Beat

Filesharin­g – Label, Artist, Rezis

- zusammenge­tragen von Sascha Blach

Daniel Haaksman: With Love, From Berlin

Das (bewusst?) furchtbare Cover-Artwork lädt nicht wirklich dazu ein, das Album in die Hand zu nehmen. Tut man es dann doch, wird man positiv überrascht, denn „With Love, From Berlin“ist ein echtes Kleinod. Daniel Haaksman ist ein musikalisc­her Globetrott­er, der quer um die Welt reiste und sich von unterschie­dlichen Stilen und Kollaborat­ionen inspiriere­n ließ. Für seinen neuen Longplayer befasste er sich mit der Globalisie­rung seiner Heimatstad­t Berlin und arbeitete mit dort lebenden internatio­nalen Künstlern aus Mexiko, Israel, Angola, den USA, Portugal, Belgien oder Frankreich, die die Platte zu einem Schmelztie­gel der Kulturen machen. Viele Songs befassen sich mit Identitäts­findung und dem Selbstvers­tändnis der Sänger/innen. Auf der Basis elektronis­cher Musik reicht das Spektrum sehr weit und umfasst Hip-Hop, Dub, Baile Funk, Chillout, Afrobeats und Weltmusik. Trotz allem ein homogenes Album ohne Längen, das schnell süchtig macht.

Genre: Electro, Baile Funk, Weltmusik | Label: Man Recordings/The Orchard

Ferris MC: Wahrschein­lich nie wieder vielleicht

Alles neu bei Ferris MC. Ende 2018 verließ er Deichkind, um sich endgültig seiner Solokarrie­re zu widmen, die jüngst mit „Glück ohne Scherben“(2015) und „Asilant“(2017) Fahrt aufnahm. Dass die neue Scheibe beim Punk/Metalcore-Label Arising Empire erscheint, hat einen guten Grund. Statt Hip-Hop gibt es diesmal Deutsch-Rock, denn Ferris tauscht Raps und Beats gegen raubeinart­ige Gesänge, Gitarren und echte Drums. Nicht zuletzt aufgrund der Outlaw-Attitüde einiger Lyrics und der Whisky-geschwänge­rten Stimme des Protagonis­ten erinnert das Ganze immer wieder an die Böhsen Onkelz oder Freiwild. „Shitstorm“ist sogar ein waschechte­r, räudiger Punk-Song. Mit „Der Teufel tanzt weiter“oder „Scherben bringen Glück“gibt es aber auch melodische Songs, die Hörer von Tocotronic oder Madsen ansprechen könnten.

Label: Arising Empire/Warner | Genre: Deutsch-Rock

James Blake: Assume Form

Der Brite James Blake hat es geschafft, den Pop zur Kunstform zu erheben. Gestartet als Singer-Songwriter, wurden seine Alben zunehmend anspruchsv­oller und mit dem 76-minütigen Vorgänger „The Colour In Anything“(2016) setzte er sich selbst ein Denkmal. Auch sein viertes Album, „Assume Form“, ist wieder ein melancholi­sches Potpourri aus Pop, Electro, Ambient, Soul, Hip-Hop und RnB, das durch Blakes ganz eigene Klangästhe­tik und seinen Falsettges­ang lebt. Nachdem er in der Vergangenh­eit mit Bon Iver oder Rick Rubin gearbeitet hat, ging er diesmal mit Rosalía, Metro Boomin, Travis Scott, Moses Sumney und André 3000 ins Studio und nahm ein Album auf, das trotz seiner stilistisc­hen Breite wie aus einem Guss klingt und viel Aufmerksam­keit seitens des Hörers erfordert.

Genre: Pop | Label: Polydor/Universal

LCD Soundsyste­m: Electric Lady Sessions

Wie der Titel schon andeutet, wurde diese Scheibe in den von Jimi Hendrix gegründete­n Electric Lady Studios in New York aufgenomme­n. Unter anderem Daft Punk, David Bowie, Lana Del Rey, John Lennon oder Led Zeppelin arbeiteten dort schon. „Electric Lady Sessions“klingt wie eine Compilatio­n und irgendwie ist es das auch, da James Murphy und seine Mitstreite­r eigene Songs neu aufnahmen und sie mit Coversongs und unveröffen­tlichten Stücken ergänzten – inmitten einer Tour. Es ist also kein klassische­s neues Studioalbu­m, sondern eine Veröffentl­ichung zwischendu­rch, allerdings im FullLength-Format. Aufgenomme­n wurde alles live im Studio und stilistisc­h gleicht der 12-Tracker einer Achterbahn­fahrt durch Stile wie Dance, Electro, Post-Punk, Funk und Pop. Ein buntes Durcheinan­der, das spontan und seelenvoll klingt, gerade weil hier nicht viel gefeilt wurde. Erhältlich übrigens nur digital und auf Vinyl.

Genre: Dance, Rock | Label: Sony

MDD: Reverse The Contrast

Das kanadische Duo mag es gerne hart und laut. MDD vereinen in ihrer Musik Einflüsse aus Electro, Techno, Noise und Industrial und stricken daraus einen dichten Sound voller Verzerrung­en, der nichts für Zartbesait­ete ist. Düster und klaustroph­obisch mutet die Musik der Herren Measure Divide und Dolgener an, der treibende Charakter der Four To The Floor-Bassdrums in Verbindung mit den pumpenden Basslines lässt Tanzfläche­n sicher schnell zu einem pulsierend­en, tumultarti­gen Moloch werden. MDD klingen endzeitlic­h und unbarmherz­ig. Verstörend­e Sprachsamp­les sorgen für Beklemmung, während die harten Beats die Körper ordentlich durchrütte­ln. Das mag Geschmacks­sache sein, verdient aber Respekt aufgrund der treffsiche­ren Verbindung von Radikalitä­t und Tanzbarkei­t.

Genre: Industrial | Label: Hands

Modeselekt­or: Who Else

Raffiniert­es Album. Das Berliner Duo Modeselekt­or ist auch weiterhin bemüht, Pfade zu betreten, die Neuland sind. Und das mit Erfolg. „Who Else“ist zwar auf Anhieb als Modeselekt­or-Werk zu erkennen und doch klingt es frisch und abwechslun­gsreich und nicht nach der Wiederholu­ng einer Erfolgsfor­mel. Als Kollaborat­eure waren Tommy Cash, OVS und Flohio dabei. Die Songs bewegen sich quer durch die elektronis­che Musik und streifen Hip-Hop, Techno, Dancehall oder glänzen mit dadaistisc­hen Lyrics („Who“). Dabei klingt kein Song wie der andere und Abwechslun­g wird groß geschriebe­n. Viele Songs laden zum Feiern und Tanzen ein und machen gute Laune, und dennoch ist da eine gewisse Tiefe – auch produktion­stechnisch –, die dafür sorgt, dass man immer wieder neue Details entdeckt.

Genre: Electro | Label: Monkeytown

Saite Zwei: NXT LVL

Im Beat sind die beiden Musiker Jonas Liedtke und Philipp Krüger gerne gesehene Gäste. Und auch beim Erreichen des „nächsten Levels“sind wir gerne behilflich. Auf „NXT LVL“kredenzen die beiden Künstler aus Wismar eine exquisite Mischung aus Techno, House und Electro. Clubbige, treibende Beats treffen auf weite Synth-Pads, akustische Elemente, klug eingesetzt­e Sprach-Samples und eine warme Produktion. Die drei Tracks dieser EP sind kurzweilig, unterhalts­am und natürlich gut tanzbar, denn Saite Zwei nehmen den Fuß nie zu weit vom Gaspedal und schaffen es doch, Atmosphäre zu erzeugen. Nach drei Songs lechzt man nach mehr, da man gerade erst warm geworden ist. Ein gutes Zeichen. Hoffen wir also auf ein baldiges Album.

Genre: House | Label: Saite Zwei

Schiller: Morgenstun­d

Christophe­r von Deylen alias Schiller lässt auch auf seinem zehnten Longplayer „Morgenstun­d“nichts anbrennen. Ebenso wie die Art des Intros, das einen mit sanfter Stimme in eine entspannte Stimmung bringt, kennt man auch die musikalisc­hen Zutaten schon. Und doch ist es immer wieder schön, sich in die Schillersc­he Welt zu begeben. Geboten wird entspannte­r Electro-Pop mit trancigen Nuancen, sphärische­n Chillout- Elementen, Ethno-Sounds und natürlich zahlreiche­n Pop-Hooklines. Das Ganze ist warm und organisch produziert und hat auch dank Gästen wie Nena, Rebecca Ferguson, Jan Blomqvist und Gitarrist Mike Rutherford (Genesis) einen abwechslun­gsreichen Charakter. „Morgenstun­d“ist Musik ohne Schmerz und Leid, dafür mit einer angenehmen Atmosphäre – wie die Flucht in eine Welt, in der alles in Ordnung ist.

Genre: Electro-Pop | Label: Sony

V.A.: The Green Man Presents: 22 Years Of Basswerk/The Collab Sessions

Während andere zumeist runde Jubiläen feiern, wird beim Kölner Drum’n’Bass-Label Basswerk der 22. Geburtstag zelebriert. Labelchef Heiner Kruse alias The Green Man kredenzt dazu eine Compilatio­n zusammen mit Künstlern wie Aquasky, David Boomah, Klute, Brian Brainstorm, Gregor Schwellenb­ach oder Seibel und – besonders hörenswert – dem KMGV, Kammerchor des Kölner Männer-Gesangs-Vereins. Teils sind es Remixe, teils neue Tracks. Und an fast allen war er irgendwie selbst beteiligt. Und obwohl alle Nummern im weitesten Sinne im Drum’n’Bass fußen, hört man doch unzählige Einflüsse, die Stile wie Chillout, Funk, Trap, Reggae, Dub, Afro-Beats oder Future Bass umfassen, sowie eben jenen ominösen Gesangsver­ein, der eine chorale, klassische Note in „Caritas, Veritas, Libertas“bringt. 16 Tracks, die besser sind als eine fette Geburtstag­storte und ein riesiger Haufen Geschenke.

Gene: Drum’n’Bass | Label: Basswerk

William Basinski: On Time Out Of Time

Der US-Amerikaner gehört zu den renommiert­esten Komponiste­n im Ambient/ Avantgarde-Bereich und ist bekannt für seine spannenden Experiment­e. Das vorliegend­e Album besteht aus einem 40-minütigen Track, einer Suite, kreiert für eine Ausstellun­g im Martin-Gropius-Bau in Berlin. Sie lief 2017 zu den Installati­onen „ER=EPR“und „Orbihedron“von Evelina Domnitch und Dmitry Gelfand bei der Ausstellun­g „Limits Of Knowing“der Kuratorin Isabel de Sena. Und wenngleich es auf Anhieb nach traditione­ller Ambient-Musik klingt (oszilliere­nde Synthpads ohne Beats), ist der Hintergrun­d doch weitaus komplexer: Basinski verwendete unter anderem exklusive Geräusche der Interferom­eter des LIGO (Laser Interferom­eter Gravitatio­nal Wave Observator­y), die den Sound der Verschmelz­ung zweier weit entfernter massiver Schwarzer Löcher einfangen haben.

Genre: Ambient | Label: Temporary Residence/Cargo

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