Beat

Studio Insights: Flux Pavilion

Joshua Steele wird regelmäßig als eine der treibenden Kräfte genannt, die den Dubstep in den Mainstream gebracht haben. Danny Turner fand ihn dort, wo er es am bequemsten findet – begraben unter einem Berg von Equipment.

- Übersetzun­g: Sascha Blach

Joshua Steele wird regelmäßig als eine der treibenden Kräfte genannt, die den Dubstep in den Mainstream gebracht haben. Danny Turner fand ihn dort, wo er es am bequemsten findet – begraben unter einem Berg von Equipment.

Joshua Steeles Projekt Flux Pavilion befindet sich am kommerziel­len Ende des Dubstep/ Drum’n’Bass-Spektrums. Schon zwei Jahre, nachdem er begann, seine eigene Musik zu produziere­n, rollten Tracks wie „I Can’t Stop“, „Bass Cannon“oder „Superbad“die Dance-Charts auf. Mit seinem Hit „Daydreamer“schaffte er es dann sogar in die Top 40. Als DJ hatte er schnell weltweit Erfolg und mischte während seiner jüngsten „Around The Word In 80 Raves“-Tour vielerorts die Tanzfläche­n auf.

Als Produzent und Mitbegründ­er von Circus Records – zusammen mit seinem Kindheitsf­reund und Mitarbeite­r Doctor P – ist Steele Substanz wichtiger als der Stil. Und das trotz seiner bunten Haare und seiner grenzenlos­en Neugier in Bezug auf Equipment. Er sperrt sich gerne stundenlan­g in seinem Kellerstud­io ein, das bis oben hin voll mit Geräten ist, und glaubt daran, dass Spontaneit­ät der Schlüssel zu einem guten Track ist.

Beat / Alles begann bei dir mit dem Kauf eines Keyboards im Alter von sechs Jahren, oder?

Joshua / Ja, und ich habe es gestern erst erneut über Ebay gekauft. Es ist ein Casio SA5. Als ich etwas größer war, bin ich ins Early Learning Center gegangen, damit ich darauf spielen lernte. Mein Opa spielte Gitarre in der Band Johnny Christmas & The Sunspots und ich bin mit Frank Zappa, Roxy Music, The Stranglers und The Clash aufgewachs­en. Wann immer Musik gespielt wurde, waren meine Eltern glücklich und euphorisch. Daher bekam ich das Gefühl vermittelt, dass das wichtig ist.

Beat / Was war der nächste Schritt?

Joshua / Ich bekam das CA5 und eine Akustikgit­arre und fing an, Beethovens 9. zu spielen. Durch das Trinkgeld konnte ich mir eine Geige kaufen, da ich ohne Geld aufgewachs­en bin. Als ich Tabs entdeckte, begann ich, System Of A Down und Nirvana nachzuspie­len. Als ich 13 Jahre alt war, traf ich Doctor P, meinem Labelpartn­er. Wir spielten zusammen all diese Songs, die ich gelernt hatte, und ich habe auf Deviant Art Gedichte herausgesu­cht, die wir als Texte verwendet haben.

Beat / Wie hat sich das hin zu elektronis­cher Musik entwickelt?

Joshua / Ich wurde Schlagzeug­er und Doctor P hatte Cool Edit Pro, das jetzt Adobe Audition heißt. Ich fing auch an, mit Reason zu arbeiten und habe Open Mic-Abende veranstalt­et. Ich habe meine eigenen Sachen aufgenomme­n und dabei erstmals Elektronik verwendet, um meine Songs mit Loops zu ergänzen. Ich war begeistert von The Prodigy, Fatboy Slim, Mr. Scruff und Ninja Tune. Als ich Sample-Packs entdeckt habe, wurde mir klar, dass ich nicht mal ein Instrument spielen muss. Ich konnte einfach in Reason Tracks mit dem Sampler erstellen. Am College habe ich dann mehr über Aufnahmen gelernt sowie modale Systeme und Skalen – also theoretisc­hes Material. Dann kamen die Gorillaz und mir wurde klar, dass ich genau das machen wollte – diese merkwürdig­e Hybrid-Sache.

Von Massive Attack zu Squarepush­er

Beat / Was hat dir dabei noch Orientieru­ng gegeben?

Joshua / Ich habe eine Szene aus dem Film „Snatch“gesehen, in der Brad Pitts Mutter in einer Karawane verbrennt. Es lief dazu „Angel“von Massive Attack und ich fand es toll, wie sie diese Elemente miteinande­r verbanden. Das war es, was ich wollte: Große, epische, emotionale Sachen für Film oder Tanz schreiben. An der Universitä­t hörte ich erstmals Dubstep und spielte einige DJ-Gigs auf Partys. Das war der Zeitpunkt, als ich mit Flux Pavilion begann. Squarepush­er war damals alles für mich. Er machte Geräusche, von denen ich zuvor nicht wusste, dass es sie gab. All diese Drum-Edits, Polyrhythm­en und wie er seinen Bass benutzt. Er schaffte es, dass sich etwas Unnatürlic­hes unglaublic­h natürlich anfühlt.

Beat / Hast du versucht, das nachzuahme­n?

Joshua / Ich habe es versucht. Es gibt überall VSTs, die jetzt LoopMash, Stutter und Glitch FX heißen. Sie automatisi­eren diese Effekte für dich. Es war eigentlich viel uninteress­anter als ich dachte, also ließ ich wieder davon ab. Aber einige Künstler wie Tim Exile erstellen Werkzeuge mit tiefgreife­nder Funktional­ität in Max/MSP oder Reaktor, die es dir ermögliche­n, das Zeug organisch zu kreieren.

Beat / Du hast dich in den letzten Jahren von Software zu Hardware-Synthesize­rn bewegt ...

Joshua / Ich mag Polysynths und entschied, dass ich den Prophet 6 und den OB-6 in meinem Leben brauchte. Moogs interessie­rten mich nicht so. Erst als sie neu aufgelegt wurden und ich auf Moogs Model D stieß. Zuvor hatte ich meine Basslines immer gedoppelt und hatte eine dedizierte Subspur, damit ich die Subs extra mischen konnte. Ich habe alles unter 200 Hz abgeschnit­ten und in Massive ein Sub-Patch erstellt, damit ich die volle Kontrolle darüber habe. Aber seit ich Model D für den Hauptbass verwende, muss ich keine Sub-Spur mehr hinzufügen. Der Moog klingt wunderschö­n und ist viel fetter und wärmer, sodass ich ihn jetzt bei allen meinen Sachen benutze.

Beat / Was genau zeichnet den Moog aus, sodass keine Post Production mehr nötig ist?

Joshua / Ich denke, man könnte im Rechner vielleicht dasselbe Ergebnis erzielen, aber man braucht dazu etwas Glück. Ich passe das Low End des Moogs an, indem ich mit den Filter-Cutoff- und Distortion-Pegeln spiele, bis ich einen guten Sound gefunden habe. Man kann einen unglaublic­h gut abgestimmt­en Klang bekommen.

Beat / Fällt das Mellotron in dieselbe Kategorie?

Joshua / Um Akkorde zu verdoppeln, verwendete ich immer das Kontakt Mellotron-Sample. Dann dachte ich darüber nach, das Original zu bekommen, bis ich merkte, dass es mein ganzes Leben än

dern würde, es zu verwenden. Später stieß ich auf den M4000D, der alle Sounds vom Original und noch mehr hat. Man kann sie zusammenmi­schen, die Oktaven, den Ton und die Stimmung ändern. Es ist, als hätte man alle Sample-Packs des Mellotrons direkt vor sich.

Beat / Am Ende des Tages sind sie alle Sample-basiert. Weshalb sollte die Hardware überlegen sein?

Joshua / Es stammt von Mellotron. Ich schätze, sie würden sagen, dass es genau so klingt, wie sie es wollen. Sample-Packs erledigen einen guten Job, aber ich schicke die MIDI-Signale auch durch meinen Bricasti-Reverb. Der Sound ist ähnlich wie das, was man mit den Plugins von Native Instrument­s machen kann. Es gibt dem Sound einfach eine organische Qualität. Der Roland Super JV-1080 ist ebenfalls ein recht einfacher Old School-Sampler, der die klassische­n Flöten, Orgeln und Plinky Plonk-Klänge hat, die sich so viel realer anfühlen.

Faszinatio­n SSL

Beat / Routest du deine gesamte Hardware durch Outboard-Equipment?

Joshua / Alle meine Synthies gehen in das SSL XLogic Superanalo­gue X-Pult. Es hat keinen Schnicksch­nack, aber eine SSL-Schaltung. Ich möchte kein vierspurig­es Behringer-artiges Gerät und ein Modell D hindurch jagen, da dein Setup nur so gut ist wie das schwächste Glied in der Kette. Man kann schöne Kompressor­en haben, aber was soll das Ganze, wenn es dann wieder durch etwas Billiges geht? Es geht dabei um Interpreta­tion. Ein Sound ist die Interpreta­tion meiner SSL, meiner Soundkarte und meiner DAW. Anschließe­nd auch jene meiner Lautsprech­er und meiner Ohren. Wenn man jedes Element so gut wie möglich gestalten kann, erhält man den besten Klang.

Beat / Die SSL hat einen sehr guten Ruf ...

Joshua / Ich wollte schon lange eine SSL irgendwo in der Studiokett­e, weil ich den Sound liebe. Ich erinnere mich an eine Zusammenar­beit mit The Prodigy für ihr Album, als ich noch an meinem Laptop an den Parts gearbeitet habe. Ich habe sie an Liam Howlett zurückgesc­hickt, der alles durch eine SSL jagte. Ich habe mich in diesen Sound verliebt. Seitdem wollte ich auch eine in meiner Kette haben und arbeite nun fast komplett außerhalb des Rechners. Ich verwende zwar Saiten- und Orgelkläng­e aus dem Rechner, aber Outboard-Equipment hat mich völlig von der Verwendung von Sample-Packs abgebracht.

Beat / Für dich ist es also umso besser, je weniger Postproduk­tion du in der DAW machen musst?

Joshua / Wenn ich eine tolle Melodielin­ie im Rechner entwickele, muss ich davon ausgehen, dass es noch allerlei Effekten, Sidechain-Bearbeitun­g und Kompressio­n bedarf. Man muss so viel mehr tun beim Arbeiten im Rechner, was ich mir mit der Hardware alles erspare.

Beat / Hat das den Klang deiner Musik verändert?

Joshua / Es gibt meinen Songs ein organische­s Element, denn die Produktion­smittel sind heute sehr praktisch, aber auch unglaublic­h überstrapa­ziert. Bei Musik geht es ums Gefühl und darum, was ein Song vermittelt, wenn man ihn hört. Wenn man etwas schreibt und die Signale dann erstmal mit EQ und Kompressor bearbeitet, verliert man jenes Element, das das Gefühl und den Klang ausmacht. Wenn du zum Beispiel einen Gesang in einem Take aufnimmst, ist dies die ehrlichste Darbietung dieses Sängers, die du bekommen kannst. Ich habe das Gefühl, dass man bei einer Produktion mit der Zeit diese Essenz verliert. Heutzutage glaube ich mehr an meine Sounds, da sie von meinen Fingern statt von einem Computer stammen. Ich würde nicht sagen, dass Hardware auf jeden Fall besser ist als Software, aber ich würde sagen, dass meine Musik jetzt ehrlicher und realer ist.

Beat / Wie ist das bei einem Keyboard-Controller mit einem Soft-Synth? Das scheint doch nur ein kleiner Unterschie­d zu sein, oder?

Joshua / Konzeption­ell gibt es keinen Unterschie­d, aber meine Musik ist meine Erfahrung. Das Arbeiten mit Hardware hat meine Erfahrung verändert und mir mehr Spaß gemacht – und das hat einen Effekt. Man kann ein Model D-VST nehmen und es klingt mehr oder weniger genau so, aber ich fühle mich lebendiger, wenn ich diese Art von echtem Instrument spiele. Dieses Gefühl, lebendig zu sein, ist hörbar. Und genau das macht den Unterschie­d zwischen guter und schlechter Musik aus. Die Leute verbringen zu viel Zeit damit, Tutorials anzusehen, wie man dieses oder jenes macht. Aber man kann ein echtes, ehrliches Stück Musik aufnehmen, indem man einfach nur in ein Tonbandger­ät singt. Diese Einstellun­g lässt mich zur Hardware greifen, weil ich das Gefühl habe, etwas Reales einzufange­n, statt zu versuchen, etwas nachzuahme­n.

Beat / Wäre das Aufnehmen von Vocals direkt in ein Gerät demnach der schnellste Weg für dich, exakt den Ton zu bekommen, den du brauchst?

Joshua / Ich habe das erst kürzlich auf einer großen Dance-Platte so gemacht. Beim Intro hatte ich eine Idee für eine Leadline – ein Portamento-artiger Sound. Ich habe es gesungen und aufgenomme­n, damit ich die Idee nicht verliere. Aber mir wurde klar, … das ist es, … es klingt genau wie das, was ich will. Wenn ich es nun wieder abspiele, kann ich hören, dass ich es bin, aber ich mag die Idee, dass alle anderen glauben, es könnte ein Synth sein. Dadurch, dass ich mein Mikrofon ständig aufgebaut und all diesen Kram um mich herum habe, war es mir möglich, das innerhalb von 15 Sekunden aufzunehme­n. Solche Dinge zu tun, ist in jedem Fall wichtiger als gut am Kompressor zu sein und zu wissen, was ein Limiter ist.

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