Digitale Kultur: Executive Producer
Die Ära genialer Solo-Künstler ist vorbei. Heute wird Musik von Kollektiven konzipiert und vermarktet. Hinter den Kulissen ziehen finanzkräftige Einzelgestalten die
Fäden; an sich nichts Neues. Neu aber ist, dass es sie inzwischen verstärkt auch ins Rampenlicht zieht.
DJ Khaled sagte einmal: „Manche können mit Erfolg nicht umgehen. Ich schon!“. Wo er Recht hat, h at er R echt. La ut dem B usiness-Magazin Forbes beläuft sich sein Jahreseinkommen auf schlappe $30 M illionen [1]. S eine Alb en „ Major Key“und „Grateful“erreichten mühelos die Spitze der amerikanischen Charts, sogar das von der Kritik verrissene „Father of Asad“stieg auf Platz 2 ein. In seinen Tracks reichen sich die Großen des HipHop die Klinke in die Hand, von Jay-Z und Beyoncé über Altstars wie Nas und Lil Wayn bis hin zu angesehen Underground-Artists wie Kendrick Lamar. Auf Snapchat, wo er rekordverdächtige sechs Millionen Fans pro Clip erreicht, gibt Khaled ungeschönte Einblicke in sein Privatleben, nimmt die Kamera mit in die Dusche und filmtsich und seinen Sohn zu Hause. Nur eines ist sogar vielen Eingeweihten bis heute ein Rätsel geblieben: Obwohl sein Gesicht auf nahezu allen seinen Veröffentlichungen zu sehen ist, rappt, singt und pr oduziert er nic ht, spielt kein Instrument und sitzt auch nicht hinter den Reglern. Was genau macht dieser Mann eigentlich?
Dabei hat Khaled aus seiner Funktion im Kreativprozess nie einen H ehl gemacht. Im w eitesten Sinne gehört er einer Berufsgattung an, die seit den frühen 90ern die Musikindustrie entscheidend geprägt h at: D er des E xecutive Pr oducers. K haleds
Beitrag beinhaltet vor allem dass er über seine vielfältigen Tätigkeiten nahezu jeden aus der Szene persönlich kennt und über die Geldreserven verfügt, um sie ins Studio zu locken. Nach vier eher durchschnittlich erfolgreichen Veröffentlichungen erzielte er 2011 mit „We the Best Forever“den Durchbruch. Seitdem hat er diese Position kontinuierlich mit einer Strategie ausgebaut, welche das Rolling-Stone-Magazin auf die einfache Formel reduziert hat: „Singles mit vielen Stars verkaufen sich besser als Solo-Hits. Und beliebte Rapper über teuren Beats verkaufen sich besser als weniger beliebte Rapper über billigeren Beats.“[2] Berichte von Journalisten, die bei einer der Studio-Sessions dabei waren, sehen seinen Beitrag dabei vor allem darin, die Fäden zu ziehen, die Finanzierung zu sichern und die Stimmung hoch zu halten. [3] Man mag das als dekadent empfinden, doch gibt ihm der Erfolg recht – und das in einer Branche, in der mit dem reinen Verkaufen von Musik eigentlich kaum noch Geld zu machen ist.
Vorboten und Visionen
Hip Hop ist nicht die einzige Musikform, in der die Executive Producerin einen Höhenflug genießt. Wenn man es genau nimmt, waren bereits die ersten Boy- und G irlbands der 60er und 70er Vorboten: Von r eichen Pr oduzenten und Plattenbossen am Reißbrett entworfen, von einer gnadenlos auf die Hitparaden g etrimmten S trategie g elenkt, wurden die Musiker hinter den Hits zum akustischen Ä quivalent der A ugsburger Puppenkiste. Santanas „Supernatural“, welches entscheidend von Arista-Boss Clive Davis or ganisiert und or chestriert wurde, machte d as Executive-Producer-Modell Ende der 90er a uch im Rock salonfähig. In den vergangenen Jahren wiederum haben Leute vom Schlage eines Scooter Braun die traditionelle Funktionalität des M anagers deutlich erweitert und einen tiefen Einflussauf die musikalische Orientierung der von ihm betreuten Künstler und Künstlerinnen genommen. Nicht zuletzt Justin Bieber hat davon gerade in s einen schwierigen Jahren profitiert.
Trotzdem biet et s ich die R olle des E xecutive Producers g erade i m Hip H op a n. D enn d iese a us dem Sampling und dem V ermischen verschiedenster Genres geborene Musik kann ohne eine üb ergeordnete Vision recht schnell zerrissen und or ientierungslos wirken. Hinzu kommt, dass sie bis heute in v erfeindete La ger g espalten is t, die s ich g egenseitig dissen, bekämpfen und mit Beefs überschütten. Wem es g elingt, die S zenen zusammen zu führen, winkt massiver Zuspruch und der D urchbruch in ganz neue Hörerschichten. Zu guter Letzt sind die Chancen auf signifikante finanzielle Erträge hier wohl am höchsten. Denn Hip Hop ist trotz der üblic hen zyklischen Schwankungen die Musik der Stunde geblieben. Oder, wie Maroon5-Frontmann Adam Levine es formuliert: „Sämtliche Innovationen und all das
Die Ära genialer Solo-Künstler ist vorbei. Heute wird Musik von Kollektiven konzipiert, geschrieben und vermarktet. Hinter den Kulissen aber ziehen findige und finanzkräftige Einzelgestalten die Fäden. Das ist an sich nichts Neues.
Neu aber ist sehr wohl, dass es sie inzwischen verstärkt auch ins Rampenlicht zieht. So werden die Geldgeber plötzlich zu Stars, ihre kommerziellen Produkte als Kunst gefeiert – ein Modell für die Zukunft oder ein Skandal?