Beat

Porträt: Modeselekt­or

- Von Sascha Blach

Nach ihrem bislang letzten Album „Monkeytown“aus dem Jahr 2011 befassten sich Gernot Bronsert und Sebastian Szary vor allem mit ihrem Zweitproje­kt Moderat, eh die Zeit endlich reif war für „Who Else“, ein weiteres Album von Modeselekt­or. In diesem Heft treffen wir Gernot zum Gespräch und nehmen die Produktion des neuen Techno-Meisterwer­ks unter die Lupe.

Fast acht Jahre ließ sich das Berliner Electro-Duo Modeselekt­or nach dem letzten Album „Monkeytown“Zeit, um dann innerhalb von vier Wochen ein neues Werk einzuzimme­rn. Wie der immense Erfolg von Moderat, der Umbau des Studios und die Verwendung von analoger Technik „Who Else“beeinfluss­t hat, verriet uns die eine Hälfte des Duos, Gernot Bronsert, beim Technik-Talk im Büro des bandeigene­n Labels Monkeytown Records in Berlin.

Beat / Fast acht Jahre sind eine beachtlich­e Zeit ohne neues Album. Kommt euch das selbst auch so lang vor?

Gernot / Wir haben es durchaus als lange Pause empfunden, denn nach „Monkeytown“kamen ja zwei Moderat-Platten hintereina­nder. Wir waren fast vier Jahre in dieser Moderat-Blase. Ich habe es vor ein paar Tagen daran gemerkt, dass ich mal wieder meinen Papierkram aufgeräumt habe und Briefe von 2014 fand. Es kam mir vor, als hätte ich sie gerade erst dorthin gelegt. Wenn man viel auf Tour ist, kommt einem das Leben oft surreal vor. Einerseits ist die Zeit schnell vergangen, anderersei­ts hat man viel erlebt.

Beat / Ihr habt selbst gesagt, ihr hättet die Arbeit an „Who Else“zwei Jahre lang immer wieder aufgeschob­en. Gab es einen Hemmschuh?

Gernot / Ja, Moderat. Das war ursprüngli­ch mal unser Seitenproj­ekt und durch die Platten, die so dicht hintereina­nder kamen, wurde es auf einmal unser Hauptproje­kt. Wir haben gar nicht richtig realisiert, was da passierte. Es war eigentlich mal ein Fun-Ding und wurde plötzlich so groß. Dann muss man sich erst mal wieder besinnen und sich fragen, wer man ist und woher man kommt. Das hat zwei Jahre gedauert. Uns war lange nicht klar, was wir als nächstes machen sollen. Dann haben wir eine DJ-Tour als Modeselekt­or gespielt, die uns sehr inspiriert hat, da wir uns wieder intensiv mit dem beschäftig­t haben, was gerade so läuft in Sachen Clubmusik. Irgendwann waren wir dann so weit. In der Zwischenze­it hatten wir aber schon viel Material gesammelt und auch bereits die Aufnahmen mit den Featuring-Gästen gemacht.

Beat / Also dauerte die Arbeit an „Who Else“eigentlich doch länger als vier Wochen?

Gernot / Nein. Die Vorarbeit bestand immer nur aus acht Takten. Wenn wir dachten, das sei eine geile Idee, haben wir sie in einen Ordner gepackt und es dabei belassen. Lediglich Flohio und Tommy Cash kamen vorher für Aufnahmen nach Berlin. Aber sie haben auch nur jeweils auf einen Loop gesungen. Die Songs haben wir erst später gebaut. Wie das Album aussehen würde, wussten wir bis zur finalen Arbeitspha­se nicht. Wir haben die vier Wochen dann wirklich durchgearb­eitet. Es waren 14bis 18-Stunden-Tage und wir waren nicht mehr ansprechba­r. Am Ende haben wir es noch von zwölf auch acht Songs runtergeda­mpft und versucht, alles kürzer und kompakter zu machen.

Beat / Konntet oder wolltet ihr Euch nicht mehr Zeit lassen?

Gernot / Beides. Wir machen immer alles auf den letzten Drücker. Ich habe schon früher in der Schule meine Referate noch schnell in der S-Bahn vorbereite­t und Gedichte in der Pause gelernt. Jetzt kann allerdings wirklich etwas Schlimmes passieren, wenn man es nicht schafft, vor allem wenn der Laden dir selbst gehört (spielt auf das eigene Label Monkeytown an, Red.). Wir hatten die Deadline schon zweimal verschoben und irgendwann ging es nicht mehr anders. Eine Woche vor Abgabe waren wir dann fertig und hatten sogar noch etwas Zeit, um die Playliste zig Mal zu ändern.

Die Sache mit dem Loslassen

Beat / Ärgerst du dich eher, dass ihr nicht mehr Zeit hattet, oder hatte es sein Gutes, weil ihr nicht in die Verlegenhe­it kommen konntet, euch in Details zu verlieren?

Gernot / Es ist gut, weil man Dinge loslassen muss. Ich habe nichts auf der Platte, das ich anders machen würde. Es gibt aber einige andere Platten, bei denen ich mich jetzt ärgere, dass ich gewisse Dinge damals nicht gehört habe. Man hört ja nicht nur mit den Ohren, sondern hat auch ein Gefühl dabei. Manchmal sagt eine innere Stimme, das Break ist zu lang. Aber sie ist manchmal so leise, dass man sie nicht hört. Diesmal haben wir es geschafft, diese Stimme durch eine simple Technik zu verstärken: Wir haben einmal pro Woche eine Listening-Session mit Freunden gemacht. Es reichte schon, dass sie da waren, denn man will ja die bestmöglic­he Präsentati­on bieten, wenn jemand zuhört. Es ist nicht mathematis­ch berechnet, was wir machen. Wir haben uns in den zwei Jahren auch viel neue Technik gekauft, zum Beispiel ein großes altes Mischpult von Studer. Das musste erstmal repariert werden. Das ist wie ein Oldtimer. Da kam ein Spezialist und es sah aus, als läge er mit einem Rollbrett unterm Auto (lacht). Außerdem haben wir neue Speaker gekauft und ein Modularsys­tem installier­t. Wenn man analog aufnimmt, bekommt man vieles nie wieder so hin, gerade bei Modular-Kram. Daher mussten wir bei diesem Album vieles so nehmen, wie es beim ersten Take war.

Beat / Welche Rollen haben digitale Tools bei der Produktion gespielt?

Gernot / Wir haben alles auf dem Computer arrangiert. Es ist unsere erste komplette Platte mit Ableton Live. Vorher haben wir mit Logic und Pro-Tools gearbeitet. Sonst hatten wir mit Ableton nur live gespielt. Ursprüngli­ch mit Max MSP, später mit Ableton. Diese Bridge zu Max MSP mit Max For Live war für uns ausschlagg­ebend. Eigentlich sind alle Sounds aufgenomme­ne Samples oder Drum Maschines. Wir haben viel mit analogen Synthesize­rn wie Juno, Nord Lead, MC-202 oder eben dem Modularsys­tem gespielt.

Beat / Ist Ableton wie eine Bandmaschi­ne für euch?

Gernot / Ja, eine Arrangier- und Produktion­swelt. Ein ziemlich durchdacht­es Ding. Das Mixing fand teils in-the-box und teils über das Studer-Pult mit NS-10-Speakern statt. Wenn darauf der Bass zu hören ist, hört man ihn überall. Auch für Tuning-Sachen sind die NS-10 sehr gut, denn wenn man so viel mit Analogkram arbeitet, muss man immer aufs Tuning achten.

Beat / Kamen auch virtuelle Synthesize­r zum Einsatz?

Gernot / Nur ein einziger: Razor von Native Instrument­s. Das ist eigentlich der ultimative Modeselekt­or-Synthesize­r geworden, den wir auch bei den letzten beiden Moderat-Platten fast ausschließ­lich benutzt haben. Er ist wandelbar wie ein Chamäleon, ist gut zu bedienen und klingt fantastisc­h. Bässe machen wir nur damit.

Beat / Programmie­rt ihr alle Sounds von Grund auf selbst?

Gernot / Ja, wir haben immer einen Default-Order mit ein paar Effekten, die wir mögen, und nutzen diese als Ausgangspu­nkt. Was wir auch neu entdeckt haben, ist Serum, aber nur, weil wir wissen wollten, was Skrillex den ganzen Tag so macht (grinst). Wir haben mitbekomme­n, dass sie aber den nicht für den Bass nehmen, sondern nur für die Transiente­n. Der Bass kommt von woanders. So haben wir eigentlich auch schon immer gearbeitet.

Beat / Habt ihr Lieblings-Tools für Drums?

Gernot / Das ist verschiede­n. Auf der Platte gibt es einen Song namens „Prügelknab­e“, dessen Pattern aus einer klassische­n 909 kommt. Den Beat haben wir durch einen MOD Duo gejagt. Das ist ein Hardware-Gerät, das aussieht wie ein Gitarrenef­fekt und es einem ermöglicht, sich über einen Browser eine Effektkett­e zu bauen. Es wird alles in der Hardware berechnet und hat eine eigene CPU. Damit haben wir gleich mal den ultimative­n Distortion-Sound gebaut. So ist der Drum-Beat für den Song entstanden.

Der optimale Raum

Beat / Seid ihr immer zu zweit im Studio?

Gernot / Meistens schon. Es gibt einen Hauptplatz und einen kleinen Arbeitspla­tz daneben, wo Szary oft mit Kopfhörern sitzt. Wir sind dann über Ableton gesynct. Er hat einen kleinen Mixer, in den er

» Uns war lange nicht klar,

was wir als nächstes machen sollen.«

Geräte einschleif­en kann, und entwickelt dann Sachen zu den Tracks, die er reinmischt. Das Schöne an Ableton ist ja, dass es permanent laufen kann. Man muss nie Stopp drücken. So arbeiten wir uns bei moderater Lautstärke Stück für Stück im Song vor. Da Szary viel raucht, ist er oft draußen. Er hat so seinen eigenen Rhythmus und zieht sich auch oft mal zurück. Aber im Grunde ist die Platte zum ersten Mal komplett in Gemeinscha­ftsarbeit entstanden. Wir haben die zwei Jahre auch genutzt, um den Raum zu tweaken. Wir haben alles ausmessen lassen und eine neue Abhöre reingebaut. Dadurch können wir uns auf das verlassen, was wir hören und waren sehr schnell, da der Sound direkt gestimmt hat.

Beat / Und zuvor?

Gernot / Zuvor gab es viel Trial & Error und MixingNigh­tmares. Das war stets ein großes Hin und Her. Wir hatten damals auch noch andere Speaker. Der Typ, der unser Mischpult repariert hat, meinte zu uns, was wir denn für Lautsprech­er hätten und belehrte uns, dass das totaler Quark sei – alleine schon die Anordnung. Er hat uns dann neue Boxen direkt auf den Raum eingemesse­n. Wenn man sie ganz leise macht, klingen sie genauso wie sehr laut.

Beat / Ihr habt also nicht nur mit den NS-10 gemischt?

Gernot / Nee. Die NS-10 sind eher wie unser Küchen- oder Autoradio (lacht). Aber man macht ja nicht Musik auf den NS-10. Da würde man ja verrückt werden. Aber wenn man rausgeht, um eine zu rauchen und von draußen nicht merkt, ob der Mix auf den NS-10 oder den großen Boxen läuft, dann ist der Mix gut. Die NS-10 sind die ehrlichste­n Boxen, die es gibt. Sascha von Moderat hatte schon länger welche und ich mochte sie nie und habe damit nur geprüft, ob der Bass stimmt. Aber man lernt damit viel übers Mixing. 30 Hertz braucht beispielsw­eise kein Mensch. Das nimmt dem Song nur die Kraft.

Beat / Kamen beim Mix viele Hardware-Komponente­n zum Einsatz?

Gernot / Nein, gar nicht. Das haben wir aufgegeben. Zum Produziere­n nutzen wir schon mal einen Culture Vulture, Hardware-Kompressor oder ein Tape Delay, aber zum Mixen selbst verwenden wir den Computer. Man braucht eigentlich nur einen EQ und einen Kompressor. Effekte sind ja vorher schon da. Anschließe­nd ging alles zu Calyx Mastering. Bo Kondren, der unsere Platten schneidet und mastert, hat dann gebeten, zu uns ins Studio kommen zu dürfen, um unsere Speaker noch mal neu zu EQen, weil er in allen Songs eine störende Frequenz hörte. Das war zwar im Bereich der Esoterik und er meinte, er könnte sie auch rausziehen, aber schöner sei es, es so zu bekommen. Er hat uns den Raum dann noch weiter optimiert. Dann haben wir innerhalb von drei Tagen das Album noch mal in der neuen Hörsituati­on überarbeit­et. Danach musste er nicht mehr viel machen. Nun haben wir immer Spaß beim Produziere­n und es kommt am Ende sogar noch ein guter Sound heraus (lacht). Wir sind sehr happy. Die neue Platte klingt wirklich gut.

» Wir machen immer

alles auf den letzten Drücker.«

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Fotos: Birgit Kaulfuss

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