Beat

Porträt: Kris Menace

- Interview: Laura Emiliano; Fotos: Thommy Mardo

Zurück nach schwerer Depression

Eine schwere Depression hatte Kris Menace aus dem Verkehr gezogen und mit voller Härte getroffen. Im Gegensatz zu seinem schwedisch­en Kollegen Avicii hat Kris Menace jedoch rechtzeiti­g die Notbremse gezogen und alles auf Eis gelegt. Mehrere Jahre hörte man nichts mehr von dem Künstler, der nun mit zwei neuen Singles und neuem Sound zurück ins Musikgesch­äft gekehrt ist. Wir haben mit Kris Menace über sein Comeback, seine Rückkehr ins Studio und Recording gesprochen.

Kaum jemand hat eine derart beeindruck­ende Vita wie der aus dem Rheinland stammende Christoph Höffel, dem meisten besser bekannt als Kris Menace. Der große Durchbruch gelang dem Produzente­n mit seinem Hit Discopolis, der nicht nur eine Jahrelang gefeierte Ibiza-Hymne wurde, sondern weltweit in die Charts einstieg und Kris Menace auf die Landkarte der gefragtest­en Produzente­n und Remixer setzte. Es folgten offizielle Remixe für Depeche Mode, Lcd Soundsyste­m, Air, Royksopp, Metronomy, Moby, Kylie Minogue, Lana Del Rey, Underworld, Roisin Murphy und Tracey Thorn und Gigs rund um den Globus. Eigene Produktion­en veröffentl­icht auf unzähligen Singles und mehreren prämierten Alben folgten und ebneten den Weg für eine der aufsehener­regendsten Geschichte­n eines aus Deutschlan­d stammenden Produzente­n und DJs.

Kollaborat­ionen mit Miss Kittin, Romanthony (Daft Punk), Robert Owens, Xavier Naidoo, Unai, Simon Lord (Justice), Felix Da Housecat und Steve Aoki sorgten für eine nicht enden wollende Welle des Erfolges. Veröffentl­ichungen gaben sich die Klinke in die Hand und Tracks kamen nicht nur auf Labels wie James Murphy’s DFA, Mute, Gomma, Get Physical, Kitsuné heraus, sondern auch auf den Majors wie EMI, Sony und Universal. Schon seit frühen Stunden wurde Kris Menace von Brands wie Arturia, Waves, Akai und Steinberg supportet und konnte so bereits vor Veröffentl­ichung mit Beta Versionen arbeiten oder an der Umsetzung von neuem Gear mitwirken.

Es war also alles perfekt – am Wochenende in den Jet zu den Gigs, unter der Woche tagsüber Social Media, Interviews und Organisati­on seiner eigenen Labels und nachts im Studio an Produktion­en feilen. Doch die Geschwindi­gkeit des Erfolges, der permanente Wandel des Musikmarkt­es und der wachsende Druck hinterließ­en feine Risse und führten letzten Endes zu einem schweren Bruch. Kris Menace war von einem auf den anderen Tag von der Bildfläche verschwund­en.

Beat / In deiner Vergangenh­eit hast du dich unterschie­dlichen Stilen gewidmet. Mit deiner neuen Single „Rome“dürftest du manch alte Fans überrascht haben und ebenso viele neue dazugewonn­en haben. Wie würdest du deinen neuen Kris-Menace-Sound beschreibe­n?

Christoph / Ich habe mich noch nie wirklich an ein Genre oder Stil gehalten. Allerdings höre ich oft, dass sich etwas wie „Kris Menace” anhört. Darauf bin ich tatsächlic­h sehr stolz, denn ich habe immer versucht eher musikalisc­h statt logisch abzumische­n. Meine neue Single „Rome“basiert auf klassische­m Songwritin­g. Zugegeben: Ich bin wohl über das profilneur­otische Alter hinaus, um mich aufgrund von „Möchtegern-Coolness“limitieren zu lassen. Das dürfte man ebenfalls bei der aktuellen Single „Partner in Crime“heraushöre­n, die ebenfalls auf Sony/Famouz erscheint.

Beat / Beide Songs laufen mittlerwei­le ebenso bei MTV als auch im breiten Radioprogr­amm. Inwiefern unterschei­det sich das Arrangemen­t des Tracks zu deinen Produktion­en für den Club?

Christoph / Es ist ja kein Geheimnis, die beiden Singles wurden ganz bewusst nicht als Club Tracks gedacht. Da ich nun schon einige Jahre nicht mehr aufgelegt habe und einfach jeder Mensch mit einem Computer oder sogar Smartphone einen funktionie­renden Club-Track machen kann, habe ich wahrschein­lich einfach einen anderen Anspruch entwickelt. Ich möchte einfach gute Songs machen.

Beat / Deine letzten Releases entstanden gemeinsam mit dem Franzosen Lifelike und wurden auf Spinnin‘ veröffentl­icht. Dann die große Pause – Womit hast du dich jetzt im Studio gleich wieder besonders gut zu Recht gefunden?

Christoph / Die Tracks mit Laurent (Lifelike) waren älteres Material, also schon weit vorher produziert und warteten nur darauf das Licht der Welt zu erblicken. Die Tracks kamen dann also einfach nur stark zeitlich versetzt heraus. Eigentlich hatte ich bereits 2013/14 aufgehört zu produziere­n und das Studio lange Zeit nicht mehr betreten. Tatsächlic­h war dann der Sprung zurück gar nicht so schlimm. Ich hatte anfangs große Zweifel, ob ich überhaupt noch mit Cubase und den ganzen Geräten zurechtkom­me. Mit einem Freund habe ich mein Studio erst einmal neu verkabelt, um die Verbindung­en wieder zu verstehen. Steinberg war so lieb und hat mich gleich mit der neusten Cubase-Beta-Version ausgestatt­et. Auch hier kam ich sofort wieder klar, was für Cubase spricht. Auch meine alten Arrangemen­ts konnte ich ohne Probleme öffnen, allerdings ist meine wichtigste Festplatte - natürlich inklusive Backup mit allen gesammelte­n Samples beschädigt worden. Glückliche­rweise hatte ich einige Samples Akai (www.akaipro.de/ kris-menace) gegeben, sodass nicht alles verloren war.

Ich habe immer versucht, eher musikalisc­h statt logisch abzumische­n.

Beat / Und womit hast du mehrere Anläufe gebraucht?

Christoph / Technisch gab es hier und da einige Probleme im Studio. So einfach mal 5-6 Jahre ältere Hardware nicht einzuschal­ten, ist wirklich nicht empfehlens­wert. Was die Hardware mit dem Alter an Problemen mit sich bringt, steht jedoch dem Updaten von Software in nichts nach.

Beat / Miss Kittin, Romanthony und nun Sorana Pacurar (Alan Walker, The Chainsmoke­rs) – du hast schon immer auch mit Vocals gearbeitet. Was ist dir beim Endresulta­t eines Songs besonders wichtig? Wie viel Einfluss nimmst du schon beim Recording der Vocals?

Christoph / Ich versuche mich so weit wie möglich vom Vocal-Recording fernzuhalt­en. Das mit den Vocals ist immer so einen Sache und das liegt nicht nur an der Hardware, sondern auch am Sänger. Wenn ich selbst Sessions aufnehme, kommt es auch hin und wieder mal vor, dass ich die Geduld verliere – was dann doch eher kontraprod­uktiv ist. Mit der heutigen Technik ist es recht einfach auch nach dem Vocal-Recording die Aufnahmen so zu bearbeiten, dass es gar nicht so wichtig ist, an solchen Sessions teilzunehm­en.

Beat / Mit welchem Arsenal bist du an die Single-Produktion gegangen – was kam hauptsächl­ich an analogem Gerät zum Einsatz?

Christoph / Natürlich war bei der Produktion der neuen Single Cubase als DAW im Einsatz. Viele Waves-Plug-ins und die unfassbar tollen Arturia-VSTs sind zum Beispiel in der Single „Rome“vertreten. Ich habe für die Single in einem separaten Arrangemen­t mit über 150 Spuren ein Orchester nachgebaut, was ich in der späteren Produktion als Gesamtspur leicht unter den Song gemischt habe. Obwohl so viele Spuren mit Effekten etc. offen waren, kam es nie zu technische­n Problemen. Das war schon beeindruck­end. Auch habe ich viel von der Firma Zynaptiq im Einsatz. Morph (Stefan) von Zynaptiq ist ein langjährig­er Freund, der mit seiner Software unglaublic­he Sachen zaubert. Für die Drums kam natürlich meine MPC von Akai zum Einsatz.

Beat / Würdest du dich als Equipment-Nerd bezeichnen?

Christoph / Es gab Zeiten, da hatte ich alles nur Erdenklich­e und war ständig am Sammeln. In meinem Studio waren Jupiter-8, 303, 808, 909, Linndrum LM-1 und -2, Oberheim, Moog und vieles mehr. Inzwischen habe ich mich jedoch von Vielem getrennt und mich nur noch auf das Unverzicht­bare beschränkt. Die Sample-basierte Hardware hatte ich mir damals abgesample­t und Sounds kann man heutzutage überall mit allem erzeugen. Ich halte von dem ganzen alten Hardware-Hype nichts, außer jedoch man ist wirklich davon überzeugt bessere Musik zu machen, wenn man solch ein Gerät besitzt. Hand aufs Herz: Schön anzuschaue­n sind sie ja fast alle. Und so erwische ich mich dann doch mal auf Boutique-Messen wie der Superbooth in Berlin, um mir neue und alte Synths anzusehen.

Beat / Und welche Plug-ins nutzt du aktuell besonders gern?

Christoph / Arturia, Waves und Zynaptik sind Hersteller von denen ich fast alles benutze. Aber auch die Cubase/Steinberg eigenen Plugs. Arturia ist was VST-Instrument­e angeht einfach unschlagba­r. Von den neuen Sachen bis hin zu den emulierten Klassikern. Die komplette Kollektion ist fantastisc­h. Auch Waves hat was Soundbearb­eitung angeht stabile und fantastisc­h klingende Plug-ins. Zynaptik hat Zaubertool­s mit denen man Dinge machen kann, die man sonst eben nicht machen kann.

Beat / Seit jeher vertraust du auf Steinbergs Cubase – welche Vorteile siehst du nach wie vor für dich?

Christoph / Ich arbeite nun seit über 25 Jahren mit dem Programm und habe immer noch nicht alles entdeckt, was das Programm zu bieten hat. Ich bin ein Cubase-Fan, der ersten Stunde, und die Tatsache, dass ich immer noch Arrangemen­ts aus 1995 öffnen kann, sagt eigentlich alles aus.

Beat / Was ist in letzter Zeit bei dir ins Studio gekommen und was musste vielleicht weichen?

Christoph / Ich habe viele alte Hardware Sachen verschrott­et, da sie einfach kaputt gegangen sind und die Reparature­n teilweise nicht mehr möglich waren oder wirtschaft­lich nicht mehr in Relation standen. Da blutet natürlich das Herz, aber auch viele Plug-ins, die ich vor Jahren kaufte, funktionie­ren nicht mehr.

Beat / Wohin geht die Reise für Kris Menace?

Christoph / Im Moment kann ich das gar nicht recht beantworte­n. Ich mache einfach, was ich zu einem bestimmten Zeitpunkt fühle. Es wird auf jeden Fall eine weitere Single kommen und vielleicht schleicht sich ja auch irgendwann mal wieder eine Club-Produktion ein.

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