Porträt: Apparat
Sascha Ring ritt in den letzten Jahren mit Moderat auf einer Welle des Erfolgs. Wie er es schaffte, sich für „LP5“wieder auf die Welt von Apparat einzulassen und welche Rolle Teamwork mittlerweile in dem einstigen Soloprojekt spielt, verrät er uns ebenso in der nächsten Ausgabe wie seine liebsten Studiotools.
Kurz nach der Veröffentlichung des neuen Modeselektor-Albums „Who Else“legt auch Sascha Ring – neben Gernot Bronsert und Sebastian Szary drittes Mitglied von Moderat – sein nächstes Soloalbum als Apparat nach. Wobei es der Begriff „Soloalbum“nicht ganz trifft, denn Ring arbeitete für „LP5“mehr denn je im Kollektiv. Wir trafen den Wahlberliner zum persönlichen Gespräch über sein Sounddesign, Songwriting und die Vorteile des gemeinschaftlichen Tüftelns im Studio. Beat / Du warst die letzten Jahre zusammen mit Gernot und Szary in der Moderat-Welt zugange. War es Zufall, dass ihr nun fast zeitgleich neue Scheiben eurer Ursprungsprojekte vorlegt?
Sascha / Ehrlich gesagt schon, denn ich habe nicht dran geglaubt, dass Modeselektor jemals so schnell ein neues Album fertigbekommen (lacht). Es wird bei denen immer so chaotisch am Ende. Bei mir auf andere Art auch. Ich bin eher der Zweifler, bekomme Sinnkrisen und will alles wegschmeißen. Sie brauchen immer eine knallharte Deadline, wohingegen bei mir Platten eher auf natürliche Weise fertig werden.
Beat / War es für dich schwierig, nach zwei Moderat-Platten in Folge umzuswitchen?
Sascha / Ja, das ist es jedes Mal schwer. Wir haben mit Absicht zwischen der zweiten und dritten Moderat-Platte keine Pause gemacht, denn es war nach dem ersten Moderat-Album unheimlich schwer. Ich hatte verlernt, alleine Musik zu machen. Dann bin ich für drei Monate nach Mexiko gegangen und habe dort auch wieder mit zwei anderen Leuten an einer Platte gearbeitet. Daraus habe ich gelernt und mir einen Partner gesucht, statt alleine an einer Platte rumzufrickeln.
Beat / Weshalb konntest du nicht wieder arbeiten wie früher?
Sascha / Ich habe mich sehr daran gewöhnt, immer eine zweite und dritte Meinung einzuholen. Es hilft sehr, wenn jemand in den Raum kommt und eine Sache, an der man selbst schon seit zwei Stunden zweifelt, mit einem Satz beendet. Irgendwann hat man keinen Bock mehr auf diese Unsicherheit. Es geht auch, wenn man alleine ist und nach drei, vier Tagen Pause noch mal reinhört. Aber den Luxus hat man nicht immer. Im Gegensatz zu früher, wo es gehen musste, habe ich das irgendwie verlernt. Daher wollte ich diese Platte mit meinem langjährigen Bandkollegen Philipp (Timm – Anm. d. A.) machen. Früher war er mal Cellist, jetzt spielt er alles Mögliche. Wir haben viel zu zweit im Studio abgehangen während dieser Produktion. Ganz am Anfang gab es sogar zweiwöchige Jam-Sessions mit der gesamten Band in größeren Studios. Aber da habe ich schnell gemerkt, dass es nicht die Art und Weise ist, wie ich Platten machen kann.
Beat / Zu viele Köche verderben den Brei?
Sascha / Ja, am Ende war es vor allem viel Brei. Ich habe später versucht, für die Plattenproduktion noch etwas Nützliches herauszuziehen, aber ich hatte jedes Mal Horror, diese Sessions zu öffnen. Das war jeweils ein 25-minütiges Überangebot an Wahnsinn mit endlos vielen Spuren und viel Gedaddel. Ich bin leider kein guter Instrumentalist und konnte das nicht entsprechend führen. Daher geriet es schnell außer Kontrolle und es wurden eher so Kiffer-Jams. Am Ende basiert nur noch der Song „Outlier“auf einer dieser Sessions, bei anderen sind nur Fragmente verwendet worden.
Lektionen in Demut
Beat / Du warst jahrelang Alleinherrscher über Apparat. Hast du nach wie vor das letzte Wort?
Sascha / So gerne ich jetzt sagen würde, dass es komplett demokratisch ist, am Ende habe ich natürlich das letzte Wort, denn es steht mein Name auf der Platte. Aber ich bin kein Controlfreak im Studio und bestimme nicht alles alleine, weil ich es ja gerade toll finde, nicht alleine zu sein. Wenn ich schon eine zweite Meinung zur Verfügung habe, sollte ich sie verdammt noch mal auch respektieren (lacht). Manchmal habe ich schon gesagt, dass etwas scheiße ist, aber das sah Philipp meistens auch so.
Beat / Wenn man stundenlang an etwas arbeitet und es der Gegenüber dann furchtbar findet, bedarf es aber auch einer gewissen Stärke.
Sascha / Ja, aber von der Zeit, die man für etwas gebraucht hat, sollte man den Wert eh nicht abhängig machen. Früher hatten die Sachen alleine deshalb für mich einen Wert, weil ich viel Zeit damit verbracht habe. Aber man muss sich von seinen Schätzen trennen können. Das kann auch ein finanzieller Wert sein. Man hat beispielsweise ein Orchester für 4000 Euro aufgenommen, aber wenn es nicht in den Song passt, muss man es dennoch wegschmeißen. Ich bin lockerer geworden. Da war Moderat eine wichtige Erfahrung. Und ich mache ja auch Musik für Filme. Dabei bin ich endgültig nicht mehr der Wichtigste im Raum, sondern verwirkliche nur bestmöglich die Vision des Regisseurs. Natürlich möchte ich nach mir klingen, denn sonst könnte er ja jemand anderen fragen. Trotzdem ist es eine Arbeitsweise, die Demut lehrt.
Beat / Wie unterscheiden sich die Arbeitsweisen von Apparat und Moderat?
Sascha / Zuletzt gar nicht so sehr. Philipp hat auch Skizzen begonnen, die wir dann zusammen weitergeführt haben. Es war ganz gut verteilt. Der Hauptunterschied ist, dass es völlig unterschiedliche Charaktere sind. Solch eine Konstellation wie bei Moderat gibt es nur einmal. Szary ist die Schweiz, denn er ist immer neutral und Gernot und ich sind beide ausgeprägte Persönlichkeiten und müssen um unsere Meinung kämpfen. Generell macht man viele roughe Skizzen, legt sie beiseite und versucht sie nicht mehr zu beurteilen. Am Abend bin ich oft in einem euphorischen Wahn und am nächsten Morgen denke ich mir dann meist „hä?“. Dann herrscht aber auch oft Katerstimmung. Besser packt man es erst zwei, drei Wochen später wieder aus oder jemand anderes übernimmt das.
Beat / Wo siehst du die größte Weiterentwicklung auf „LP5“gegenüber den Vorgängern?
» Ich hatte viel Zeit und habe mich oft in nerdiges Gefrickel
vertieft. «