Filesharing – Label, Artist, Rezis
Bjarki: Happy Earthday
Die Musik des Isländers Bjark, der mit vollem Namen Bjarki Rúnar Sigurðarson heißt, hat zwar keine Texte, doch ist sie sehr wohl kritischer Natur und weist auf die zunehmende globale Umweltverschmutzung hin. Was wohl die Aliens auf dem Cover dazu sagen würden? Würden sie uns einen „Happy Earthday“wünschen? Was wir sicher sagen können, ist, dass das gleichnamige Album anspruchsvolle elektronische Musik bietet, die eher etwas für den Kopfhörergenuss als für den Dancefloor ist. Bjarki liebt offenkundig das Drehen an bunten Knöpfchen und Reglern und fördert Soundexperimente zutage, die meist eher abstrakt und bisweilen auch dissonant klingen. Das Album lässt sich grob zwischen Ambient, IDM und Downbeat-Rhythmen einordnen und sei allen empfohlen, die gerne etwas tiefer in elektronische Welten eintauchen.
Genre: Electronica | Label: !K7
Ah Cama-Sotz: I Believe
Das belgische Ein-Mann-Projekt Ah Cama-Sotz ist seit über 25 Jahren in den Weiten der elektronischen Musik unterwegs und steht für einen eigenständigen Sound, der sich nur schwer in eine Schublade einordnen lässt. Auf seinem neuen Longplayer liefert Mastermind Herman Klapholz wieder vielschichtige Musik, die von Techno über Ambient, Ethno und Tribal bis zu cineastischen Soundtrack-Klängen reicht. Die Scheibe klingt düster, episch, rituell und zitiert immer mal wieder Einflüsse aus Weltmusik und Goa. Und das alles auf hohem musikalischem und produktionstechnischem Niveau. Auch Sprachsamples werden wohldosiert und klug eingesetzt und führen mitunter zu einer gewissen Eingängigkeit. Eine spannende Reise in die eigenen Gedanken, die zu Hause und im Club funktioniert.
Genre: Tribal, Techno, Soundtrack | Label: Hands
Boy Harsher: Careful
Hinter dem Namen Boy Harsher verbirgt sich ein angesagtes Duo aus Northampton, Massachusetts, das für einen unterkühlen Retro-Sound steht. Die Musik erinnert an den Electro-Pop der 80er, kombiniert mit Cold Wave- und Dance-Klängen. Die Beats sind treibend, die Synths klingen analog und der Gesang ist bewusst monoton gehalten, wodurch sich ein Gefühl der Trostlosigkeit breitmacht. Doch trotz aller Hoffnungslosigkeit ist die Musik von Produzent Augusts Muller und Sängerin Jae Matthews tanzbar und ideales Club-Futter für den düsteren Underground. Einflüsse vermeint man bei Nitzer Ebb und DAF genauso zu hören wie bei Kraftwerk und den Eurythmics. Nicht leicht verdaulich, aber in seiner Sonderbarkeit irgendwie faszinierend.
Genre: Electro-Pop | Label: Nude Club/Rough Trade
Chasms: The Mirage
Mit ihrem zweiten Album, „The Mirage“, führt uns die US-amerikanische Band Chasms in ein Parallel-Universum, in dem die Zeit stillzustehen scheint. Jess Labrador und Shannon Madden orientieren sich an Dreampop, Shoegaze und Electronica und erzeugen einen schwerelosen Sound, der an Bands wie Beach House, Slowdive oder Cocteau Twins erinnert. Ob Gitarren, Synthies oder der entrückte Frauengesang, alles ist mit viel Hall und Delay versehen. Die Elemente schweben über einem Fundament aus einer Bassgitarre, die klanglich an The Cure erinnert, und interessanten Drum-Programmings, die durch Echoeffekte bisweilen interessante Polyrythmen bilden. Die Musik klingt reduziert und ruhig. Doch es muss gar nicht viel passieren, um den Raum auszufüllen und einen hypnotischen, Zeitlupen-artigen Sog zu erzeugen.
Genre: Dreampop | Label: Felte
Efdemin: New Atlantis
Der langjährige Berghain-Resident-DJ veröffentlicht mit „New Atlantis“seinen vierten Longplayer und irritiert zu Beginn mit dem irisch klingenden Stück „A Funeral Hymn For A Believer“aus dem Jahr 1780. Doch keine Sorge, Phillip Sollmann (so heißt er im bürgerlichen Leben) wendet sich im weiteren Verlauf wieder der zeitgemäßen Elektronik zu und präsentieren einen gelungenen, eher bedächtig klingenden Mix aus Deep Techno, Trance, Ambient und Drone, in den auch akustische Elemente wie Drehleier, Hackbrett, E-Gitarren, Orgeln oder Stimmen im Rezitativ eingebunden sind. Ein abenteuerlustiges und experimentelles, gleichsam aber gut durchhörbares Album, das ausgehend vom Techno spannende Sounds zeigt, die zwar kein „neues Atlantis“aufsteigen lassen, aber definitiv eine Empfehlung bekommen.
Genre: Techno, Ambient, Drone | Label: Ostgut Ton
Ladytron: Ladytron
Die letzten sieben Jahre war es still um die britische Band Ladytron, die ihren „Winterschlaf“dieser Tage mit einem fulminanten selbstbetitelten Comebackalbum beendet. Die 13 Tracks bieten interessant produzierten Electro-Pop mit ausdrucksstarkem Frauengesang, der mit einem Bein in den 80ern und dem anderen Bein in der Gegenwart steht. Der vor allem auf analogen Synthesizern und Drummachines basierende Sound der Liverpooler steckt voller verführerischer Melodien und tanzbarer Grooves. Die Songs sind warm produziert und gehen überwiegend treibend nach vorne. Als Gast konnte die Band, die bereits als Support-Act mit Nine Inch Nails und Björk auf Tour war, den Ur-Sepultura-Schlagzeuger Iggor Cavalera gewinnen. Wer Client oder die poppige Seite von Goldfrapp mag, sollte die Scheibe antesten.
Genre: Electro-Pop | Label: Ladytron Music/!K7
Susanna & The Brotherhood Of Our Lady: Garden Of Earthly Delights
„Garden Of Earthly Delights“ist bereits das 13. Album der norwegischen Künstlerin Susanna, die sich dafür von Bosch-Gemälden inspirieren ließ. Sie führt uns in die Welt von Sünde, menschlicher Schwächen, aber auch spiritueller Erlösung. Hier eröffnen sich unter der bedächtigen Oberfläche einige leidenschaftliche Wellen, die Freunde von Tori Amos, Björk oder Diamanda Galás erreichen sollten. Produziert wurde die Platte im Ocean Sound Studio in Norwegen – eine umgebaute Holzhütte auf einem Felsvorsprung oben über dem Wasser. Gemischt wurde sie von Koryphäe Andrew Scheps, der für einen wunderbar räumlichen, dynamischen Sound sorgte. Nicht nur für Kunstliebhaber empfehlenswert!
Genre: Piano, Pop, Experimental | Label: SusannaSonata/Cargo Records
The Green Man & Kingz: Changes
Der Kölner Produzent Heiner Kruse, der unter dem Künstlernamen The Green Man firmiert, betreibt bereits seit 22 Jahren das Drum’n’Bass-Label Basswerk. Dort veröffentlicht er zusammen mit dem Rapper Kingz (alias Kingsley Obeng) auch sein aktuelles Album „Changes“. Es schlägt die Brücke zwischen Drum’n’Bass und Electronica auf der einen sowie Hip-Hop und Soul auf der anderen Seite. Die Tracks sind abwechslungsreich und decken ein breites Spektrum von eher chilligen, nachdenklichen Sounds bis zu tanzbaren Nummern ab. Die Arrangements und die Produktion sitzen, denn alles klingt warm, satt und ausgereift und auch das Songwriting und die politischen, gesellschaftskritischen Texte wissen zu gefallen. Ein in mehrerlei Hinsicht „deepes“Album mit klarer Empfehlung.
Genre: Drum’n’Bass, Hip-Hop | Label: Basswerk
V.A.: Nothing Is Real
Nothing Is Real ist ein seit zwei Jahren bestehendes italienisches Electro-Label, das von Modular Project betrieben wird und das Schwesterlabel von Rebirth Records ist. Auf der vorliegenden Compilation stellen die Betreiber einige ihrer Bands vor und bieten damit einen interessanten Querschnitt durch die Genres House, Techno, Electronica, Indie und New Wave. Dabei sind The Mansisters (ein Projekt von Kasper Bjørke und Sexy Lazer), Alejandro Mosso, Local Suicide, Dharma, Eleonora, Low Manuel und Modular Project selbst. Insgesamt sieben Tracks, wobei das hypnotisch-sphärische „Nothing Is Real“von Modular Project, das technoid-tanzbare, düstere „Vesperines Unite“von Low Manuel und Local Suicide sowie der Pop/Trip-Hop-Hybrid „Call Out“von Elenora zu den Highlights gehören.
Genre: Electro, Techno, Indie | Label: Nothing Is Real
White Lies: Five
Die Briten White Lies begannen vor nunmehr zehn Jahren im Post Punk mit ihrem seligen Debüt „To Loose My Life ...“, eh sich ihre Entwicklung zunehmend in Richtung New Wave bewegte. Insbesondere die letzten beiden Alben „Big TV“und „Friends“waren zutiefst im Synth-Pop der 80er verwurzelt. Mit „Five“brechen die Londoner dieses Klangkorsett wieder etwas auf und orientieren sich auch am Prog Rock der 70er, was sich in einigen ausladenderen Songstrukturen äußert, wenngleich mit „Tokyo“auch ein Song zu hören ist, mit dem die Band Mut zu Kitsch-Pop und großen Gesten zeigt. Was auch „Five“auszeichnet, ist die Vorliebe für üppige Arrangements mit allerlei Synth-Ingredienzien und die fast immer hitverdächtigen Hooklines. Eine schöne Platte, wenngleich das Debüt unerreicht bleibt.
Genre: New Wave, Indie Rock | Label: PIAS