Test: Waverazor II
Slicing-Synthese – next level
Etliche Klangerzeuger kochen bewährte Konzepte auf. Sie bieten Klänge und Syntheseformen, von denen man eigentlich schon genug hat. Erscheint ein Synthesizer mit innovativer Klangparametrisierung, ist man höchstgespannt, ob er sich gut bedienen lässt und den persönlichen Soundpark bereichern kann. Einer dieser Exoten ist Waverazor. In der aktuellen Version 2 erlaubt er nun ausführliches Editieren von Klängen.
Sein Name ist Programm: Waverazor rasiert Wellenformen und produziert auf diese Weise sehr eigenständige, harsche Klangspektren. Das Innovative findet auf der Oszillator-Ebene statt. Der Software-Synthesizer zerschneidet den Wellenzyklus in mehrere einzelne Segmente – eine neue Methode, die als „Slicing-Synthese“bezeichnet wird. Die Segmente von Oszillator-Wellenformen lassen sich auch zur Erzeugung komplexer Sequenzen der Amplitudenmodulation – bei Waverazor als „Mutant AM“betitelt - nutzen. Die Wavetable-Oszillatoren erlauben zudem ein „Multi-Sync“, bei dem mehrere Hard-Sync-Punkte innerhalb eines Bruchteils eines Wellenformzyklus erzeugt werden. In Beat 10/2017 sprachen die Entwickler von Media Overkill über ihre vielversprechenden Ansätze und stellten ein umfangreiches Editor-Menü für ihr Baby in Aussicht. Bislang konnte Waverazor nur zum Abspielen von Presets herhalten. Für eigene Klangveränderungen dienten immerhin acht Makro-Regler, zwei XY-Pads und einen Effekt-Regler. Auf Dauer wünscht sich der Designer weitreichende Eingriffsmöglichkeiten. Nun ist es soweit.
Offener Tauchkurs im Edit-Modus
Der Editor überrascht zunächst durch ein kaum zu überschauendes Parameterarsenal und seiner gewöhnungsbedürftigen Oberfläche in blau-roter Farbgebung. Ein Nerd fühlt sich wohl, der durchschnittliche Synthesizer-Anwender wird zumindest die einzelnen Klangbausteine des Waverazor 2 erkennen und über die umfangreiche Modulationsoptionen staunen. Bis zu 192 Zuweisungen sind offenbar möglich, nahezu jeder Parameter ist modulierbar. Die Anzahl der LFOs und Hüllkurven ist mehr als genug, bei den drei Filtertypen warten ganz verschiedenartige Filtertypen (Tiefpass, Shaper, Decimator, etc.) auf ihren Einsatz. Insgesamt drei separate Effektmodule mit Kompressor, Delay und diversen Modulationstypen stehen bereit. Der Arpeggiator ist nicht programmierbar, sondern beschränkt sich auf klassische Auf-und-ab-Muster.
Lohnt sich der Editor für den Producer? Ehrlich gesagt, nicht wirklich. Mit den Macro-Reglern und vor allem mit den beiden XY-Pads auf der Hauptseite gelangt man schneller und musikalischer zu brauchbaren neuen Klängen. Sie müssen schon viel Geduld aufbringen und ein passionierter Sound-Designer sein, um diesen komplexen Editor wirklich gewinnbringend zu verwenden. Es ist aber ein Plus, nun auf das eine oder andere Detail unter der Haube eingreifen zu können.
Besondere Klangsynthetik
Nicht die Bedienung, sondern der Klang zeichnet ihn aus. Das Anspielen der Presets führt schnell zum Gesamteindruck, dass Waverazor aggressiv, giftig, bissig, grell, modulativ und im positiven Sinn künstlich klingt. Leider sind nicht so viele Klänge mit rhythmischen Strukturen vorhanden, wie es mit dem Slicing möglich wäre. Persönlich gefallen uns rauhere Wavetable-artige Klangabläufe. Für Soundeffekte ist der Synthesizer auch klasse. Allerdings machen die Effekte bei Waverazor keinen guten Job. Ein wichtiger Tipp ist es wohl, die internen Effekte abzuschalten und zumindest ein hochwertiges Reverb-Plugin zu bemühen. Viele der Presets werden so klanglich deutlich aufgewertet.
Electronica, Glitch, Future Pop sind einige Genres, für die Waverazor passendes Material liefert. Es ist eine gute Idee gewesen, Richard Devine für eine Soundbank mit rund 50 Presets zu engagieren. Mit seinem offensiven und experimentellen Programmstil betont er die typischen Klangfacetten des Waverazor 2.
Sehr praktisch und ein wichtiger Bestandteil des Preset-Angebots sind eine große Zahl an Templates. Mit diesen Vorlagen (verschiedene Oszillator- und Filtermodelle, auch Drumsounds sind vertreten) und den Macro-Reglern werden Sie zielstrebig auf eigene Klangideen kommen.
Fazit
Der Waverazor ist ein Synthesizer, der mit seiner speziellen Klangästhetik polarisiert. Liebhaber von Retro-Instrumenten werden ihn gern links liegen lassen, experimentierfreudige Musiker auf der Suche nach drastischen Klängen dürften ihn wiederum mögen. Mit seinem Oszillator-Konzept ragt er aus der Masse an Synthesizern heraus und trifft auf wenige direkte Mitbewerber. Klangliche Ähnlichkeiten finden sich bei Tonerzeugern mit Waveshapingoder Phase-Distortion-Synthese.
Als beste Empfehlung bleibt das Probieren der 30-tägigen Demo-Version. Erst so werden Sie selber herausfinden, ob ihnen die forschen Klänge liegen und wieweit Sie mit dem Editor warm werden. Waverazor 2 lässt jedenfalls Platz für Optimierungen. Für ein kommendes Major-Update ist vor allem eine übersichtlichere Benutzeroberfläche wünschenswert, auch ein gutes Reverb und eine Random-Funktion wären sinnvoll. Schließlich könnte auch der etwas zu stolze Preis korrigiert werden.