DJ-Interview: Andres Campo
In Spanien ist er schon ein Superstar, nun soll der Rest der Welt folgen. Tobias Fischer sprach mit dem DJ und Produzenten über die Zusammenhänge zwischen Design und Musik sowie über die korrekte Positionierung der CDJs.
Wenn allen gefällt, was du tust, dann machst du
etwas falsch. «
In Spanien ist Andres Campo bereits ein Superstar. Jetzt soll der Rest der Welt folgen. Tobias Fischer sprach mit dem DJ und Produzenten über die Zusammenhänge zwischen Design und Musik, die korrekte Positionierung der CDJs und den richtigen Moment, sich einen Tequila zu gönnen. Beat / Warum hat dich gerade elektronische Musik so in ihren Bann gezogen?
Andres Campo / Ich habe Maschinen schon immer geliebt. Ich war auch eine Zeit lang Kreativdirektor, habe Webseiten entworfen und Apps programmiert. Mich fasziniert die Verbindung zwischen Technologie und Menschen. Menschen haben Erinnerungen, Einflüsse und Erfahrungen, die uns von Maschinen unterscheiden. Dafür aber brauchen wir Maschinen, um viele unserer Ideen umzusetzen.
Beat / Designer ist ein interessanter Beruf in diesem Zusammenhang. Denn wie ein DJ muss man einerseits persönliche Kreativität entfalten und andererseits den Auftraggeber zufrieden stellen.
Andres Campo / Ich habe dazu immer gesagt: Du kannst entweder eher als ein Designer auftreten und auf ein klares Ziel hinarbeiten, wie zum Beispiel ein Logo zu entwerfen. Oder du kannst dich eher künstlerisch entfalten, was für mich bedeutet: Dem Fluß zu folgen, dir kreative Ziele zu setzen und keinen oder nur wenigen Anweisungen Folge zu leisten. Es gibt da kein richtig oder falsch, du musst schlicht einen Weg finden, der für dich persönlich funktioniert. Du musst ein Gleichgewicht finden zwischen diesen Polen, ganz besonders als DJ. Aber im Grunde genommen möchte ich meine eigenen Sachen machen, ohne auf die Bedürfnisse, Wünsche oder Erwartungen anderer einzugehen.
Beat / Wann hast du diese Liebe zu Maschinen und Maschinenkunst das erste Mal verspürt?
Andres Campo / Schon als ich vierzehn war. In meiner Heimatstadt Huesca gab es damals eine beachtliche Szene. Es war eigentlich eine recht kleine Stadt, in der aber einige sehr bekannten Namen zu Hause waren, darunter Claudio, Javi Mar, Calle, Catalinas, Gaston, Ricardo und Jaime. Damals gab es noch keine Musikproduktionsuniversitäten wie heute. Und so wurden diese DJs zu meinen Mentoren und die Clubs und Festivals zu meiner Schule. Ich habe den aktuellen Sound der damaligen Zeit, der in Clubs wie dem Coliseum, Florida 135, Baramban und dem Monegros Wüstenfestival auf der Tagesordnung stand, zelebriert. Irgendwann habe ich dann Sommerjobs angenommen, das Geld zur Seite gelegt und mir mit 16 endlich einen riemengetrieben Akiyama-Plattenspieler und einen alten Mixer zugelegt. Das war ein Anfang! Später kam ein weiterer Plattenspieler dazu, diesmal von Fonestar, und ein Jahr später ein Computer, Synthesizer und Sampler. Das war der Zeitpunkt, an dem meine Mutter anfing, sich Sorgen zu machen.
Beat / Wie hat sich dein Studio seitdem entwickelt?
Andres Campo / Mein Studio war immer bei mir zu Hause. Inzwischen bin ich in eine neue Wohnung in Barcelona umgezogen, aber das Studio ist immer noch bei mir im Appartement. Ich finde es schwierig, an Musik zu arbeiten, wenn ich nicht zu Hause bin.
Beat / Das schränkt die eigene Produktivität natürlich deutlich ein.
Andres Campo / Ich kenne es nun mal so und ich finde, dass du deinen eigenen Weg finden musst. Deine Persönlichkeit hinter den Decks und im Studio wird niemals mit der eines anderen identisch sein. Das macht dich einzigartig.
Beat / Erzähl mir, wie du das Auflegen wahrnimmst.
Andres Campo / Ich bin ganz gewiss in einem Trance-ähnlichen Zustand. Gleichzeitig bin ich von Ablenkungen umgeben: Vom Publikum, von dem, was hinter der Kanzel passiert und vielem mehr. Ich verbringe die ersten Minuten jedes Sets damit, mich auf das Equipment zu konzentrieren, die Monitore und Lautstärkeregler einzupegeln und die CDJs richtig hinzustellen.
Beat / Wie stehen sie denn richtig?
Andres Campo / Sie dürfen nicht genau nebeneinander stehen und nicht genau gerade. [lacht] Überhaupt kontrolliere ich mein Equipment regelmäßig: Den Mixer, meine Pedale und was ich sonst noch so bei mir habe. Erst, wenn ich weiß, dass ich alles unter Kontrolle habe, kann ich mich ein wenig entspannen. Vielleicht gönne ich mir dann sogar einen kleinen Tequila. Oder zwei.
Beat / Wie würdest du deine DJ-Philosophie beschreiben?
Andres Campo / Für mich ist ein DJ-Set – und das unterscheidet es auch von einem Live-Set – eine Collage aus Musik. In ein Set fließt auch sehr viel Kompositionsarbeit mit ein. Für mich gehört dazu, dass ich schon im Studio bestimmte Stücke vorbereite, individuelle Tools und Edits. Das Wichtigste ist aber, dass die Stimmung passt. Wenn der DJ vor mir einen sehr rohen Stil gespielt hat, dann folge ich manchmal der Richtung. An anderen Tagen wiederum möchte ich die Leute auch überraschen.
Beat / Wegen der Pandemie hast du den Kontakt zum Publikum verloren. Wie fühlt sich das für dich an?
Andres Campo / Es ist verrückt. Es fällt mir weitaus leichter, vor Tausenden von Leuten zu spielen, als alleine bei mir zu Hause. Ich muss die Reaktion der Leute spüren, den Vibe einer Party, um mich wirklich einzuschwingen. Wenn ich alleine bin, dann lege ich auch nur für mich auf. Und darüber hinaus brauche ich die Auftritte auch, um meine Produktionen vor einem Publikum zu testen. Ich weiß also gerade nicht, was wirklich funktioniert und was nicht. Meine Freundin ist aktuell zu meiner Kritikerin geworden.
Beat / Planst du deine Sets in irgendeiner Weise vor?
Andres Campo / Nicht wirklich. Ich weiß üblicherweise, was der erste Track sein wird, den ich spiele. Aber danach fließen die Dinge einfach. Wenn es mittendrin nicht funktioniert, dann habe ich keinen Plan B. Es ist also sehr wichtig, deine Werkzeuge und Tracks genau zu kennen. Natürlich gibt es auch Regeln des gesunden Menschenverstands: Keine zwei melodischen Tracks miteinander kombinieren oder zwei Tracks mit Vocals beispielsweise. Aber letzten Endes zählt nur, Musik zu spielen, welche die Leute hören wollen, Musik, die ich auflegen möchte, und Musik, die wirklich keiner erwartet hätte. Ich sage immer: Wenn allen gefällt, was du tust, dann machst du etwas falsch. Ich möchte gerade nicht, dass jeder meine Performance liebt. Denn wir alle brauchen Kritik, um zu lernen und zu wachsen. Der Dancefloor ist dafür ideal. Er verrät dir alles, was du wissen musst.