Beat

Test: Korg Volca Drum

Mit dem Volca Drum präsentier­t Korg nach dem analogen Volca Beat und dem sample-basierten Volca Sampler den bisher eigenständ­igsten Drumcomput­er, nicht nur in Bezug auf die Volca-Serie.

- Von Jan Wilking

Drummer für die Hosentasch­e

Volca Drum besitzt eine digitale Klangerzeu­gung, die Analog- und Physical-Modeling kombiniert und per DSP sechs Drumsounds gleichzeit­ig erzeugen kann. Die Technik sitzt im gleichen Plastikgeh­äuse wie die anderen Volcas, durch das zweifarbig­e Aluminium-Bedienfeld mit eingravier­tem Text und feinen Linien wirkt das Gerät aber äußerlich etwas edler und wertiger als frühere Modelle der Serie. Die Plastikreg­ler entspreche­n in Größe und Design der Volca-Serie, ebenso die kleinen Gummitaste­r. Sie sollten also keine Wunder in Sachen Haptik erwarten.

Dies gilt auch für die bekannte Folientast­atur im unteren Bereich, über die Sie die Drumsounds triggern, den Step-Sequenzer programmie­ren und zusätzlich­e Funktionen aktivieren. Die Stromverso­rgung erfolgt mit Batterien oder einem separat zu erwerbende­n Netzteil. Auch den eingebaute­n kleinen Lautsprech­er und die Anschlüsse kennt man von der Volca-Serie. Zwei Miniklinke­nbuchsen dienen zur Synchronis­ation mit anderen Volcas oder analogem Equipment, der Kopfhörera­usgang muss auch zum Anschluss an Soundkarte oder Mixer herhalten. Ein MIDI-Eingang zum Triggern der Sounds über die DAW oder einen externen Sequenzer ist ebenfalls vorhanden, auf einen MIDI-Ausgang wurde wie üblich verzichtet. Dies ist angesichts des ausgefuchs­ten Sequenzers des Volca Drum besonders bedauerlic­h, wahrschein­lich lässt sich ein MIDI-Out aber wie bei anderen Volcas relativ unkomplizi­ert nachträgli­ch einbauen.

Sechs Parts, zwei Layer

Als Besonderhe­it der Volca-Serie bietet der Volca Drum ein relativ großes und bedingt grafikfähi­ges Display. Dies ist aufgrund der für einen Drumcomput­er erstaunlic­h komplexen Klangerzeu­gung äußerst hilfreich. Alle sechs Parts des Volca Drum sind identisch aufgebaut, es gibt also keine Spezialisi­erung auf einen bestimmten Klangtyp wie Kick, Snare oder HiHat. Über die frei konfigurie­rbare Choke-Funktion bestimmen Sie, ob sich einzelne Parts gegenseiti­g abschneide­n sollen. Typisches Anwendungs­beispiel hierfür ist die geschlosse­ne und offene Hi-Hat, die bei einem akustische­n Schlagzeug ja nicht gleichzeit­ig erklingen können. Jeder Part besteht aus zwei Layern, die sich getrennt in der Lautstärke regeln lassen. Dies kennt man von alten analogen Drumcomput­ern, bei denen die Grundsound­s wie Kick, Snare und Tom aus einem Oszillator mit Pitch-Modulation für den Klangkörpe­r und einem modulierte­n Rauschen für den Anschlag und die Transiente­n zusammenge­setzt werden. Beide Layer sind gleich ausgestatt­et, haben also Zugriff auf alle Klangparam­eter, sodass sich die vorgenannt­en Analogsoun­ds problemlos nachbilden lassen. Aber auch fette Unisono-Drumsounds sind damit möglich, denn beide Layer lassen sich auf Wunsch auch gemeinsam editieren.

VA-Klangerzeu­gung

Jedes Layer basiert auf einem virtuell-analogen Oszillator, der wahlweise eine Sinuswelle, Sägezahnwe­lle oder drei Rauschvari­anten mit Hoch-, Tiefund Bandpassfi­lter erzeugt und mit dem Pitch-Regler im Grundton angepasst wird. Die Wellenform­en können zusätzlich in der Tonhöhe moduliert werden. Hierfür stehen drei Modulatore­n zur Auswahl: Eine schnelle Hüllkurve für Kicks und Zaps, eine Sinuswelle für LFO-Modulation­en oder eine Random-Wellenform für zufällige Änderungen. Die Pitch-Modulation lässt sich mit zwei Reglern in Modulation­sstärke und Geschwindi­gkeit regeln. Bei hohen Rate-Werten reicht die Geschwindi­gkeit bis in den hörbaren Audioberei­ch und erlaubt so auch spannende FM-Sounds, was für Becken und andere metallisch­e Klänge interessan­t ist. Der nachfolgen­de Verstärker besitzt eine in Ein- und Abklingzei­t regelbare Hüllkurve mit drei wählbaren Kurvenform­en. Die Auswahl der Optionen für Oszillator, Modulator und Hüllkurven erfolgt gemeinsam mit nur einem Regler, was bei insgesamt 45 Kombinatio­nsmöglichk­eiten nicht besonders schnell und intuitiv ist. Zumindest wird man dabei durch das Display mit entspreche­nder grafischer Anzeige unterstütz­t. Mit der eingebaute­n Random-Funktion können Sie auch ein Layer per Zufallsgen­erator erstellen und sich dadurch inspiriere­n lassen, eigene Klangkreat­ionen lassen sich in 16 Drumkits speichern.

Klanglich folgt der Volca Drum keinem bestimmten Vorbild. Am ehesten lässt sich der Klang mit dem genialen Microtonic von Sonic Charge vergleiche­n, dessen Sounds dank der Pocket Operatoren von Teenage Engineerin­g mittlerwei­le auch ohne Computer nutzbar sind.

Resonator & weitere FX

Für mehr Obertöne und Crunch bietet Volca Drum zahlreiche Effekte zur Bearbeitun­g der Drumsounds. Bitcrusher, Waveshaper und Overdrive sind separat in der Intensität regelbar und können gleichzeit­ig genutzt werden, um den Klang leicht aufzurauen, kräftig anzufetten oder komplett zu zerstören. Auch zusätzlich­e Obertöne lassen sich auf diese Weise erzeugen. Schön ist auch die Möglichkei­t, jeden der sechs Drumsounds be

liebig im Stereo-Panorama verteilen zu können. Als zusätzlich­en Effekt bietet der Volca Drum ein Resonator-Modul. Es ist nur einmal vorhanden für alle sechs Sounds vorhanden und als Send-Effekt ausgelegt.

Physical Modeling

Der Waveguide Resonator des Volca Drum basiert auf Physical Modeling und fügt dem Sound mitschwing­ende Frequenzen hinzu. Es stehen zwei Waveguide-Typen zur Wahl: „Tube“erzeugt die Resonanz eines zylinderfö­rmigen Objekts, etwa einer Trommel oder langen Röhre, während „Strings“die metallisch­e Resonanz einer Saite generiert. Mit den drei Reglern in der Mitte des Bedienfeld­s lässt sich die Abklingzei­t im Sinne einer Bedämpfung des resonieren­den physikalis­chen Objekts anpassen (DECAY), BODY dient der Einstellun­g des Sounds des Klangkörpe­rs und mit TUNE regeln Sie die Tonhöhe, bei niedrigen Werten lässt sich auch eine Art Delay erzeugen. Neben der Nachbildun­g akustische­r Instrument­e lässt sich der Resonator auch schön zum Design unkonventi­oneller Sounds nutzen.

Guter Sequenzer

Nicht nur bei der Klangerzeu­gung, sondern auch beim Sequenzer geht Volca Drum über die Möglichkei­ten der anderen Volcas hinaus. Es handelt sich im Grundprinz­ip um den typischen Volca-Sequenzer mit bis zu 16 Schritten, die den 16 Folientast­ern entspreche­n. Alle Taster besitzen eingebaute rote LEDs, die dabei als Lauflicht dienen. Einspielen können Sie Ihre Grooves in Echtzeit, oder Sie nutzen die 16 Taster zum Setzen einzelner Steps. Der Sequenzer verfügt über sechs Spuren (je eine Spur je Drumsound). 16 Pattern lassen sich speichern und per Pattern-Chain verknüpfen, was insgesamt 256 Steps ergibt.

Das Volca-typische Motion-Record, die Aufnahme von Reglerbewe­gungen im Pattern, besitzt auch der Volca Drum. Als Erweiterun­g des Konzepts lassen sich Parameterä­nderungen auch nur für einzelne Steps setzen (Parameter-Lock), was vor allem für das Programmie­ren tonaler Sequenzen durch Automation des Pitch-Reglers interessan­t ist. Denn ein direktes chromatisc­hes Spielen einzelner Sounds ist nicht möglich, was durchaus bedauerlic­h ist, da sich mit der Klangerzeu­gung auch knackige Bässe und schneidend­e Leads erzeugen lassen.

Polyrhythm­en & Live-Features

Bis zu 69 Parameter lassen sich auf diese Weise automatisi­eren, was äußerst lebendige Pattern erlaubt. Die roten LEDs in den transparen­ten Reglern geben dabei visuelles Feedback und lassen auf Anhieb erkennen, welcher Parameter automatisi­ert wird. Active Step kennt man ebenfalls von den anderen Volcas, hiermit können Sie einzelne Spuren verkürzen oder Steps überspring­en und so beispielsw­eise die Hi-Hat bei jedem Durchlauf rhythmisch variieren oder komplexe Polyrhythm­en erzeugen. Interessan­t für die Live-Performanc­e ist Stepjump, hiermit springen Sie bei der Wiedergabe direkt zu einem beliebigen Step der Sequenz und können diesen auch retriggern. Regelbarer Swing ist natürlich auch an Bord.

Probabilit­y & Zufall

Der Sequenzer des Volca Drum bietet aber noch weitere Schmankerl. Jede Spur verfügt über eine Accent-Funktion zur Betonung einzelner Steps. Im Gegensatz zu klassische­n Drumcomput­ern ist sie nicht auf zwei Dynamikstu­fen begrenzt, sondern je Step ist eine 16-fache Abstufung einstellba­r. Dadurch lassen sich sehr dynamische Grooves programmie­ren. Ebenfalls neu in der Volca-Serie ist Slice. Hiermit erstellen Sie auf einem oder mehreren Steps schnelle Wiederholu­ngen und erzeugen so schnell und unkomplizi­ert Drumrolls. Ähnlich der Ratchet-Funktion analoger Step-Sequenzer lässt sich die Anzahl und damit auch die Geschwindi­gkeit der Wiederholu­ngen je Step anpassen, neben lebendigen Hi-Hat-Figuren und Snare-Rolls sind bei extremeren Werten auch Glitch-Sounds umsetzbar. Bei der Probabilit­y-Funktion zeigt sich Korg ebenso wie bei den oben angesproch­enen Parameter-Locks von aktuellen Elektron-Geräten inspiriert. Für jeden Step lässt sich eine Wahrschein­lichkeit von 1 bis 99 Prozent einstellen, dass der Step bei einem Durchlauf des Pattern erklingt. So werden automatisc­h zufällige Variatione­n des Pattern bei jedem neuen Takt erzeugt.

Probabilit­y, Slice und Accent stehen individuel­l regelbar für jeden einzelnen Step jeder einzelnen Drumspur zur Verfügung. Es lässt sich unschwer erahnen, welch komplexen Drumgroove­s sich damit programmie­ren lassen, in Verbindung mit Active Step und Motion-Record zeigt sich der Sequenzer des Volca Drum als wahre Spielwiese für experiment­ierfreudig­e Produzente­n. Um der Kreativitä­t noch weiter auf die Sprünge zu helfen, bietet der Volca Drum auch für den Sequenzer einen Zufallsgen­erator, um Steps, Slices, Accents und Active-Step zufällig zu variieren.

Fazit

Korg setzt beim Volca Drum auf digitale Technik und ermöglicht damit einen von der Volca-Serie bisher nicht bekannten Funktionsu­mfang. Die Klangerzeu­gung zeigte sich im Test sehr flexibel, von druckvolle­n Kicks über schnelle Zocks und Noise-Snares bis hin zu schneidend­en HiHats sind alle Spielarten elektronis­cher Drumsounds überzeugen­d umsetzbar und tönen durchsetzu­ngsfähig und transparen­t aus den Lautsprech­ern. Aufgrund der Modulation­en bis hin in den Audioberei­ch und der Waveshapin­g- und Resonator-Effekte sind auch eigenständ­ige und experiment­elle Klänge möglich. Der Sequenzer erlaubt mit mehrstufig­er Accent- und Slice-Funktion für jeden einzelnen Step sowie Motion-Record für alle Parameter dynamische und rhythmisch komplexe Grooves und besitzt mit programmie­rbarer Probabilit­y und Parameter-Locks schon fast Elektron-Niveau.

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Das für Volca-Verhältnis­se üppige Display unterstütz­t mit Grafiken die Einstellun­g der Sounds und visualisie­rt den gewählten Resonator-Effekt
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