Filesharing – Label, Artist, Rezis
Archive: 25
Zum 25-jährigen Jubiläum fahren Archive dicke Geschütze auf. „25“enthält 43 Tracks auf sechs Schallplatten bzw. zwei CDs, darunter auch acht brandneue Songs. Diese zeigen einmal mehr die enorm große Wandelbarkeit der Briten, denn das Spektrum umfasst Electronica, Trip-Hop, Progressive und Post Rock, Ambient und balladeske Sounds mit Pink Floyd-Note. Es scheint, als hätten Archive hier noch mehr experimentiert als auf ihren regulären Studioalben, vor allem im Bereich Kollaborationen. Insbesondere die Zusammenarbeit mit Band Of Skulls im trippigen, groovigen „Remains Of Nothing“ist eine echte Glanztat. Involviert waren auch Steve Mason (ex-Beta Band) und die Sängerin Lisa Mottram. Abgerundet wird das Gesamtpaket durch ein 160-seitiges Booklet mit Interviews und Fotos.
Genre: Alternative, Electronica | Label: Pias/Dangervisit/Rough Trade
Chat Noir: Hyperuranion
Mit Schubladendenken haben es Chat Noir nicht so. Die drei Musiker mit Wahlheimat London präsentieren auf ihrer siebten Veröffentlichung einen anspruchsvollen Ritt durch die Stile und vereinen gekonnt elektronische und organische Elemente. Die rein instrumentale Musik des Quartetts verbindet Progressive und Rock-Sounds mit Jazz-Anleihen – der renommierte Jazz-Trompeter Nils Petter Molvaer ist in einigen Stücken zu hören – und fusioniert dies mit Techno, Goblin-artigen Retro-Synth-Elementen und Chillout-Passagen. Das Ergebnis klingt filmreif, abwechslungsreich und experimentell, ohne dadurch schwer verdaulich zu werden. Für die eigentlichen Aufnahmen ging man diesmal zusammen ins Studio, um den organischen Faktor auszuweiten. Und das hat sich gelohnt, denn „Hyperuranion“klingt trotz aller Elektronik nach einer Band in einem Raum.
Genre: Electronica, Rock | Label: Rare Noise
Crazy P: Age Of The Ego
Über 30 Millionen Streams allein ihres letzten Albums „Walk Dance Talk Sing“? Es scheint, Crazy P haben einen guten Lauf. Auch mit „Age Of The Ego“, dem nunmehr achten Album der Briten, dürfte die Welle des Erfolgs nicht abflauen, denn die Platte ist ein gefälliges Werk zwischen Disco, Dance, Soul und House, das genau die richtige Beschallung für laue Sommerabende ist. Pate für den von Sängerin Danielle Moore sowie 80s-artigen Synths, groovigen Beats und funkigen Gitarren geprägten Sound standen Künstler wie Prince, Michael Jackson, Grace Jones oder Bobby O. Songs wie „Is This All It Seems“oder „SOS“dürften für coole Moves auf dem Dancefloor sorgen und gute Laune verbreiten. Inhaltlich geht es jedoch mitnichten so leichtfüßig zu wie in der Musik, denn die Schieflage der Welt mit Themen wie Brexit, Rechtsruck und Social Media-Wahn hat auch bei Cracy P für Sorgenfalten gesorgt.
Genre: Dance, Disco | Label: Walk Don’t Walk/K7/Indigo
Cry Electric: Fragments
Der Blick zu den Sternen kann nicht nur auf visuelle Weise durchs Teleskop erfolgen, sondern auch auf musikalische Art. Ein Paradebeispiel dafür ist das Projekt Cry Electric, denn die Musik von Macher Cristoforo Campa klingt derart spacig, dass man von einem interstellaren Soundtrack sprechen möchte. Besonders interessant: Einfluss auf das Album nahm auch eine künstliche Intelligenz, deren Klänge fusioniert wurden mit menschlichen und elektronischen Sounds. Zu hören ist eine Mixtur aus Electronica und Ambient, das heißt instrumentale Klangkreationen zwischen Arpeggios, weiten Pads, dezenten Beats und kleinen Melodien. „Fragments“hat einen starken Retro-Charme, klingt verspielt und irgendwie auch wissenschaftlich. Für Fans von Jean-Michel Jarre, Vangelis und Kraftwerk.
Label: Eigenvertrieb | Genre: Ambient
Editors: The Blanck Mass Sessions
Ursprünglich als Special-Release zum Record Store Day vorgesehen, erscheint „The Blanck Mass Sessions“dieser Tage auch im normalen Handel. Es handelt sich allerdings nicht um ein reguläres Album, sondern ein Rework des letzten Editors-Longplayers „Violence“. Ausgenommen der Opener „Barricades“, ein bislang unveröffentlichter Track, der mit seiner rein elektronischen und stark am New Wave der 80er orientierten Ausrichtung etwas aus dem Rahmen fällt. Ansonsten ist „The Blanck Mass Sessions“das elektronische Gegenstück zu „Violence“. Die Band lud inmitten der Produktion des Albums den Produzenten Benjamin John Power/Blanck Mass ein, um die Songs mit seinem elektronisch-experimentellen Stil zu dekonstruieren. Später wurden diese elektronischen Elemente mit der organischen Band-Performance wieder fusioniert. Die Editors hingen jedoch an diesen Zwischenversionen derart, dass sie sie ebenfalls noch veröffentlichen wollten. Und das zu Recht, denn Songs wie „Cold“, „Hallelujah“oder „Magazine“klingen hier noch intensiver und interessanter.
Genre: Electronica, New Wave, Alternative | Label: PIAS
Hælos: Any Random Kindness
Die Londoner Band Hælos entwickelte sich in den letzten Jahren so ein bisschen zu den Hoffnungsträgern des Trip-Hops. „Any Random Kindness“ist ihr zweites Album und klingt im Vergleich zum Erstling „Full Circles“weniger düster und traurig. Stattdessen nährt sich die Formation um Sängerin Lotti Benardout bisweilen eher Pop und Dancefloor an. Manche Tracks hätten in ähnlicher Form auch auf einem Massive Attack-Album wie „Protection“stehen können. Neben Attributen wie Tanzbarkeit und Eingängigkeit sind es aber auch eine gewisse Filmhaftigkeit, die Hælos auszeichnet, denn die Musik ist wunderbar zu Untermalung von Szenen verschiedenster Art geeignet und überdies perfekt für nächtliche Autofahrten durch einsame Landstriche und Großstädte.
Genre: Trip-Hop, Electronica | Label: BMG Rights Management/Warner
Michael Klein: Snapshot Remixes (EP)
Als Nachschlag zu seinem ersten Album „Snapshot“, das im Oktober 2018 erschien, kredenzt der Wahl-Berliner Michael Klein dieser Tage ein paar Remixe. Seiner Tracks haben sich Dubfire, Markus Suckut, Developer und +plattform angenommen, wobei eine 4-Track-EP herauskam, die nicht grundlegend anders klingt als „Snapshot“– vielleicht ein klein wenig technoider, sondern einfach alternative Versionen liefert. Alle vier Tracks sind vom Grundcharakter her hypnotisch, düster, gradlinig und bieten eher subtile Änderungen über die Spieldauer, sodass man sich beim Tanzen gut fallen lassen kann. Und obwohl hier verschiedene Artists ihre Finger im Spiel hatten, klingen die „Snapshot“-Remixes doch wie aus einem Guss. Nicht nur für Club-DJs interessantes Futter.
Genre: Techno | Label: Second State Audio Kurz nach seinem letzten Soloalbum „Your Dystopia, My Utopia“tat sich der Kanadier Fhys Fulber (Front Line Assembly, Delerium, Conjure One) mit dem Berliner Künstler Blush Response alias Joey Blush zusammen. Herausgekommen ist die 4-Track-EP „Corruption Of Form“, die interessant produzierten Electro der düsteren Art präsentiert. Die vier Tracks sind treibend, dicht und dank meist straighter Beats auch gut tanzbar. Sie vereinen Elemente aus EBM, Noise, Industrial und 80s-Dark Wave. Auf der Grundlage harter und oft angezerrter/verzerrter Beats gibt es auch immer wieder ätherische und atmosphärische Momente sowie aufregendes Sounddesign. Gesang im eigentlichen Sinne gibt es nicht, dafür gelegentliche Sprachsamples und andere verfremdete Geräusche. Eine etwa 24-minütige Welt für sich, die für zahlreiche Überraschungen gut ist.
Genre: EBM, Industrial | Label: Sonic Groove
TR/ST: Destroyer – 1
Robert Alfons aus Toronto betreibt TR/ST mehr oder weniger im Alleingang und ist damit insbesondere in den USA und Kanada gar nicht mal so unerfolgreich. Nun in Los Angeles beheimatet, hat sich der Künstler an einen Electro-Pop-Zyklus gemacht, den er mit „Destroyer – 1“einläutet. Geprägt ist die Scheibe von Synthesizern, Drum Machines und der sonoren, leicht nasalen Stimme des Masterminds. Stilistisch geht es munter zwischen Electro, Pop und Wave hin und her. Dank Alfons’ guter Songwriting- und Arrangier-Fähigkeiten dürfte die Scheibe, die durch große Melancholie besticht, beispielsweise Hörern von Depeche Mode, She Past Away oder Camouflage munden. Eigentlich ein prima Herbstalbum, aber gute Musik ist bekanntlich zeitlos.
Genre: Electro-Pop | Label: House Arrest/Alive
Yair Etziony: Ingress
Der Umzug von Tel Aviv nach Berlin scheint Yair Etziony in kreativer Hinsicht gut getan zu haben, denn mit „Ingress“veröffentlicht der Israeli sein drittes Album binnen weniger Monate. Auch hier feilbietet er einen Mix aus Drone, Ambient und Industrial und erschafft beklemmende Soundscapes mit seinen (Modular-)Synthesizern, die ideale Klänge für Horror- und Mystery-Thriller bieten würden. Und das ganz ohne Beats. Beeinflusst sieht sich der Künstler jedoch primär von der ihm umgebenden Großstadt. Etzionys Ansatz war ein sehr minimalistischer, denn er verwendete für dieses 5-Track-Album lediglich einen Modular-Synth und einen Polysnth. Doch bekanntlich ist weniger manchmal eh mehr und „Ingress“braucht keine dicken Schichten an Sounds, um „Ingress“zu einem Universum für sich zu machen. Düster, sphärisch und unbehaglich ist dieses, aber gerade deswegen auch so ungemein reizvoll.
Genre: Ambient, Drone | Label: False Industries