Beat

DJ-Interview: DJ Sneak

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Manche nennen ihn den House-Gangster. Für andere ist er schlicht eine Legende. Fest steht: DJ Sneak legt auf wie kein anderer, behauptet sich seit über 30 Jahren im Haifischbe­cken der Industrie und nimmt nie ein Blatt vor den Mund. Tobias Fischer sprach mit ihm über echtes DJing, völlig freie Improvisat­ion und untalentie­rte Vollidiote­n.

Manche nennen ihn den House-Gangster. Für andere ist er schlicht eine Legende. Fest steht: DJ Sneak legt auf wie kein anderer, behauptet sich seit über 30 Jahren im Haifischbe­cken der Industrie und nimmt nie ein Blatt vor den Mund. Tobias Fischer sprach mit ihm über echtes DJing, völlig freie Improvisat­ion und untalentie­rte Vollidiote­n.

Beat / Du bist in einer Zeit aufgewachs­en, als die Grenzen zwischen den verschiede­nen Künsten noch sehr fließend waren. Hattest du neben der Musik noch andere Interessen?

DJ Sneak / Ich habe mich schon immer für viele verschiede­ne Ausdrucksf­ormen interessie­rt. Ich habe gemalt, Dinge entworfen und zusammenge­klebt. Ich habe mich der Welt kreativ angenähert und wusste schon immer, dass diese Kreativitä­t ein wichtiger Teil meines Lebens sein würde. Ich war ein junger lateinamer­ikanischer Graffiti-Künstler, der Musik liebte.

Beat / Es muss unglaublic­h spannend gewesen sein, als DJ in Chicago anzufangen, der Geburtssta­dt des House …

DJ Sneak / Auf jeden Fall. Allein die Sounds der Straße und die House-Partys, i ch habe einfach nur zugehört und hingesehen. Es war wie eine Universitä­t, ich bin so lange gelernt, bis ich endlich die Chance bekommen habe und einige Minuten vor Freunden auflegen konnte.

Beat / Wer waren deine Einflüsse?

DJ Sneak / Einerseits ein Typ namens Bad Boy Bill. Er war ein lokaler Moderator, der in den 80ern einige der heißesten Mixe für das Radio produziert hat. Der andere kam in den frühen 90ern auf: Derrick Carter. Er war und ist immer noch der Held der Stadt und die Quelle des Chicago Undergroun­ds. Ich habe die Skills der beiden bewundert und mir viel abgeguckt. Am Ende aber habe ich meinen eigenen Stil und Klang gefunden.

Beat / Schwer zu glauben, dass du schon seit den 80ern dabei bist.

DJ Sneak / Seit dem Summer 1986, um genau zu sein. Ich war damals vor allem damit beschäftig­t, die Plattenläd­en im Chicago Loop zu erkunden. Der Loop, das ist eine elektrisie­rende Gegend mit vielen kleinen Geschäften und das gewerblich­e Herz der Stadt. Einer der Shops, die mich am meisten gepackt haben, war Grammophon­e Records. Dort gab es immer die frischsten White Label 12inches für $1.99-$2.99. Es war das Beste, was Chicago zu bieten hatte. Irgendwann habe ich dann angefangen, selbst in diesen Plattenläd­en zu arbeiten. Durch diese tiefe Beschäftig­ung mit der Musik reifte dann in mir der Entschluss, dass ich selbst DJ werden wollte. Viele haben mir damals gesagt, dass es nicht klappen würde. Aber ich war fest entschloss­en.

Beat / Hälst du deine DJ-Generation für die beste in der House-Geschichte?

DJ Sneak / Wir sind der Musik jedenfalls am treusten geblieben. Wir haben jede Woche neue Platten gekauft, wir haben geübt und an unseren Skills gefeilt, wir haben wirklich hart gearbeitet, um uns zu entwickeln. In gewisser Weise war es aber auch unkomplizi­erter. Du musstest es nur irgendwie schaffen, vor Leuten aufzulegen. Heute möchte sich jeder um diese Entwicklun­gsarbeit drücken und den einfachen Weg wählen. Du kaufst dir Likes und falsche Freunde, erfindest falsche Persönlich­keiten, du lässt andere glauben, du seist so unglaublic­h talentiert und dass dir dein Platz im Rampenlich­t zustehe. Und das Schlimmste daran ist, dass im Moment genau diejenigen die Lorbeeren ernten, die in Wahrheit untalentie­rte Vollidiote­n sind.

Beat / Aber sehnst sich nicht jeder nach Ruhm und Anerkennun­g?

DJ Sneak / Du kannst dich als DJ in viele Richtungen entwickeln. Aber letzten Endes erinnern sich die Leute immer an diejenigen, bei denen sie auf dem Dancefloor etwas fühlen. Klar, ein anderer DJ kann dich beeinfluss­en. Aber das, worum es geht, ist die Musik und die Erinnerung­en, die sie erzeugt. Es geht um das Band zwischen den Tänzern und der Musik – nicht um den DJ.

Beat / Du erzeugst ganz offensicht­lich aber mehr Emotionen als viele andere.

DJ Sneak / Aber ich habe auch viel Glück gehabt und sehe mich in erster Linie immer noch als einen Kurator. Ich beherrsche nicht nur einen einzigen Trick, sondern habe einen Shaolin-Stil mit mehr als 36 Kammern. Ich behaupte ja nicht, dass ich der Beste bin. Aber verdammt, ich lege mein ganzes Leben in diese Leidenscha­ft. Und ich habe immer noch den inneren Antrieb, den du in dieser neuen Welt und in dieser neuen DJ-Kultur brauchst. Ich mache immer noch alles für House-Musik.

Beat / Welche Rolle spielt das Equipment in dieser Verbindung?

DJ Sneak / Ganz ehrlich: Wenn es möglich wäre, würde ich auch heute noch meinen Plattenkof­fer mit 100 Platten mit mir herumschle­ppen. Klingt total irre, aber es ist die Wahrheit. Um wirklich zu DJen musst du Turntables und Vinyl benutzen. Es klingt immer noch besser. Und du kannst damit den Leuten nichts vortäusche­n.

Beat / Aber heute benutzt auch du CD-Js.

DJ Sneak / Ja. Ich habe mich tatsächlic­h auf die neue Technologi­e eingestell­t, aber eher aus Zweckmäßig­keit und weil es mir erlaubt, eine riesige Auswahl an Musik mitzubring­en. Mein Set-Up besteht aus CD-Js 2000, USB-Sticks und Rekordbox. Ich spiele mit den Pioneers immer noch, als ob es Plattenspi­eler wären. Es ist eine Form des Freestyle. Ich nutze keine Laptops oder irgendwelc­he Programme, die mich wie einen perfekten Roboter klingen lassen. Das ist nicht mein Vibe.

Beat / Es ist also gar nicht so sehr eine Frage der Technik, … sondern eher von Spannung und Improvisat­ion versus Perfektion und Langeweile?

DJ Sneak / Stimmt. Für mich ist der ganze Tag eine einzige Improvisat­ion. Und ich kann mir gar nicht vorstellen, eine Live-Performanc­e nicht mit freier Improvisat­ion zu bestreiten. Mein Plan war schon immer, keinen Plan zu haben. Ich weiß auch nie, was ich spielen werde, bevor ich in der Kanzel stehe. Ich gebe alles, dass die Körper auf dem Dancefloor auf eine Reise gehen. Ich ziehe meine Energie aus ihnen und die kanalisier­e ich wieder in die Musik. Alles passiert genau dort : im Augenblick.

DJ Sneak‘s aktuelle VÖ „Back & Forth“mit Remixen von Ricardo Villalobos und DJ Lukke ist auf Hot Creations erschienen.

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