10 Entscheidungen, die Sie vor dem Recording treffen können
Passen die Vocals oder nehme ich noch einmal auf? Und sollte ich dabei nicht vielleicht die Melodieführung noch mal überarbeiten? Im Produktionsprozess begegnet uns eine Vielzahl von Entscheidungen, die getroffen werden wollen. Das kann schnell überfordern und die Produktion sogar zum Stillstand bringen. Wie lässt sich dieser Flut an Entscheidungen begegnen? Wir möchten Ihnen zehn Entscheidungen aufzeigen, die sich bereits vor dem Recording treffen lassen. Damit lässt sich der Workflow strukturieren, der Fokus behalten und der Song letztendlich fertigstellen, ohne in der Producerblockade zu landen.
1. Externe Ablenkung vermeiden
Entscheiden sie sich beim Recording bewusst für den vollen Fokus auf die Musik, indem sie ihre Aufmerksamkeit nur auf das Projekt richten. Externe Ablenkungen stören nicht nur die Aufnahme, sondern zehren auch an den Nerven. Daher gilt es, möglichst viele Störquellen zu eliminieren. Schließen Sie die Fenster. Prüfen Sie, ob technische Geräte wie Drucker, Fernseher oder auch Lampen Geräusche von sich geben und schalten sie diese gegebenenfalls aus. Versetzen Sie ihr Smartphone in den Flugmodus, um weder durch Anrufe noch durch Nachrichten aus Social Media aus dem Flow gerissen zu werden. Sorgen sie für eine musikalische Atmosphäre, indem sie nur produktionsrelevante Dinge auf dem Tisch platzieren. Mit dieser Entscheidung bleibt der Fokus beim Aufnehmen aufrecht erhalten und Ihr Flow kann nicht durch externe Ablenkungen gestört werden.
2. Jedes Resultat ist besser als keines
Oft ist der Anspruch an eigene Songs so hoch, dass es schwerfällt, sich beim Produzieren festzulegen. Der innere Kritiker schlummert in jedem von uns und seinetwegen bleiben angefangene Songideen leider viel zu häufig liegen. Die Entscheidung für einen bestimmten Sound, ein Arrangement oder den finalen Take bleibt offen. Unabhängig davon, wodurch diese “Lass erstmal liegen“-Attitüde entsteht, eins steht fest: Umso länger ein Song liegen bleibt, desto niedriger sinkt die Chance, dass er noch zu Ende produziert wird. Treffen Sie daher für die nächste Produktion schon im Vorhinein die Entscheidung, jeden Produktionsschritt zu Ende zu führen, um den Song so weit wie möglich zu bringen. Lassen Sie sich dabei von Ihrer Intuition leiten und zögern Sie nicht, schnelle Ideen final festzuhalten. Jedes Resultat ist besser als keines, zudem entpuppt sich das Potential so mancher Songs oft erst im fortgeschrittenen Produktionsprozess.
3. Fehler zulassen
Fehler beim Musik produzieren entstehen ganz natürlich. Betrachten sie den Produktionsprozess daher nicht zu technisch, sondern treffen Sie die Entscheidung, spielerisch an die Sache heranzugehen. Das nimmt den Druck aus dem Musizieren, sorgt für eine entspanntere Atmosphäre und gibt der Kreativität mehr Raum. Spannende Arrangements entstehen oft durch Ausprobieren, frei nach dem “Trial and Error”-Prinzip. Aus vermeintlichen Fehlern können sogar spannende Variationen entstehen. Beim Recording von Vocals zum Beispiel lohnt es sich oft, mit verschiedenen Harmoniestimmen oder Backingstimmen zu experimentieren, mehrere nacheinander einzusingen und erst im Anschluss auszuwählen, was am besten zum Song passt. Dabei gibt es kein Arbeiten nach Lehrbuch. Vertrauen Sie Ihren Ohren und schaffen Sie sich mit dieser Einstellung mehr Freiheit beim Musik produzieren.
4. Zeitfresser eliminieren
Viele kleine Zeitfresser können sich im Recordingprozess summieren und immer wieder zu Verzögerungen oder Unterbrechungen im kreativen Workflow führen. Es lohnt sich, sich einmal Zeit zu nehmen und alle kleinen und größeren technischen Probleme zu lösen, die für Hindernisse beim Recording sorgen. Tatsächlich haben sich bei mir kürzlich mehrere solcher kleinen Software-Probleme angesammelt, was sogar dazu geführt hat, dass ich zeitweilig keine Motivation mehr gefunden habe, neue Recordingsessions anzugehen. Projekte, die ich im Homestudio am Laptop angefangen hatte und im Studio ausproduzieren wollte, ließen sich aufgrund von Kompatibilitätsproblemen von Plug-ins nicht vollständig auf dem Studio PC öffnen. Nachdem ich das Problem über drei Wochen immer wieder aufgeschoben hatte, musste ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen. Ich habe also einen ganzen Tag und eine halbe Nacht lang damit verbracht mühselig alle vorhandenen Plugins, Libraries und Dateieinträge von meinem Laptop zu entfernen und neu zu installieren, da der Fehler nicht anders zu lösen war. Obgleich mir diese Fummelei derart schlechte Laune gemacht, dass ich an diesem Tag jeden meiner Kollegen angeschnauzt habe (Entschuldigung dafür), hat es sich doch umso mehr gelohnt, die Sache endlich anzugehen. Denn jetzt habe ich ein reibungslos funktionierendes Setup, das es mir ohne Umstände ermöglicht, Projekte auf beiden Rechnern zu öffnen und ohne aufploppende Fehlermeldungen zu recorden.
5. Produktionsprozess aufsplitten
Viele verschiedene Tätigkeiten im Produktionsprozess unterscheiden sich in ihrem Workflow stark voneinander. Vor allem Anfänger fühlen sich zu Beginn schnell überfordert und versuchen oft, mehrere dieser Prozesse auf einmal anzugehen. Der beste Weg, um sich dabei nicht zu überfordern, ist die Produktion auch gezielt in verschiedene Einheiten aufzusplitten. Beispielsweise lässt sich die Songentstehung in sechs Prozesse aufteilen: Komposition, Arrangement, Songwriting, Recording, Mixing und Mastering. Gehen Sie jede dieser Einheiten auch getrennt voneinander an. Oft hilft es, jedem Prozess ein eigenes Zeitfenster zu geben und dazwischen Pausen einzuplanen. So bleiben Sie motiviert und können sich immer voll auf eine Sache konzentrieren. Mit der Entscheidung, jeden dieser Schritte einzeln zu bearbeiten, sinkt zudem auch die Tendenz, unabgeschlossene Projekte wegzulegen oder Abschnitte unerledigt zu lassen.
6. Mikroperspektive optimieren
Beim Aufnehmen und Nachbereiten von Recording-Sessions ist ein schnelles Arbeiten innerhalb der DAW unabdingbar. Manche Funktionen, wie beispielsweise das Schneiden, Anpassen der Event-Länge oder entfernen bestimmter Abschnitte werden beim Editing kontinuierlich benutzt. An viele Abläufe haben Sie sich bestimmt mit der Zeit gewöhnt und den Großteil der Funktionen in der DAW werden sie vermutlich genau so ausführen, wie sie es am Anfang gelernt haben. Aber ist das wirklich der effizienteste Weg? Hinterfragen Sie wiederkehrende Aktionen im Detail, indem sie nach alternativen, schnelleren Möglichkeiten suchen, bestimmte Befehle auszuführen. Geht das mit weniger Klicks? Oder gibt es für diese Aktion einen Shortcut? Passen Sie Shortcuts individuell an oder erstellen Sie eigene Tastenkombinationen für Befehle, die Sie im Produktionsprozess am häufigsten verwenden. Manchmal lassen sich auch zwei Aktionen in einem Shortcut kombinieren. Auch wenn diese Änderungen etwas Eingewöhnungszeit benötigen, die Umstellung lohnt sich auf lange Sicht. Damit entscheiden Sie sich für ein schnelleres, unkompliziertes Handling der technischen Abläufe und finden mehr Zeit für den kreativen Teil.
7. Ein festes Setup
Welchen Kompressor lade ich auf die Vocalspur? Welches Piano-Plug-in passt am besten zum Song? Diese und ähnliche Hürden können den Flow unterbrechen und führen beim Recording dazu, dass Fokus vom Kreativen immer wieder auf technische Entscheidungen umschlägt. Das lässt sich am besten vermeiden, indem sie ich sich ein festes Recordingsetup einrichten. Positionieren Sie alle Live-Instrumente in Griffweite und verkabeln sie diese, ebenso wie alle benötigten Mikrofone mit dem Interface. Auch die richtigen Eingangspegel sollten schon eingestellt werden, diese können Sie für zukünftige Sessions auch auf einem Streifen Klebeband über den Reglern festhalten. Erstellen Sie sich ein Recording-Template für ihre DAW, in dem verschiedene Einzel- und Gruppenspuren für Gesang und Instrumente bereits geladen sind. Auch das Routing der Eingangs- und Ausgangskanäle kann darin vorbereitet sein. Laden sie sich eine Auswahl an virtuellen Instrumenten in die DAW. Sie können sogar Recording-Templates für verschiedene Genres erstellen. Für einen fixen Demomix von Songskizzen ist es außerdem sehr hilfreich, wenn grundlegende Effekte wie Equalizer, Kompressor und Limiter bereits auf den Spuren geladen sind. Nehmen Sie sich Zeit dafür, ein festes Recording Setup mit einem oder mehreren Templates aufzubauen. Von hier ab lassen sich Ideen deutlich schneller festhalten, ohne dass Sie sich immer wieder mit technischen Vorbereitungen auseinandersetzen müssen.
8. Kreativität durch Einschränkung
Das Zimmer voller Instrumente, unzählige ähnliche Plug-ins in der Sammlung und drei verschiedene Gesangsmikrofone zur Auswahl. Setups dieser Art führen zu vielen weiteren Entscheidungen, die den Produktionsprozess aufhalten. Sie unterbrechen die Aufnahmen und belasten den Freigeist mit einem technischen Fragenhagel. Doch auch hier ist weniger mehr! Entscheiden Sie sich schon vor dem Recording für ein minimalistisches Setup. Je kleiner die Auswahl, desto übersichtlicher sind auch die Entscheidungen. Legen sie eine Gitarre als Standardinstrument fest, reduzieren Sie ihre EQ-Sammlung auf ein Plug-in, dass sie in und auswendig kennen und machen Sie ein Mikrofon zu ihrem Standard beim Aufnehmen. Kreativität entsteht oft durch Einschränkungen. Ist gerade kein passendes Percussion-Plug-in zur Hand, finden Sie vielleicht einen spannenden Gegenstand zum Samplen im Raum. Und schon bekommt der Song eine ganz persönliche Note.
10. Mut zum ersten Take
Gibt es überhaupt so etwas wie den perfekten Take? Die Antwort auf diese Frage ist natürlich sehr subjektiv. Entscheiden Sie sich vor einer Recordingsession dazu, die Anzahl der Aufnahmen zu beschränken und nicht jede Spur bis ins letzte Detail erneut aufzunehmen. Was dabei hilft, ist der Mut zum ersten Take. In den ersten Aufnahmen ist die Perfomance meist sehr natürlich, frei heraus und man singt oder spielt noch nicht allzu verkopft. Das sorgt für eine gewisse Lockerheit, die solche Aufnahmen mit sich bringen. Nutzen Sie diesen Schwung, um auch die innere Haltung beim Aufnehmen in eine ähnliche Richtung zu lenken und kleinere Fehler zu akzeptieren. Sie sind Teil der Performance. Was am Ende zählt, ist immer das große Ganze, das Gesamtklangbild. Ein bisschen Kante tut den meisten Aufnahmen sehr gut und kann einem Song auf natürliche Weise einen individuellen Charakter verleihen. Und vielleicht ist genau das die Art Würze, welche die Musik braucht. Finden Sie von glattgebügelten Hochglanz-Aufnahmen hin zu mehr Attitüde und Persönlichkeit im Recording.
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