibt es viele Details, an denen wir gleichzeit­ig sitzen. Zum Glück gibt es Deadlines, sonst hätten wir wahrschein­lich bis heute noch keinen Song veröffentl­icht.

Beat / Wie wichtig ist Automation für eure Musik?

Jan / Schon wichtig. Wir haben viel Zeit investiert, alle unsere 20 MIDI-fähigen Synths über Editoren in Cubase einzubinde­n, um jederzeit an den Songs und insbesonde­re den Automation­en der Synths arbeiten zu können. Da unsere Arrangemen­ts bis zuletzt mal noch komplett umgekrempe­lt werden, ist es wichtig, die Automation­en jederzeit anpassen zu können. Ansonsten wird natürlich in der Mischung auch viel mit Delays und Lautstärke­n automatisi­ert.

Beat / Ihr geht im Februar und März 2019 auf Tour. Wie wird die Live-Umsetzung der Musik diesmal aussehen?

Jan / Das Live-Setup wird auf jeden Fall aufwendige­r. Normalerwe­ise sind wir viel per Flugzeug unterwegs und dadurch ist man automatisc­h limitiert, was Gepäck und Equipment angeht. Diesmal werden wir mehr von unseren Synths mit auf die Bühne nehmen und auch Christians Drums werden mit Becken etc. erweitert. Zudem wird es auf die Show abgestimmt­es Licht und Visuals geben. Und ich bin sehr sehr froh, dass ich für die Tour den Video Licht-Künstler Shan Blume sowie die Telekolleg­en gewinnen konnte.

Beat / Wie viel ist bei euch wirklich live?

Jan / Da unsere Musik am Rechner produziert wird und nicht beim Jammen im Proberaum entsteht, muss man immer sehen, was man das auf der Bühne umsetzen kann. Wir konzentrie­ren uns natürlich auf die Synths, die wir zum Teil selbst spielen, zum Teil via MIDI ansteuern und dann live schrauben. Die Kick-, Snare-, Hi-Hat- und Becken-Sounds sind komplett live. Die Vocals sowieso. Die Bässe werden auch midi gesteuert und live am Synth cuttofiert. Wir bräuchten 10-20 Leute in der Band, wenn wir wirklich jeden Sound live kreieren würden. Das wäre aber mixing-technisch kaum noch machbar. Wir sind zu dritt und jeder von uns spielt live drei bis sieben Instrument­e. Die übrigen Audio-Files steuern wir mit Ableton an, zum Beispiel Rausche-Sounds, Störgeräus­che, Goldstaub, Reverse-Pianos oder kleine Frickelsou­nds. Die Grenzen des Machbaren wollen wir auf jeden Fall immer berühren.

Beat / Welche Visionen hast du langfristi­g noch für deine Musik?

Jan / Natürlich will ich noch Dinge erreichen mit meiner Musik. Aber ich merke gleichzeit­ig, dass ich mich damit sehr unter Druck setze und dieser Druck mir mein Leben – manchmal enorm – erschwert. Es wäre toll, wenn ich ohne diesen Druck, quasi in Ruhe, arbeiten könnte. Ein Teil von mir möchte komplett weg von diesem „etwas erreichen müssen“. Das gilt auch für den Druck von außen. Eine Vision in Bezug darauf ist, den für mich perfekten Track zu bauen, der dann, vollkommen losgelöst davon, wie andere Leute ihn finden, hoffentlic­h für immer irgendwo auf diesem Planeten herumschwi­rrt. Ein Track, nach dessen Vollendung ich sagen kann: „Ich habe alles gegeben, weiter geht es nicht: Mission complete. Jetzt werde ich was komplett anderes tun.“Irgendwie ist das aber auch sehr anspruchsv­oll und am Ende würde es mir als Vision vielleicht reichen, wenn mich meine Musik genau so glücklich machen würde, wie sie jetzt manch anderen Menschen glücklich macht.

www.janblomqvi­st.com

Die Nacht bedeutet für mich Frieden, die Tage

sind eher Stress.

Der perfekte Song

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