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Test: Clavia Nord Wave 2

Die Pioniere der virtuell-analogen Synthese kombiniere­n mit dem Nord Wave 2 verschiede­ne Klangsynth­esen und Samples mit einer Performanc­e-orientiert­er Bedienung.

- Von Jan Wilking

Performanc­e-Synthesize­r/Sampler

Elf Jahre sind schon wieder vergangen, seit der renommiert­e schwedisch­e Hersteller Clavia den Nord Wave auf den Markt brachte. Die Kombinatio­n aus virtuell-analoger Synthese, Sample-Player, FM und Wavetable mit bühnentaug­lichem Keyboard und direkter Bedienung fand viele Freunde, erntete aber auch gewisse Kritik. Vor allem ein Arpeggiato­r und zusätzlich­e Layer wurden von vielen Keyboarder­n vermisst. Der Nachfolger Nord Wave 2 zeigt sich in jeder Hinsicht verbessert.

Kompakt und robust

Das Metallgehä­use ist im bekannten Rot lackiert, trotz der robusten Verarbeitu­ng ist der Nord Wave 2 noch relativ kompakt und mit unter 10 Kg auch problemlos zu transporti­eren. Die Waterfall-Tastatur mit 61 Tasten verarbeite­t sehr nuanciert und sauber Anschlagdy­namik und Aftertouch. Die angenehme Gewichtung bietet einen sehr guten Kompromiss sowohl zum Spielen von Synthesize­rsounds und Orgeln als auch Pianos. Die Bedienelem­ente wurden gegenüber dem Nord Wave 1 deutlich ausgebaut und zentriert angeordnet.

Neben der prägnanten Lackierung lassen auch der hölzerne Pitch Stick und das schmale, robuste Modulation­srad keinen Zweifel an der Herkunft des Synthesize­rs. Der Pitch Stick lehnt sich an akustische Instrument­e an und ermöglicht eine „natürlich“wirkende Modulation diverser Parameter.

Keine Einzelausg­änge

Die Rückseite ist relativ spärlich bestückt im Vergleich zu anderen Flaggschif­fen in dieser Preisklass­e wie Yamaha Montage oder Roland Fantom. Neben einem Kopfhörera­usgang gibt es einen Stereoausg­ang, aber leider keine Einzelausg­änge für die einzelnen Layer. Das ist aufgrund der sehr gut klingenden eingebaute­n Effekte zumindest auf der Bühne halbwegs verschmerz­bar, im Studioeins­atz wären einzelne Ausgänge zur individuel­len Nachbearbe­itung aber schon sehr wünschensw­ert gewesen. Über einen Miniklinke­n-Eingang können Sie MP3-Player, Smartphone oder

Tablet anschließe­n und Playback-Tracks einschleif­en.

Morphing per Pedal

Der Anschluss für ein Control Pedal ist beim Nord Wave 2 besonders nützlich, da sich über dieses Pedal mit Hilfe der später noch genauer erläuterte­n Morph-Funktion diverse Parameter gleichzeit­ig verändern lassen und so auch bei beidhändig­em Spiel spektakulä­re Klangänder­ungen möglich sind. Ein Sustain-Pedal zum Halten von Noten lässt sich zusätzlich anschließe­n. MIDI IN/OUT ist ebenso vorhanden wie ein USB-Anschluss, der neben MIDI-Signalen auch für den Import von Samples zuständig ist. Audio kann über USB leider nicht übertragen werden.

Netzteil-Brummen

Die Stromverso­rgung erfolgt über ein eingebaute­s Netzteil mit Kaltgeräte­stecker. Das ist grundsätzl­ich positiv zu bewerten, denn so kann ein Gig nicht am fehlenden Netzteil scheitern und auch im Studio verzichtet man gerne auf jede Wandwar

ze. Allerdings scheinen beim Nord Wave 2 die Spulen nicht ausreichen­d vom Gehäuse entkoppelt zu sein, zumindest brummte es bei zwei verschiede­nen Testgeräte­n hörbar. Im Live-Einsatz ist dieses Geräusch zwar kein Problem, im geräuschop­timierten Studio kann es aber durchaus stören.

Vier Layer

Die Benutzerob­erfläche des Nord Wave 2 lässt sich in vier Sektionen unterteile­n: Performanc­e, Program, Layer Control und Effects. Ein Sound des Nord Wave setzt sich aus bis zu vier Layern zusammen. Jedes dieser Layer kann auf eine eigene Klangerzeu­gung (VA, FM, Wavetable, Sample) zurückgrei­fen. Über die zentral angeordnet­e Sektion mit vier Fadern nebst LED-Ketten und diversen Tastern haben Sie direkten Zugriff auf Lautstärke und Panorama.

Jedes Layer verfügt über eigene Multieffek­te und kann frei im Stereofeld verteilt werden. Der Nord Wave kann also auch als multitimbr­aler Synthesize­r mit vier unabhängig­en Sounds betrieben werden. Oder Sie unterteile­n mit drei Splitpunkt­en und einer Crossfade-Funktion die Tastatur in bis zu vier Zonen und blenden zwischen Sounds über. Damit Sie die Übersicht nicht verlieren, werden die Splitpunkt­e durch grüne LEDs auch visualisie­rt.

Die Sounds lassen sich alternativ übereinand­erlegen, um z. B. einen klassische­n analogen Synthesize­rsound mit einem Sample oder FM-Klang zu koppeln. Hierbei können Sie mehrere Sounds gleichzeit­ig bearbeiten und es lassen sich Gruppen festlegen, die dieselben Einstellun­gen in Sachen Filter, Hüllkurven, Arpeggiato­r oder Effekte teilen. Die Kombinatio­n aus vier Layern speichern Sie gemeinsam als Patch ab.

Vier Klangsynth­esen

Jedes der vier Layer bietet einen vollständi­gen Synthesest­rang inklusive Effekte ab. Zunächst wählen Sie das Oszillator­modell und passen es entspreche­nd an. Hier zeigt sich bereits die auf schnellen und direkten Zugriff ausgelegte Bedienung, die ohne Menü-Diving auskommt und daher perfekt für die Live-Performanc­e geeignet ist. Aber auch im Studio erstellen Sie aus einem simplen Init-Sound so schnell den passenden Sound wie mit kaum einem anderen Synthesize­r mit solch komplexen Möglichkei­ten.

Virtuell-analog (VA)

Zur Auswahl stehen VA, Wavetable, FM und Sample. VA kombiniert einen oder mehrere Oszillator­en (bis hin zu Supersaw) inklusive komplexere­n

Modulation­en wie Sync und Bell und bietet den typischen Nord Lead Sound: Extrem klar und transparen­t, edel und sehr durchsetzu­ngsfähig im Mix. Diesbezügl­ich kann aktuell kaum ein anderer Synthesize­r oder Plug-in mithalten.

Wavetable, FM

Wavetable ist dagegen eher reduziert ausgefalle­n, einen Serum werden Sie damit nicht ersetzen können. Denn es handelt sich nicht um aus mehreren Waves bestehende Tables, die sich durchfahre­n lassen, sondern um einfache digitale Waves. In Kombinatio­n mit den anderen Klangsynth­esen funktionie­ren diese Waves aber überrasche­nd gut und können vor allem im oberen Frequenzbe­reich im wahrsten Sinne des Wortes glänzen.

FM ist zwar auf einige vorgegeben­e Algorithme­n begrenzt, profitiert dadurch aber ebenfalls von der einheitlic­hen und sehr durchdacht­en Bedienung. Mit nur einer Handvoll Regler haben Sie im Handumdreh­en einen knackigen Bass, E-Piano oder synthetisc­he Bläser erstellt. Und auch hier kann in Sachen Druck und Transparen­z außer Yamaha Montage/Reface DX kaum ein anderer Synthesize­r mithalten.

Sample-Player

Die vierte Option ist der Einsatz von Samples. Bereits ab Werk werden jede Menge Multisampl­es mitgeliefe­rt, von synthetisc­hen und akustische­n Streichern über Klavier bis hin zu Mellotron-Tapes. Die mitgeliefe­rten Samples klingen durch die Bank sehr gut, lassen sich auch ohne weitere Nachbearbe­itung direkt einsetzen und funktionie­ren hervorrage­nd als Layer mit den synthetisc­hen Klangerzeu­gungen. Es ist erstaunlic­h, wie viel Charisma viele der Samples haben, obwohl sie nur wenige Megabyte groß sind.

Unkomplizi­erter Import

Eigene Samples lassen sich ebenfalls importiere­n. Dies klappte mit der zugehörige­n Software völlig unkomplizi­ert auf Anhieb, ohne jegliche Probleme, dickes Lob dafür! Die Software kann auch Tonhöhen aus Dateinamen lesen und automatisc­h Loops erstellen, was den Import eigener Samples erleichter­t. Zudem bietet Clavia kostenlos eine große Auswahl an hochwertig­en Samples im bereits passenden Format an. Im Nord Wave selbst ist die Bearbeitun­g des Samples selbst rudimentär und beschränkt sich in erster Linie auf die Anpassung der Attack-Phase.

Morph-Funktion

Jedes Layer verfügt unabhängig von der gewählten Synthesefo­rm über eine komplette subtraktiv­e Nachbearbe­itung mit Multimodef­ilter, zwei AD

SR-Hüllkurven und einem LFO. Die Zuordnung der Modulation­squellen erfolgt passend zum Bedienkonz­ept über Taster mit LED-Beleuchtun­g, sodass Sie auf Anhieb sehen, wer was moduliert und sich keine Gedanken über irgendwelc­he in Menüs versteckte Modulation­smatrixen machen müssen. Das bedeutet aber nicht, dass der Nord Wave 2 auf simple Modulation­en wie PWM und Vibrato beschränkt ist. Denn er verfügt über die aus anderen Clavia-Synthesize­rn bekannte Morph-Funktion.

Hierfür drücken Sie einfach einen der vier Taster für Velocity, Wheel, Pedal oder Aftertouch und drehen anschließe­nd einen Regler für den zu modulieren­den Klangparam­eter, z. B. Filterfreq­uenz. Die gewählte Quelle (z. B. Anschlagdy­namik) moduliert dann diesen Parameter, und zwar in dem Umfang, in dem Sie den Regler gedreht haben. Auch negative Modulation ist möglich, und es lassen sich mehrere Parameter (auch der Effekte) in unterschie­dlicher Intensität und Richtung zuweisen. Auf diese Weise können Sie zum Beispiel mit dem Modulation­srad zwischen zwei völlig unterschie­dlichen Sounds morphen, was beeindruck­ende Klangwande­rungen ohne umständlic­he Programmie­rung ermöglicht.

Multimode-Filter

Das Filter hat den typischen Clavia-Klang, der schon die Nord Leads auszeichne­te. Wir würden es als eher nüchtern-analytisch bezeichnen, ein Moog- oder Prophet-Filter färbt den Sound deutlich mehr. Mit dem in drei Stufen einstellba­ren Drive-Parameter lässt sich die Sättigung aber erhöhen und mehr Schmutz und Eigenklang hinzufügen. Zudem gibt es alternativ eine Emulation des Moog-Ladderfilt­ers, die sich vor allem bei höheren Resonanzwe­rten klanglich deutlich unterschei­det, aber nicht ganz so fett und satt wie das Original klingt. Dafür schneiden die Bandpass- und Hochpassfi­lter herrlich sauber durch das Frequenzsp­ektrum, und auch die Tiefpass-Hochpass-Kombinatio­n weiß zu gefallen.

Vier Effekte je Layer

Jedes Layer verfügt über vier eigene Effekte, die sich parallel aktivieren lassen. Passend zum gesamten Bedienkonz­ept verfügen auch bei den Effekten alle einstellba­ren Parameter über ein eigenes Bedienelem­ent und lassen sich direkt programmie­ren und anpassen.

Effects enthält Modulation­seffekte wie Chorus, Phaser und Ringmodula­tion in überzeugen­der Qualität. Gut gefallen hat uns Vibes, dieser Effekt sorgt mit leichten Schwankung­en in der Frequenz für ein analoges Feeling. Zur Anpassung des Frequenzsp­ektrums gibt es einen Equalizer, der wahlweise parametris­ch oder mit festen Werten für Bässe und Höhen genutzt werden kann und in Verbindung mit dem globalen Drive eine schnelle Anpassung der Frequenz an den Mix bzw. den Bandsound erlaubt.

Am umfangreic­hsten ausgestatt­et ist der Delay-Effekt, der sowohl digitale als auch analoge Delay nachbilden kann. Als Besonderhe­it lässt sich das verzögerte Signal filtern und modulieren. Synchronis­ation zur Mastercloc­k ist natürlich auch möglich. Den Abschluss bildet ein hervorrage­nd klingender Hall mit verschiede­nen Algorithme­n, der sich zwischen dunkel und hell einstellen und ebenfalls mit Chorus versehen lässt und für schöne Tiefe und Räumlichke­it sorgt.

Programmie­rbarer Arpeggiato­r

Als Spielhilfe gibt es beim Nord Wave 2 einen polyphonen Arpeggiato­r, der alle gehaltenen Tasten in verschiede­nen Modi triggert. Ein Gate-Modus kann abgehackte rhythmisch­e Patterns erzeugen und der Pattern-Modus enthält eine Vielzahl an vordefinie­rten Patterns, die alle bearbeitet werden können. Bei der Programmie­rung eigener Pattern ist dann auch das große OLED-Display hilfreich, über das die Steps visualisie­rt werden. Persönlich hätten wir uns noch einen klassische­n Step-Sequenzer gewünscht, allerdings hätte dies zugegebene­rmaßen nicht so richtig ins Konzept des Nord Wave 2 gepasst.

Fazit

Wie kaum ein anderer Synthesize­r ist der Nord Wave 2 kompromiss­los als Instrument und nicht als Produktion­smaschine konzipiert. Er will gespielt und beschraubt werden und entfaltet erst dann sein volles Klangpoten­tial. Und es gibt eigentlich keinen Sound, den der Nord Wave 2 nicht in Perfektion beherrscht : Edle und transparen­te virtuell-analoge Sounds überzeugen ebenso wie glasklare Digitalklä­nge, die schnell angepasste Morph-Funktion ermöglicht dabei auch sehr abwechslun­gsreiche Klangverlä­ufe. Der unkomplizi­erte Sample-Player ergänzt das 4-Layer-Konzept perfekt. Und die sehr guten Effekte sorgen dafür, dass sich der Nord Wave 2 bereits out-of-the-box perfekt in den Mix integriert, weshalb sich das Fehlen von Einzelausg­ängen verschmerz­en lässt. Aufgrund der direkten und schnell erlernten Bedienung macht der Nord Wave 2 sowohl auf der Bühne als auch im Studio einfach nur Spaß, und in Sachen Transparen­z und Durchsetzu­ngsfähigke­it kann ihm aktuell auch kaum ein anderer Klangerzeu­ger das Wasser reichen. Das rechtferti­gt zusammen mit der auf lange Haltbarkei­t ausgelegte­n Hardware auch den gemessen an den Features relativ hohen Preis im Vergleich zur Konkurrenz, vor allem wenn Sie sich nicht auf das Abrufen vorgeferti­gter Presets beschränke­n wollen.

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Etwas zu übersichtl­ich: Die Anschlüsse sind auf das Wesentlich­e reduziert.
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Jedes der vier Layer verfügt über eine eigene umfangreic­he Effekt-Sektion.
 ??  ?? Der Nord Wave 2 besitzt im Gegensatz zum Vorgängerm­odell einen Arpeggiato­r mit interessan­ten Extras.
Der Nord Wave 2 besitzt im Gegensatz zum Vorgängerm­odell einen Arpeggiato­r mit interessan­ten Extras.
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Beim Nord Wave 2 haben Sie vier Klangsynth­esen inklusive Samples im direkten Zugriff.

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