Test: Nektar Tech Bolt
Genug von analoger Klassik? Der Software-Synthesizer Nektar Bolt verzichtet auf eine Filtersektion und verlässt sich auf sein alternatives Oszillator-Konzept. Mutig!
Synth ohne Filter? Geht!
Der kalifornische Hersteller Nektar ist schon länger bekannt für seine attraktiven Hardware-Controller. Beliebt sind vor allem die Panorama-Keyboards zur Steuerung verbreiteter DAWs und VST-Instrumente. Mit Bolt wagt sich die Firma nun erstmals selbst an den Software-Bereich heran. Diese in Hamburg entwickelte Syntheseform trägt den Titel „Harmonics Synthese“. Im Unterschied zur subtraktiven Synthese ist die Obertonstruktur direkt innerhalb der OszillatorSektion formbar. Insofern ist eine Filtersektion nicht nötig. Dieser Ansatz mag an ein Waveshaping oder an die additive Synthese erinnern, Bolt ist unter der Haube aber anders strukturiert.
Neue Erfahrung
Freilich ließe sich die Harmonics Synthesis mathematisch im Detail erklären, es funktioniert aber viel einfacher in der Praxis: Auf der Beat-DVD finden Sie eine Demo-Version, mit der Sie ihre eigenen Erfahrungen mit diesem Klangerzeuger direkt machen können. Rufen Sie zunächst das Preset „Sine Wave“aus dem Ordner „Waves“auf und gehen Sie auf Entdeckungstour. Jeder Oszillator bietet die Parameter „Odd“, „Inv“und „Deep“, die sich einzeln per Mausklick aktivieren lassen. Spielen Sie ein wenig mit den Werten, verändert sich das Obertonspektrum entsprechend.
Per Frequenzmodulation beziehungsweise - bei der Verwendung beider Oszillatoren - per Crossmodulation sind im Nu beliebige disharmonische Klangspektren zu entlocken. Im Display können Sie übrigens diese Spektren anschauen und per Mausclick auf eine Oszilloskop-Ansicht wechseln.
Für zeitabhängige Veränderungen des Klangs sind bei Bolt insbesondere drei LFOs und eine Modulationshüllkurve verfügbar, die beliebige Parameter-Zuweisungen erlauben und erstaunlich trickreich programmiert werden können. Diese Klangbausteine müssen beim ausgewählten „Sine Wave“Preset wie die Oszillator-Funktionen zum Einsatz angeclickt werden. Für voluminöse räumliche Klänge nutzen Sie die Voice Double-Funktion, die sehr raffiniert arbeitet und wie der Chorus für lebendige Klangfülle sorgt.
Klangliche Stärken
Wenn Sie lieber konsumieren: Bolt kommt mit rund 500 Presets ausgestattet. Sie zeigen die klangliche Flexibilität durch viele traditionelle Sparten (Bass, Pad, Seq, FX) und Genres der elektronischen Popmusik durchaus gut. Schon beim ersten Anspielen spüren Sie seinen feinen spezifischen Eigenklang, der sich irgendwo zwischen FM/Additiv- und Analog-Synthesizer platziert. Bolt äußert sich weder brutal hart noch äußerst samtig weich. Sehr praktisch finde ich ihn für polyfone Klänge wie Pads und Compings, die im Sequencer-Arrangement angenehm transparent und präzise füllen können. Obwohl kein Step-Sequencer vorhanden ist, finden sich rhythmisch modulierte und typische Wobbling-Sounds im Preset-Angebot. Ein Arpeggiator sollte aber hoffentlich in einem Update berücksichtigt werden.
Die Effekt-Abteilung fällt eher rudimentär aus, was aber nicht stört. Dies spricht für den guten Basisklang von Bolt, der schon selbst ordentlich Substanz bietet. Beim Reverb würde ich für ambiente Sounds ohnehin den internen Effekt deaktivieren und das Lieblings-Hall-Plug-in verwenden.
Wie die klar strukturierte B e n u t z e roberfläche auf Anhieb vermuten lässt: Die Bedienung von Bolt ist prinzipiell einfach. Sie verlieren sich in keine Menüs, sondern sehen alle wichtigen Parameter auf der Hauptseite. Bolt fordert aber eine gewisse Lust aufs Klangtüfteln ein. Anders als beim Einsatz eines Filters und klassischer Oszillatoren müssen Sie länger mit etwas Glück schrauben, bis sich das gewünschte Klangbild einstellt. Falls Sie sich sowieso lieber ein wenig überraschen lassen wollen, ist Bolt wohl der passende Partner. Ganz so unkalkulierbar wie ein FM-Synthesizer ist er aber nicht, sondern viel einfacher zu durchschauen.
Fazit
Glückwunsch zur Premiere. Der individuelle Soundcharakter und die Bedienung sind die beiden größten Pluspunkte von Nektar Bolt. In der Praxis bewährt sich die Klangerzeugung, weil sie angenehm sachlich arbeitet und keinesfalls durch bloße Effekthascherei animiert. Bei ihr führen relativ wenige Parameter zu einem musikalisch fast immer verwertbaren Sound. Dieser Software-Synthesizer erzeugt Klänge, die sich erstaunlich vielseitig in die Produktion – von Retro bis aktueller Elektronik – einbringen lassen.
Wer sich eine Alternative insbesondere zu den überzähligen Analog-Synthesizern wünscht, bekommt mit Nektar Bolt ein charismatisches Produkt zu einem moderaten Preis. Bleibt zu wünschen, dass Nektar diesem guten Synthesizer weitere Presets und Features spendiert und die neuen Fans so lange glücklich stimmt.