Test: Abbey Roads Chambers
Der Klang der Hallräume und des historischen S.T.E.E.D.-Aufbaus der legendären Abbey Road Studios für das heimische Studio. von Kristian Sell
Der S.T.E.E.D.-Aufbau für zu Hause
Mit den Abbey Road Chambers hat Waves ein spezielles Hall- und Delay-Plug-in auf den Markt gebracht, das die „Echo Chambers“, zu Deutsch „Hallräume“, und den S.T.E.E.D.-Aufbau der Abbey Road Studios im Plug-in-Format zur Verfügung stellt. Dazu hat Waves in enger Zusammenarbeit mit den Abbey Road Studios die Original-Hardware modelliert und durch Sampling von Impulsantworten den Klang der Hallräume eingefangen. Dieser einzigartige Effekt-Mix aus Tape Recorder, Tape Delay, Feedback Schleife und dem speziellen Hall erzeugt einen legendären Klang, der in vielen Aufnahmen der 60er- und 70er-Jahre, beispielsweise von The Beatles, zu hören ist.
Hall-Räume und S.T.E.E.D.
Das Plug-in besteht generell aus zwei Komponenten: dem Hallraum und dem S.T.E.E.D.-Aufbau. Der Hallraum ist eine spezielle Räumlichkeit in den Abbey Road Studios, die konstruiert und genutzt wurde, um besondere Hall-Effekte für Musikaufnahmen zu erzeugen. Durch die spezielle Beschaffenheit des Raums und eventuelle Hindernisse darin, die den Schall reflektieren, kann der Hall geformt werden.
Der Weg durch das Plug-in
Füttert man Abbey Road Chambers mit einem Signal, so durchläuft dieses zunächst den S.T.E.E.D.-Aufbau. Der Anwender hat hier Zugriff auf Parameter wie Feedback-Stärke, Drive für den Tape-Saturation-Effekt und Modulation sowie die Delay-Zeit. Zusätzlich lässt sich der Klang mit einem 3-Band-Equalizer anpassen. Anschließend geht es durch ein Hi/Low-Pass Filter, das dem EMI RS106 nachempfunden wurde, sowie einem modellierten EMI RS127 Equalizer für etwas mehr Farbe im Klang. Zum Schluss durchläuft das Signal den Hallraum und wird dort mit eben jenem legendären Hall versehen. In dem Plug-in kann man hier zwischen drei Hallräume auswählen, die jeweils ihre eigenen Eigenschaften und Klang haben.
Der Aufbau des Raums und die Position von Mikrofonen und Lautsprecher werden dabei durch die teilweise interaktive Raum-Ansicht in der oberen Hälfte schön anschaulich dargestellt. Zusätzlich kann man in einem der Hallräume, der „Chamber2“, zwischen zwei Mikrofon-Typen sowie zwischen zwei Lautsprecher-Typen wählen und damit den Sound von „vintage“bis „modern“beeinflussen.
Über den großen „Reverb“-Regler in der Mix-Sektion lässt sich die Stärke des Hall-Effektes einstellen, so dass auch Effekte komplett ohne Hall nur mit S.T.E.E.D. oder der Filter-Sektion möglich sind. Zusammen mit dem Plug-in werden dem Anwender eine Menge Presets als Ausgangsbasis für klangliche Experimente mitgeliefert. Neben 11 „historischen“ Presets aus den Abbey Road Studios gibt es Dutzende Presets von verschiedenen Produzenten und Ton-Ingenieuren.
In der Praxis
Fans und Liebhaber von emuliertem, historischem Studio-Equipment kommen mit Abbey Roads Chambers definitiv auf ihre Kosten. Das schöne Retro-Gefühl, wenn man an den Knöpfen und Reglern dreht, stellt sich schnell ein. Klanglich ist das Plug-in auf jeden Fall für den Rock/ Pop-Bereich interessant, wenn es darum geht, akustischen Instrumenten, Drums oder Gesang einen Vintage-Hall-Anstrich zu verleihen. Hat man sowieso schon Dutzende British-EQ-Emulationen in der Effekt-Kette, dann ist Abbey Road Chambers quasi Pflicht.
Doch auch für andere Musikrichtungen - auch aus der elektronischen Ecke - lassen sich interessante Retro/Analog-Effekt erzielen. Dabei kann das Ganze beim Anspielen durchaus auch mal etwas schief klingen – Retro halt.
Ist man also auf der Suche nach einem Hall-Plug-in, das etwas Spezielles bietet, dann sollte man sich Abbey Road Chambers durchaus mal anschauen.
Allerdings muss auch klar gesagt werden: für Standard-Hall-Effekte ist Abbey Road Chambers nicht gedacht. Das ist aber in Ordnung, denn dafür gibt es dann Plug-ins von anderen Herstellern.
Fazit
Abbey Road Chambers ist übersichtlich gestaltet und lässt sich, vor allem auch durch die Visualisierung des Hall-Raums, sehr intuitiv bedienen. Die Einstellungsmöglichkeiten erlauben es dem Anwender, die Hall- und Delay-Effekte individuell für eigene Zwecke anzupassen.
Auch wenn das Plug-in zunächst sehr speziell erscheint, so lassen sich interessante und brauchbare Hall- und Delay-Effekte für eine Bandbreite von Musikrichtungen oder Instrumenten erzeugen. Abbey Road Chambers ersetzt jedoch keinen Standard-Hall- oder -Delay, sondern ist mehr als eine Erweiterung des Effekt-Horizontes zu sehen.