Ich bin eine Perfektionistin und ich denke, es ist schwierig für Leute wie mich, ein bisschen loszulassen.
Francesca Lombardo wurde i n der Region Castiglione Delle Stiviere in der Lombardei geboren und begann im Alter von sechs Jahren mit dem Schreiben von Klavierstücken. Auch im Jugendlichenalter folgte sie ihrer musikalischen Intuition und sang in Schulopern und Bands. Die kommerzielle italienische Popmusik war ihr schon immer fremd und so war es wohl eine Fügung des Schicksals, dass ihr Onkel sie in die Welt der elektronischen Musik einführte. Ende der 90er ging Lombardo nach London, um an verschiedenen Sound- und Technologieschulen Unterricht in Musik Engineering, Produktion und Gesangstechnik zu nehmen.
Da sie sich keine Hardware leisten konnte, konzentrierte sie sich zunächst auf ihre DJ-Tätigkeit unter dem Namen Jackie Misfit, um im Produktion-Bereich Fuß zu fassen. Die ersten Veröffentlichungen ebneten ihr den Weg in den Techno-Underground, während ihre DJane-Karriere mit weltweiten Auftritten bei Festivals wie Burning Man, Tomorrowland und Circoloco Fahrt aufnahm. Nach 20-jähriger Entwicklung war Lombardo endlich bereit, ihre Liebe zur elektronischen Musik mit ihrer klassischen Vergangenheit zu verbinden, was in ihrem Debütalbum „Life Of Leaf“resultierte.
Beat / Wolltest du zuerst Produzentin oder DJane werden?
Francesca / Das DJing ist einfach passiert. Ich bin 1999 nach London gezogen, habe jedes Wochenende illegale Raves besucht und begann dann plötzlich damit, selbst aufzulegen. Ich war damals bereits Musikerin, denn ich spielte ja Klavier und sang. Der Wille, Produzentin zu werden, war schon entstanden, als mir mein Klavierlehrer im Alter von 11 oder 12 Jahren ein Studio zeigte. Ich habe viele Leute getroffen, die mir geholfen haben und meine
Liebe zur Produktion drückte sich dann darin aus, dass ich zu einer entsprechenden Schule ging, um die Technik zu lernen, aber ich hatte kein Geld, um mir Equipment zu kaufen. Meine Leidenschaft für das DJing kam etwas später.
Beat / Hat dein italienisches Erbe deinen Musikgeschmack beeinflusst?
Francesca / Als ich in Italien lebte, hörte ich, was immer im Radio lief, sowie viel psychedelischen Rock und Musik der 80er-Jahre. Ich mochte die
auftraten. Unter jedem Bogen gab es eine andere Art von Musik, von Reggae über Techno bis hin zu Drum’n’Bass.
Beat / War das unter dem Namen The Misfits?
Francesca / Ja, ich habe mit einem anderen Mädchen zusammen gespielt, das meine Nachbarin vom Zimmer darüber war. Das Set war nur eine halbe Stunde lang, aber ich hatte zu viel Angst davor, alleine zu spielen. Wir haben unseren ersten Auftritt als The Misfits absolviert und eine halbe Stunde lang Rücken an Rücken gespielt. Wir waren so aufgeregt und nervös. Damals war alles so puristisch - es gab nur uns und unser Vinyl.
Beat / Wie lange habt ihr als DJ-Duo existiert?
Francesca / Wir haben eine Weile zusammen gespielt, sie war eher funky orientiert und ich ein bisschen mehr in Richtung Acid und Hard Techno. Am Ende haben wir einzelne Namen kreiert. Wir würden immer noch zusammen spielen, aber ich wurde ja Jackie Misfit. Viele Jahre später ging ich in Hackney spazieren und sah das Plakat für diese Party immer noch dort hängen - ich konnte es nicht glauben! Damals hatte ich weder einen Agenten noch einen Manager - so konnten die Dinge nicht
funktionieren. Ich habe gerade angefangen, auf Squat-Partys, im Café 1001 in der Brick Lane und später in der Gegend von East London zu spielen. Zu diesem Zeitpunkt wechselte mein DJ-Sound von Hard Acid Techno zu einem etwas melodischeren Minimal Techno-Stil. Ungefähr zu dieser Zeit begann ich auch zu produzieren.
Beat / Wie hat sich deine Produktionskarriere entwickelt?
Francesca / Irgendwann habe ich es geschafft, einen Agenten in Spanien zu finden, und habe in vielen Clubs in dieser Region und in England gespielt. Ich ging auch zur Universität, hatte aber einfach Spaß und hätte nie gedacht, dass Musik ein Job werden würde. Erst als ich die Universität beendet hatte, fragte ich mich, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Ich war in Musik verliebt und spielte in Bands, aber erst damals überlegte ich mir, dass Musik tatsächlich etwas wäre, womit ich meinen Lebensunterhalt bestreiten könnte.
Beat / Du hast auch ein Diplom in Tontechnik...
Francesca / Es ging an die IMW School of Music Production in London. Der Kurs dauerte drei Monate und ich schloss ihn mit einem achtmonatigen Diplom ab, von dem ich viel mitgenommen habe, insbesondere was die Tontechnik betrifft. Ich habe auch etwas über Musikproduktion gelernt, wie man Software benutzt und alles, was man zum Mischen eines Tracks braucht. Heute, wo man alles im Rechner macht, ist es einfach, Tutorials zu finden. Das ist viel einfacher als das Erlernen der Tontechnik nach alter Schule, wo man genau verstehen muss, wie man mit Vintage-Equipment wie Bandgeräten und anderen analogen Effekten einen guten Klang erzielt.
Beat / Würdest du das also empfehlen?
Francesca / Es war eine gute Erfahrung für mich, die Grundlagen zu lernen und mit Geräten der alten Schule vertraut zu werden, da ich mir diese damals noch nicht hätte leisten können. Leider habe ich den günstigeren Kurs belegt und hatte nicht jeden Tag Zugang zum Studio, aber ich werde die Zeit, die ich dort verbracht habe, nie bereuen. Es gab in dem Kurs unter 30 Kerlen neben mir nur noch ein anderes Mädchen. Es war also sehr männlich dominiert, aber irgendwie war es auch cool, eines der wenigen Girls zu sein [lacht].
Beat / Apropos, du warst auch am Internationalen Musikgipfel von Ibiza beteiligt. Dort hast du über einige der Hindernisse gesprochen, die Frauen in einem von Männern dominierten Umfeld überwinden müssen...
Francesca / Ich glaube, ich hatte immer großes Glück. Als ich bei den Raves spielte, war ich von wirklich netten Leuten umgeben, die mich respektierten. So gesehen, verlief mein Werdegang ziemlich reibungslos. Vielleicht hatte ich nie
Probleme, weil ich nie irgendwelche Erwartungen hatte, aber heute gibt es viele Frauen, die auflegen, produzieren und sogar Management machen, also ist es nicht mehr so männlich dominiert wie vorher. Es ist schön, zu sehen, dass es ein besseres Gleichgewicht gibt und Frauen mehr Raum haben, um für die Dinge, die sie machen, anerkannt zu werden.
Beat / Wie hast du dein Studio aufgebaut?
Francesca / Es war damals schwierig, in London zu leben und mich über Wasser zu halten. Ich habe immer Teilzeit gearbeitet und hatte ein sehr kleines Budget. Die erste Ausrüstung, die ich mir zugelegt habe, war schrecklich! Ich habe mir einen digitalen Mixer von Yamaha gekauft, weil ihn ein Mädchen, mit dem ich in einer Band gespielt habe, verkauft hat. Ich hätte mir lieber einen kleinen analogen Mixer kaufen sollen, weil dieses große digitale Ding mein Leben nur verkompliziert hat. Ich habe auch das billigste Paar Alesis-Plastiklautsprecher gekauft - ein weiterer Fehler, denn das Wichtigste, was man im Studio braucht, ist natürlich ein gutes Paar Lautsprecher.
Beat / Du hast also mit Software angefangen zu produzieren?
Francesca / Ich habe mit Cubase und einer MOTU-Soundkarte angefangen, bevor ich zu Logic gewechselt bin, konnte mir aber keine Synth-Hardware leisten. Deshalb habe ich alle Software-DAWs wie Reaper und Reason gekauft. Es dauerte ungefähr fünf Jahre, bis ich meine ersten Synthesizer hatte, nämlich den Korg MS-2000 und den Roland SH-101, aber ich hatte auch Glück, weil ich in Bands war und immer Zugang zu den Studios von Freunden hatte, wo es viel tolles Equipment gab.
Beat / Du hast Kraftwerk bereits erwähnt: Waren sie für dich früher ein großer Einfluss?
Francesca / Ich habe viele Tracks in meinem Computer, die von Bands wie Kraftwerk beeinflusst wurden, aber ich habe diesen Einfluss nie für meine Clubmusik genutzt und würde sowieso nie versuchen, jemanden zu kopieren. Ich mochte die analogen Sounds, die sie verwendeten; wollte aber meine Tracks nicht in diesem Stil gestalten. Als ich ein Studio hatte, das gut genug war, um endlich einen Track hinzubekommen, war ich sehr begeistert von dem, was zu dieser Zeit aktuell war. Ich wurde beeinflusst von den Künstlern, die ich damals kennenlernte, und da fing ich an, Minimal Techno und Tribal Minimal zu machen.
nicht, was du über das Album gedacht hast, aber es gibt Elemente, die ziemlich altmodisch sind, gemischt mit Dancefloor-Elementen, die hoffentlich neu klingen.
Beat / Deine Dance-basierten Tracks hatten schon immer ein bestimmtes Ambiente...
Francesca / Ich weiß, dass Dance Music mächtiger ist, wenn sie die Leute auf der Tanzfläche weghaut, aber im Moment mag ich es nicht, derartige Musik zu machen. Vielleicht werde ich mich eines Tages ändern, aber ich denke, mein Musikstil hat etwas damit zu tun, eine Frau zu sein, weil ich diesen Stil auch bei vielen anderen Künstlerinnen höre.
Beat / Hast du das Gefühl, dass das Produzieren von Clubmusik ein Mittel zum Zweck war und „Life Of Leaf “der wahre Ausdruck deines Sounds ist?
Francesca / Ich sehe diese Veröffentlichung als deutlich von der Clubmusik getrennt an. Ich habe bereits begonnen, am nächsten Album zu arbeiten, das etwas treibender sein wird. „Life Of Leaf “ist einfach eine Reise, die ich durchmachen musste. Ich denke, das Album war eine Möglichkeit für mich, mein DJ-Leben, House- und Techno-Tracks zu machen und alles, was ich im Laufe der Jahre gelernt habe, in Einklang zu bringen. Es ist einfach etwas, das ich machen wollte, bevor ich meine Karriere fortsetze.
Beat / Ist es schwierig, elektronische und klassische Elemente nahtlos und natürlich miteinander zu verbinden?
Francesca / Für mich fühlt sich alles ganz natürlich an. Ich analysiere meine Musik ständig und manchmal wünschte ich, sie könnte etwas verträumter oder irgendwie anders sein. Ich bin so wählerisch und genau und mir dessen bewusst, dass meine Musik all diese klassischen Linien hat und alles so strukturiert ist. In Zukunft würde ich gerne eher so Jamming-Vibes haben. Ich vermisse das, weil ich klassische Musik studiert habe, wo immer alles so mathematisch ist.
Beat / Musst du dafür quasi deine klassische Ausbildung verlernen?
Francesca / Ich bin eine Perfektionistin und ich denke, es ist schwierig für Leute wie mich, ein bisschen loszulassen. Vielleicht muss ich Ableton mehr verwenden, um diesen Jamming-Stil in meiner Musik zu kreieren. Live im Studio zu spielen, alles aufzunehmen und die besten Stücke auszuwählen,