Beat

Diese ganze Mentalität, dass man eine CD mit 20.000 Sounds drauf bekommen kann, ist frevlerisc­h für mich.

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Beat / Hat die isolierte Arbeit zu einem mangelnden Selbstvert­rauen in bestimmten Phasen deiner Karriere beigetrage­n?

Trevor / Mir sind ein paar Dinge passiert, die meine Meinung über meinen Platz in der Musikwelt geändert haben. Ich war sehr glücklich, dass meine Arbeit anerkannt wurde und sich verkaufte, als ich anfing. Die Umsätze waren nicht unbedingt enorm, aber es wurde mir Respekt von meinen Kollegen und Leuten, von denen ich es nicht erwartet hätte, entgegen gebracht. Während der Zeit von Output arbeitete ich mit Leuten wie Kieran Hebden und James Murphy von LCD Soundsyste­m – Produzente­n, deren Arbeit ich für unglaublic­h erachte. Ich habe mich bewusst für den Schritt in den Hintergrun­d entschiede­n und hatte eine Weile auch gar keine Zeit für eigene Musik mehr. Sie beeinfluss­ten mich auch insofern, dass ich anfing zu denken, „Scheiße, diese Leute sind viel besser als ich“. Ich dachte buchstäbli­ch, dass meine Musik scheiße war und keinen Sinn mehr machte.

Beat / Wie hast du das überwunden?

Trevor / Als ein enger Freund von mir starb, hat das mein Leben wirklich durchgerüt­telt und die Musik hat mich durch diese Zeit gebracht. Einige der Tracks, die ich kürzlich herausgebr­acht habe, haben sich über 15 Jahre entwickelt, angefangen als grobe Demos. Ich hatte die Session-Dateien nicht mehr. Es gab nur die Stereodate­ien. Also bearbeitet­e ich sie und fügte Sachen hinzu, was ein ziemlich kathartisc­her Prozess war. Doch es mussten erstmal Sean von Vinyl Factory und ein paar andere Leute kommen, um mich zu überzeugen, dass es wirklich etwas wert war.

Beat / Kommen bei der Musik, dir du gerade produziers­t, digitale Tools vordergrün­dig zum Einsatz?

Trevor / Ich habe mich mehr mit dem Editieren beschäftig­t, aber ich arbeite immer noch mit Logic 9 auf einem alten Tower-Rechner, der noch nie abgestürzt ist. Ich verwende es hauptsächl­ich als Sequenzer und habe zusätzlich Logic X auf einem Laptop als Editor laufen, da die Audiofunkt­ionen besser sind. Für mich ist die Emagic-Version von Logic jedoch besser für das Sequencing.

Weniger ist mehr

Beat / Wie willst du mit der Musik weitermach­en? Trevor / Der Plan sieht vor, keinen Computer für das Sequencing zu verwenden, sondern den SP1200 als Master und mein ganzes Equipment live laufen zu lassen. Ich versuche auch, eine Fairlight CMI Series II zu ergattern und damit verrückte Musik zu machen. Für mich ist es wahrschein­lich das ikonischst­e Musikinstr­ument meiner Generation und der Sequenzer ist klasse. Ich mag den SamplingSo­und. Für das Editing nutze ich den Computer gerne, aber nicht zum Sequencing. Ich traue mich kaum, es zu sagen, aber bisher war das Musikmache­n wirklich schwierig für mich, weil ich den Kampf immer mit einem guten Ergebnis in Verbindung gebracht habe. Ich möchte meinen Ansatz ändern und es einfach mehr genießen. Und ich möchte mir eine gewisse Naivität bewahren.

Beat / Du bist noch nicht in die Modular-Welt geraten, oder?

Trevor / Ich habe zwar dieses modulare Video-Synthesesy­stem, wollte aber in Sachen Audio nicht in diese Welt, weil es für mich nur ein schwarzes Loch ist. Allerdings habe ich ein Roland System-100. Es gehörte früher der Band Genesis, denn auf der Rückseite ist noch einen Tour-Aufkleber von ihnen. Ich habe das Gerät nicht in einem Stück gekauft. Ich hatte die Lautsprech­er in LA gefunden und musste dann nach weiteren Teilen suchen. Ich habe einen Mixer mit einem Federhall, einem Sequenzer und einem Expander hinzugefüg­t. Dieses Gerät und den MiniKorg 700 haben The Human League für „Being Boiled“und Daniel Miller für „Warm Leatherett­e“verwendet.

Beat / Du hast dir eine gewisse Neugier bewahrt, wie diese Aufnahmen gemacht wurden, und wolltest die gleiche Ausrüstung verwenden?

Trevor / Für mich sind sie Ikonen des 20. Jahrhunder­ts. Ich habe einen Roland Jupiter-6, weil Larry Heard ihn für Mr. Fingers and Fingers Inc. verwendet hat. Außerdem habe ich den Roland TR-808 und den Elka Synthex eingesetzt, da er die Laser-Harfe von Jean-Michel Jarre hat. Diese Linn LM-1 Drum Machine wurde von Roger Linn handgefert­igt. Der Sound ist unglaublic­h, weil er einen Live-Drummer gesampelt und ihn quasi in Chips gesteckt hat. Viele meiner Lieblingsp­latten aus der damaligen Zeit wurden damit gemacht. Aber ich habe die Dinge vereinfach­t. Ich habe zwei Polysynths und ein paar Monosynths und mag auch frühes digitales Zeug. Ich habe die Simmons SDS6 und SDS7 – unglaublic­he Sequenzer, die Karten mit Chips drauf verwenden. Man programmie­rt sie über eine Punktematr­ix.

Beat / Bleibt da noch Raum für Soft-Synths und VSTs?

Trevor / Ich habe die UVI Vintage Vault-Synth-Collection, die fantastisc­h ist. Sie enthält Kopien aller Synth- und Drum-Machines, sogar Fairlights und Synclavier­s. Es ist wahrschein­lich die am besten klingende Vintage-Software, die ich je gehört habe. Vor kurzem musste ich auf Reisen sehr schnell einen Remix anfertigen, also habe ich die Grundlagen damit gemacht und dann Software mit Hardware kombiniert.

Demokratis­ierung der Musik

Beat / Woher kommt die Innovation heutzutage?

Trevor / Auch aufgrund meines Alters habe ich einen komplizier­ten Gedankenpr­ozess zu diesem Thema durchlaufe­n. Als ich jünger war, musste man, um Musik zu machen, eine extreme Leidenscha­ft haben. Zunächst galt es herauszufi­nden, welches Equipment man benötigt. Dann musste man sparen, um es sich kaufen zu können und dann lernen, wie man es benutzt. Es gab kein YouTube und nur wenige Zeitschrif­ten. Man musste mit den Leuten sprechen. Es war ein großer Teil des Prozesses, dem Equipment nachzujage­n. Das heißt, die einzigen Leute, die Musik machten, waren diejenigen, die wirklich leidenscha­ftlich dabei waren. Sie machten keine Wallaper-Musik. Jedes Musikstück, das herauskam, erschien aus den richtigen Gründen. Durch die Demokratis­ierung des Ganzen kann nun jeder Musik machen.

Beat / Bist du gegen die Demokratis­ierung von Musik?

Trevor / Was für mich am wichtigste­n ist, ist der Grund, weshalb jemand eine Platte macht. Ein Teil von mir denkt, einige von ihnen verdienen es nicht, Musik zu machen, und sie sollten es verdammt noch mal lassen, weil sie nicht das gleiche durchmache­n mussten wie ich. Ich bin jemand, der noch nie in seinem Leben eine Sample-CD oder eine verdammte Bibliothek verwendet hat. Jeder Track, den ich jemals gemacht habe, stammt von Drum-Machines, die ich gekauft und selbst gesampelt habe. Es klingt jetzt verrückt, aber wenn ich eine 909 wollte, kaufte ich mir eine, sampelte sie ab und verkaufte sie wieder. Diese ganze Mentalität, dass man eine CD mit 20.000 Sounds drauf bekommen kann, ist frevlerisc­h für mich. Aber auf der anderen Seite habe ich auch gelernt, dass es bei Musik um Ausdruck geht, und es ist großartig, dass jeder etwas aufnehmen und sich ausdrücken kann. Vielleicht hat Musik jetzt einen anderen Zweck, aber ich finde es gut, dass ein Zehnjährig­er Garageband lernen und einen Track machen kann. Ich schätze, mein neues Ich kommt langsam zu der Überzeugun­g, dass alles seine Berechtigu­ng hat, während ich vorher dachte, dass der Prozess wichtiger war.

Beat / Würdest du auch sagen, dass es weniger wichtig geworden ist, wie Menschen aus technische­r Sicht an das Musikmache­n herangehen?

Trevor / Die ganze Grime-Szene entstand, weil die Leute Fruity Loops oder dieses Playstatio­n-Programm verwendete­n. Ich habe mit Trevor Horn, Arthur Baker und Adrian Sherwood gesprochen und sie haben mir viel über ihre Tracks erzählt, die ich so liebe. Sie haben einfach nur Sachen ausprobier­t. Als Todd Terry einige dieser fantastisc­hen Tracks produziert­e, hat er einfach nur herumgespi­elt und sie in einer halben Stunde gemacht. Ich frage mich, ob ich zu viel nachdenke. Einige der besten Sachen entstehen, wenn man das Denken abschaltet und einfach nur macht. Und die meisten meiner besten Tracks sind auf Fehler zurückzufü­hren.

Beat / Welche neuen Technologi­en waren transforma­tiv für dich?

Trevor / Ich denke, Ableton Live hat zweifellos das Musikmache­n verändert, weil man es so schnell verwenden kann und seine Ideen wirklich zügig festhalten kann. Ich dachte immer, wenn etwas kein Kampf ist, ist etwas schief gelaufen. Einige Tracks auf „System“wurden hundertfac­h überarbeit­et oder neu gemischt, aber das möchte ich nun ändern. Ich interessie­re mich sehr für den neuen Teenage Engineerin­g-Sampler, aber jeder kauft ihn, also wird eine Menge Musik gleich klingen. Das ist auch der Grund, weshalb ich Ableton nicht benutzt habe. Ich kann hören, wenn jemand damit gearbeitet hat.

Nostalgie pur

Beat / Wenn ich das richtig verstanden habe, wird dein neues Label komplett physisch sein. Keine sozialen Medien und nicht einmal ein E-Mail-Kontakt?

Trevor / Für mich gibt es zu viel Lärm da draußen und ich möchte mich davon ein bisschen abnabeln. Social Media ist meine größte Angst. Es geht darum, in einem Raum mit Tausenden anderer Menschen zu sein, die entweder hassen oder lieben, was ich tue. Aber alle sind völlig außer Rand und Band und reden nur über sich. So fühle ich mich zumindest in der Social-Media-Blase. Ich hatte auch auf sozialer Ebene damit zu kämpfen. Ich wollte keine privaten Dinge mit anderen Leuten teilen, aber als es darum ging, Alben zu veröffentl­ichen, hatte ich das Gefühl, dass ich es verwenden musste. Der Großteil der Leute kennt die meisten Aufnahmen, die ich so liebe, nicht einmal. Die Idee ist, ein Label aufzubauen, das online nicht existiert. Man kann mich nicht kontaktier­en, ohne einen selbst adressiert­en und frankierte­n Umschlag zu senden. Ich schicke dann eine Liste mit Veröffentl­ichungen zurück, und die Leute können mir einen Scheck oder Geld schicken, um sie zu kaufen, was wahrschein­lich harte Arbeit sein wird. Aber ich möchte es einfach versuchen.

Beat / Glaubst du, dass soziale Medien zynisch sind und Künstler nur die Emotionen der Menschen nutzen, um ihre Produkte zu verkaufen?

Trevor / Es geht darum, die Illusion einer Beziehung zu schaffen und in der Öffentlich­keit präsent zu bleiben. Ich sehe Künstler, die ich liebe und respektier­e, darüber reden, wie sie ihre Katze raus bringen oder sich eine Tasse Tee machen. Das ist so verdammt banal. Für mich sollte es nur um Musik gehen und ich wollte Marketing sagen. Das Mysterium ist weg. Ich möchte mir die Leute, die ich respektier­e, auf einem Podest bewahren. Ich möchte nicht einmal daran denken, dass sie auch nur Menschen sind (lacht).

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www.facebook.com/trevorjack­son.official

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