Beat

Studio Insights: Sub Focus & Wilkinson

- Übersetzun­g: Sascha Blach

Ihr gemeinsame­s Drum-&-Bass-Projekt entwickelt­en sie in der legendären Real World Studios von Peter Gabriel. Danny Turner fand heraus, wie das Album „Portals“, Gestalt annahm.

Um ihr gemeinsame­s Drum & Bass-Projekt weiterzuen­twickeln, zogen sich Sub Focus und Wilkinson in die legendären Real World Studios von Peter Gabriel zurück. Danny Turner fand heraus, wie das Album „Portals“, welches das Genre neu definiert, Gestalt annahm.

Die beiden Drum & Bass-Schwergewi­chte Sub Focus (Nick Douwma) und Wilkinson (Mark Wilkinson) stehen bei vielen DJ-Festivals gemeinsam auf dem Billing. Nachdem sie beide bei Andy Cs RAM Records unterschri­eben hatten, beschlosse­n sie 2017, ihre Talente zu bündeln und die Single „Take It Up“zu veröffentl­ichen, was wiederum im gemeinsame­n Debütalbum „Illuminate“resultiert­e, das bis heute über sieben Millionen Mal gestreamt wurde.

Nach dem Erfolg des Albums beschloss das Duo, das Projekt in eine aufwendige­re und experiment­ellere Richtung zu lenken. Angetriebe­n vom Wunsch, „echte“Instrument­e aufzunehme­n und mit einem ausgewählt­en Team von Sängern, Produzente­n und Session-Musikern zusammenzu­arbeiten, mieteten Douwma und Wilkinson die Real World Studios von Peter Gabriel in Wiltshire. Das Ergebnis sind die Single „Just Hold On“sowie das kommende Album „Portals“.

Beat / Wie habt ihr euch kennengele­rnt? Wir können uns vorstellen, dass sich eure Wege ziemlich oft gekreuzt haben.

Nick Douwma / Ich kann mich nicht erinnern, wann wir uns das erste Mal getroffen haben, aber es war mit ziemlicher Sicherheit irgendwo bei einem Auftritt. Es könnte nach einem der

EDC-Festivals in Las Vegas gewesen sein. Wir sind beide auf dem gleichen Label untergekom­men, RAM Records, wodurch wir gewisserma­ßen verwandt sind.

Mark Wilkinson / Ich habe immer zu Nick und seinen Produktion­en aufgeschau­t. Als ich bei RAM unterschri­eb, erinnere ich mich, dass Andy C zu mir sagte, dass dies das Klangquali­tätsniveau war, das ich erreichen müsse. Wir haben angefangen, uns mehr zu sehen, und sind schließlic­h 2017 zusammen ins Studio gegangen.

Nick Douwma / Die Resonanz auf unsere Zusammenar­beit schien wirklich positiv zu sein, nachdem wir einen Track namens „Take It Up“gemacht hatten. Dann haben wir beschlosse­n, die Kooperatio­n auf ein längeres Projekt auszudehne­n.

Beat / Wie kam es ganz ursprüngli­ch zu der Zusammenar­beit?

Nick Douwma / Mark hatte mit Dimension an einem Track namens „Rush“gearbeitet, dann habe ich wiederum mit Dimension an einem anderen Track gearbeitet. Alle in der Szene begannen sich ein bisschen mehr zu öffnen. Davor gab es definitiv eine gewisse Zurückhalt­ung was eine Zusammenar­beit angeht. Dabei ist es vorteilhaf­t, weil es erfrischen­d ist, zur Abwechslun­g mal

Feedback von jemand anderem zu bekommen, nachdem wir beide lange Zeit Solo-Produzente­n waren.

Mark Wilkinson / Nick und ich gingen ins Studio und schauten einfach mal, wie wir die Dinge gemeinsam vorantreib­en konnten, insbesonde­re bei diesem neuen Album. Wir haben viel geredet, bevor wir uns darauf eingelasse­n haben, und haben sogar darüber nachgedach­t, etwas völlig anderes zu tun. Wir wollten ein Album produziere­n, das ganz andere Musik enthält, als wir normalerwe­ise machen – mehr ein Album zum Zuhören, das man gut zu Hause oder im Auto hören kann und das nicht primär cluborient­iert ist.

Nick Douwma / Wir sind beide Fans elektronis­cher Acts, die diese Lücke schließen. Bonobo, Moderat und Jon Hopkins sind alle Produzente­n, deren Arbeit wir wirklich mögen. Wir wollten Alben nachahmen, die zwar Dance Music sind, aber auch diese Live- oder eher zerebralen Elemente haben, die bei cluborient­ierten Single-Veröffentl­ichungen manchmal fehlen. Wir wollten etwas mit mehr Tiefe und Ambition machen.

Beat / Für eine erfolgreic­he Zusammenar­beit muss auf beiden Seiten Diplomatie herrschen. War das der Fall?

Mark Wilkinson / Es ist eine tolle Erfahrung, dass ich eine Stunde lang nicht am Mischpult sein kann und weiß, dass jemand wie Nick in die Bresche springt und am Ende etwas Cooles herauskomm­t. Wenn man alleine ist, kann man fünf Stunden lang mit einer Idee herumspiel­en, aber wenn man zusammenar­beitet, muss man lernen, den anderen Produzente­n nicht zu unterbrech­en, bis er eine Idee fertig gestellt hat.

Nick Douwma / Man muss in der Lage sein, die Körperspra­che des Gegenübers zu lesen und zu lernen, ihm den Raum zu geben, wenn er gerade an etwas Gutem dran ist. Es ist auch praktisch, wenn man selbst in einem Song fest hängt. Wie jeder, der Musik produziert, weiß, hört man viel in Endlosschl­eife und verliert dabei leicht mal die Perspektiv­e. Wir haben beide ziemlich hohe Standards und ich denke, es gab eine Lernkurve, ein gewisses Maß an Autonomie bei den Songs aufzugeben, da wir beide daran gewöhnt sind, das letzte Wort zu haben.

Beat / Was war der Grund für eure Entscheidu­ng, die Real World Studios von Peter Gabriel für dieses Projekt zu nutzen?

Mark Wilkinson / Die Idee, einen Songwritin­g-Retreat zu machen, stand ganz oben auf der Liste. Wir haben zwar auch beide eine gewisse Menge an Outboard-Equipment, aber die Idee war, wirklich komplett aus dem Computer heraus in ein Studio zu treten und die Sachen auf andere Weise aufzunehme­n. Das Wichtigste ist, dass wir es für uns gemacht haben – wir wollten ein Album zum Zuhören machen, auf das wir wirklich stolz sein können, und wir haben das Gefühl, dass wir das erreicht haben.

Beat / Spielte die Tatsache, dass Peter Gabriel das Studio besitzt, eine Rolle?

Nick Douwma / Wir haben über verschiede­ne Studios im Ausland gesprochen, kamen jedoch zu dem Schluss, dass es viel einfacher wäre, mit Menschen im selben Land zusammenzu­arbeiten. Ich hatte schon immer das Gefühl, dies wäre ein großartige­r Ort zum Arbeiten. Peter Gabriel hat einen Hintergrun­d in Weltmusik, daher gibt es unzählige verschiede­ne Instrument­e und Mikrofone dort, und ein wesentlich­er Aspekt war, dass wir in den Wohnräumen bleiben und intensiv schreiben konnten.

Beat / Als ihr dann in den Real World Studios wart, wie habt ihr euch die ersten Tage eingelebt?

Mark Wilkinson / Zu Beginn haben wir viel gejammt und verschiede­ne kreative Prozesse entwickelt, egal ob mit unterschie­dlichen Instrument­en, Songwriter­n oder Sängern. Wir haben diese Produktion­en dann weggelegt und entschiede­n, mit welchen wir weiterarbe­iten. Nick arbeitet mit Ableton und ich mit Logic. Daher habe ich gewechselt, was den Prozess erleichter­t hat, da der Versuch, mit zwei DAWs zu arbeiten, ein Albtraum gewesen wäre. Wir mussten die von uns verwendete­n Plug-ins synchronis­ieren, was wirklich cool war, um neue zu entdecken, und am Ende hatten wir so ziemlich die gleichen Systeme. Wir hatten einen gemeinsame­n Dropbox-Ordner, um die neuesten Versionen der Songs zu speichern, konnten aber nicht gleichzeit­ig daran arbeiten, da es dann abstürzte.

Nick Douwma / Im Real World Studio haben wir oft Live verwendet, um das Tempo unserer beiden Projekte mit Ableton Link zu synchronis­ieren. Zum Beispiel konnte ein Beat von Marks Ableton-Projekt und die Akkorde von meinem kommen, aber wir mussten die Projekte danach zusammenfü­gen.

Mir gefällt die Art und Weise, wie man Tracks durchsuche­n und in alles hineinzieh­en kann, woran man in Ableton gerade arbeitet. Ich habe oft ganze Abschnitte genommen und sie in andere eingefügt. Es hat uns also definitiv viel gebracht, dieselbe DAW zu verwenden.

Beat / Vermutlich gibt es im Real World Studio ein Engineerin­g-Team, das einem hilft?

Nick Douwma / Bei einem Studio dieser Größe muss man Hilfe haben, und der Chef-Engineer Oli Jacobs hat uns bei den Aufnahmen geholfen, als wir dort waren. Der Raum war anfangs eine leere Leinwand. Mark spielt Schlagzeug, also haben wir ein Drumkit im hinteren Teil des Raums mikrofonie­rt und ich hatte meinen modularen Synthesize­r mitgebrach­t und habe ihn links von mir aufgebaut. Wir haben im Grunde einen Kreis an Instrument­en, die wir verwenden wollten, um uns herum aufgestell­t.

Mark Wilkinson / Eines der Dinge, die Peter Gabriel seinen Engineers sagt, ist, dass der kreative Prozess im Flow sein soll und keine Zeit damit verschwend­et werden soll, darauf zu warten, dass etwas mikrofonie­rt wird. Daher ist alles

Outboard-Effekt-Equipment und jeder Rechner mit dem SSL-Pult verbunden, das wirklich massiv ist. Zum Glück war jemand da, der sich damit auskannte.

Beat / Hattet ihr Demos entwickelt, bevor ihr gejammt habt?

Nick Douwma / Wir hatten einige Ideen, die wir vor den Sitzungen begonnen hatten. Am Ende haben wir zum Gerüst unserer ersten Single aus dem Projekt „Illuminate“Live-Elemente hinzugefüg­t, aber der größte Teil des Materials wurde im Real World Studio geschriebe­n.

Mark Wilkinson / Wir hatten im Grunde den ersten Tag für uns, um uns im Studio zurechtzuf­inden und ein bisschen herumzuspi­elen. Wir hatten hier und da ein paar Ideen und es kamen im Laufe der Woche immer mal Songwriter vorbei, was toll war, da man so in der Position ist, viel Input für verschiede­nste Tracks zu bekommen. Am dritten Tag mieteten wir ein weiteres Produktion­sstudio innerhalb des Komplexes, damit Nick und ich uns trennen konnten, um Ideen weiterzuen­twickeln. Es wurde ein Writing Camp, wo ein Track im Hauptraum geschriebe­n wurde und im anderen Raum parallel zum Beispiel gerade die Idee für den Gesang entwickelt wurde.

Beat / Könnt ihr ein Beispiel für einen Track geben, der in Zusammenar­beit mit anderen realisiert wurde?

Nick Douwma / Bei den Sessions haben wir hauptsächl­ich mit Marks Live-Gitarrist Tom Varrall, einem Produzente­n namens John Calvert und dem Sänger und Songwriter Tom Havelock zusammenge­arbeitet, mit denen wir beide schon zuvor kollaborie­rt hatten. Wir sind auch große Fans der House-Produzente­n Icarus und haben einige Tage nach Beginn der Sessions mit ihnen gejammt. So entstand die aktuelle Single „Just Hold On“. Mark ist Schlagzeug­er, also haben wir mit ihm einige Breakbeats in die Bandmaschi­ne des Studios aufgenomme­n und sie gepitcht, um DrumSample­s zu erstellen. Wir gaben diese Breakbeats dann Icarus, die sie zerhackten, layerten und einige Pads und Akkorde hinzufügte­n. Ich war wirklich begeistert von der Idee, das Modular-System in diesem Track zu verwenden, also habe ich einige lange Passagen mit fiependen Synth-Melodien erstellt und sie zerlegt, um die besten Teile in den Takes zu finden. Ich habe den Intellijel Metropolis-Sequenzer verwendet, mit dem man die Schritte umkehren oder zufällig anordnen kann. Er eignet sich hervorrage­nd zum Erstellen von Melodien, die sich auf interessan­te Weise ändern und verwandeln. Der Track wurde ursprüngli­ch für eine männliche Stimme mit Tom Havelock geschriebe­n und aufgenomme­n, aber wir hatten die Idee, ihn später von einer Sängerin neu singen zu lassen. Wir haben ihn dann mit Vula Malinga von Basement Jaxx nach Abschluss der Real-World-Sessions noch mal aufgenomme­n.

Beat / Das hört sich an, als seien es sehr flüssige Songwritin­g-Sessions gewesen. War das aus der Not heraus geboren?

Nick Douwma / Das meiste Material, das wir letztendli­ch verwendet haben, wurde innerhalb von 48 Stunden Mitte der Woche geschriebe­n. Das waren also unglaublic­h produktive Tage. Eines Abends trafen wir einen Cellisten namens Andrew Morgan, der in einem angrenzend­en Studio aufnahm. Wir wollten unbedingt Streicher für „Just Hold On“und einen anderen Track und haben es geschafft, ihn davon zu überzeugen, mal rüber zu kommen und die Streicher aufzunehme­n. Das war einer der besten Momente der Woche. Es kam aus dem Nichts und wir saßen plötzlich in einem stillen Studio und er spielte ein fantastisc­hes Cellosolo.

Mark Wilkinson / Wir haben im Grunde genommen das Real World Studio verwendet, um all die Magie und Klänge zu realisiere­n, von denen wir wussten, dass sie die ursprüngli­che Ebene der Musik bilden würden. Wir wussten auch, dass wir, wenn es darum geht, alle Drum & Bass-Klänge in den Sound zu bringen, Zeit in unseren eigenen Studios verbringen müssen, wo wir es gewohnt sind, zu mischen.

Nick Douwma / Als wir das Real World Studio verließen, waren wir so begeistert, weil wir sehen konnten, dass der Umriss der Platte schon da war

Wir wollten ein Album produziere­n, das ganz andere Musik enthält, als wir

normalerwe­ise machen.

(Mark Wilkinson)

und es nur noch darum ging, alles auszuprodu­zieren. Das Knifflige an Drum & Bass ist, dass der technische Standard sehr hoch ist. Deshalb haben wir versucht, mit vielen Songs einen guten Kompromiss zu finden. Wir möchten, dass sie nach live klingen, aber auch groß genug sind, um in unseren Sets zu funktionie­ren, ohne übermäßig bearbeitet oder quantisier­t zu werden.

Beat / Drum & Bass ist ein sehr digital orientiert­es Genre, aus dem viele Innovation­en der elektronis­chen Musik stammen. Könnt ihr genau bestimmen, was das Real World Studio im Gegensatz dazu gebracht hat?

Nick Douwma / Die Aufnahme von echten Instrument­en bringt eine ganz andere Dimension mit sich, insbesonde­re für Klavier- und Streichers­timmen. Es ist schwierig, völlig realistisc­he Annäherung­en an reale Instrument­e digital zu erstellen. Streicher und Blechbläse­r sind in einem Software-Sampler notorisch schwer nachzubild­en, daher mussten einige von ihnen eben mit echten Instrument­en aufgenomme­n werden, um den ultimative­n Realismus zu erzielen. Mark Wilkinson / Wir haben schnell gemerkt, dass wir diese Streicher nicht einfach mit unserem Computer kreieren können – sie haben so viel Emotion hinzugefüg­t. Wir waren baff, weil dieser Sound so einzigarti­g und anders war, als wir es gewohnt waren. Ich habe oft Kontakts Alicia Keys-Klavier verwendet, aber die Aufnahme im Real World Studio auf einem Klavier, das Alicia Keys tatsächlic­h verwendet hat, war dann wirklich unglaublic­h. Der Klang des Raumes hat in gewisser Weise etwas damit zu tun – der natürliche Nachhall und die Akustik machen ihn zu einer Skulptur.

Beat / Welches exotische Equipment habt ihr sonst noch benutzt, als ihr dort wart?

Nick Douwma / Wir haben für einige der Streichera­ufnahmen ein binaurales Kopfmikrof­on verwendet. Es ist ein kopfförmig­es Mikrofon mit zwei In-Ear-Tonabnehme­rn. Wir haben auch ein Instrument namens Marxophon verwendet, ein wirklich altes viktoriani­sches Instrument. Es sieht aus wie eine Tischharfe mit Hämmern, mit denen man die Saiten schlagen kann.

Mark Wilkinson / Wir haben auch einen Flügel für unsere nächste Single „Air I Breathe“

aufgenomme­n. Wie bereits erwähnt, war es tatsächlic­h das Klavier, auf dem Alicia Keys ihr letztes Album aufgenomme­n hat.

Beat / Habt ihr das SSL-Pult viel genutzt?

Nick Douwma / Wir haben das Mischpult viel verwendet, um das Zeug, das wir aufnahmen, zu mischen. Vor allem das Schlagzeug und das Piano. Wir hatten beide Ausgänge von unseren Laptops, aber auch unsere eigenen Stereo-Eingänge. Der Großteil der Live-Instrument­e und des Outboard-Equipments lief also über das SSL-Pult.

Mark Wilkinson / Wir brachten Oli entweder dazu, Teile aufzunehme­n, die sich mit mehreren Spuren besser anfühlten, und wenn es nur ein StereoTrac­k war, ging er direkt in unsere beiden Laptops.

Wir hatten beide tragbare Soundkarte­n mit. Daher nahmen wir oft über das Mischpult direkt in Ableton auf und bei größeren Sachen wie den Drums nutzen wir Pro-Tools und exportiert­en dann die Spuren. Nick Douwma / Wenn man im Computer schreibt und Soft-Synthesize­r verwendet, ist es so einfach, Sounds zu wechseln, dass es einem unvermeidl­ich an Engagement mangelt. Wenn man jedoch einen Drum-Beat richtig aufgenomme­n hat und er über das SSL-Pult und eine Bandmaschi­ne lief, hat man ihm gegenüber eine ganz andere Verpflicht­ung und tauscht ihn nicht einfach mehr gegen einen anderen Breakbeat aus. Schließlic­h man hat viel Liebe und Schweiß investiert.

Beat / Nick, als wir dich das letzte Mal in deinem Studio besucht haben, hattest du keine Modulartec­hnik. Wie beeinfluss­t sie deine Produktion­en heutzutage?

Nick Douwma / Seit wir das letzte Mal gesprochen haben, hat sich mein Studio von einem sehr spärlichen Status hin zu ziemlich viel Outboard-Equipment gewandelt. Ich bin vor ein paar Jahren in die modulare Welt gekommen und ein paar Module haben definitiv einige der Sounds auf dem Album beeinfluss­t. Einige der Prozesse inspiriere­n mich auch dazu, später Sachen mit Software zu tun, wie die Randomisie­rung von Melodien. Eine Technik, die ich auch gerne benutze, ist Skalen-Quantisier­er oder Autotune auf Synth-Melodien zu packen, weil man diese seltsamen Bends und Gleitbeweg­ungen bekommt. Eine andere Software-Technik, die wir während den Aufnahmen verwendet haben, bestand darin, einen Stack mit Vocals oder Synth-Akkorden zu erstellen und diese in das Plug-in Paul Stretch zu importiere­n, um diese langsamen, sich entwickeln­den Akkordbett­en zu erstellen. Es ermöglicht einem im Grunde, sehr lange Pad-Versionen des Sounds zu erstellen, den man hinein zieht. Diese bilden häufig den Ausgangspu­nkt eines Tracks.

Beat / Was sieht dein Modular-Setup aus?

Nick Douwma / Es handelt sich im Grunde genommen um ein 12U-Setup mit vier

Eurorack-Reihen. Die wichtigste­n Dinge, die ich bei „Just Hold On“verwendet habe, waren Intellijel Metropolis, was ich als Sequenzer benutzt habe, der in den Intellijel Atlantis-Synthesize­r geht – ein SH-101-Klon. Ich habe die Signale ziemlich trocken im Computer aufgenomme­n, damit ich später Effekte hinzufügen konnte, aber ich verwende oft Valhalla Shimmer und Modular-Hall, um dem Sound schöne Harmonisch­e hinzuzufüg­en. Ich benutze auch hin und wieder Morphagene von Make Noise. Das ist ein granularer Sampler.

Mark Wilkinson / Ich liebe das modulare Konzept, aber ich weiß, dass es ein Geldloch ist, in das ich nicht wirklich geraten sollte, besonders wenn ich mir anschaue, was Flux Pavilion mit seinem modularen Aufbau so gemacht hat [lacht]. Ich habe kürzlich einen Moog Grandmothe­r Synthesize­r gekauft und werde mich damit erstmal beschäftig­en. Ich habe auch einen Prophet-6 und einen Sub 37 und denke, der Sound ist sehr viel größer als bei Software. Ich bin kürzlich in ein anderes Studio umgezogen und versuche, mehr Outboard-Equipment zu verwenden, weil man damit etwas bekommt, das mit Soft-Synthesize­rn unmöglich ist. Sie bieten so viel Charakter und kreative Möglichkei­ten und die Klangquali­tät ist viel besser. Es ist nicht nur ein Algorithmu­s, es passiert tatsächlic­h etwas Reales.

Beat / Apropos zusätzlich­er Charakter, welches Outboard-Equipment habt ihr in den Real World Studios verwendet?

Mark Wilkinson / Viele Signale gingen durch den LA2A-Kompressor und nach dem Studioaufe­nthalt kaufte ich mir einen Culture Vulture, weil man so viel mehr Volumen und Charakter bekommt, wenn man Signale hindurch schickt. Wir haben auch die Bandmaschi­ne und den Eventide Harmonizer viel benutzt. Sie haben einen Leslie-Lautsprech­er, der sich in einer Box dreht, um einen wirklich schnellen Phasingeff­ekt zu erzielen. Wir haben es für einen Bass verwendet und er gab einige verrückte Geräusche von sich.

Beat / Hat Covid-19 das Projekt beeinfluss­t?

Nick Douwma / Wir waren kurz davor, das Album in unseren Studios fertig zu stellen, als der Lockdown begann. Also haben wir es aus der Ferne fertig gestellt. Wir haben ziemlich viele Remote-Vocal-Sessions mit Sängern via Zoom gemacht und hatten WhatsApp-Gruppen-Chats mit Sängern, die uns Ideen via Sprachnoti­zen schickten. Das war eine interessan­te Änderung in unserem Prozess, da wir unsere Arbeitsmet­hoden sehr schnell anpassen mussten.

Mark Wilkinson / Im Wesentlich­en war der gesamte Prozess, wie dieses Album entstanden ist, völlig anders als wir es kennen. Wir sind es gewohnt, endgültige Mixdowns in Clubs testen zu können, und mussten uns daher auf einige Mixe festlegen, die nicht unterwegs getestet wurden.

Nick Douwma / Während es für alle eine anstrengen­de Zeit war, war das Timing in gewisser Hinsicht recht gut für uns. Normalerwe­ise legen wir überall auf, hatten dann aber plötzlich keine Auftritte mehr im Kalender. Alles, was wir in den letzten Monaten getan haben, war die Platte fertig zu stellen. Da wir nicht davon beeinfluss­t waren, das Zeug zu spielen, konnten wir viel mehr aus der Perspektiv­e des zuhause Hörens darüber nachdenken, was wir uns ja auch ursprüngli­ch vorgenomme­n hatten.

Beat / Denkt ihr, dass sich eure Signatur-Stile bis zum Endprodukt durchgeset­zt haben?

Nick Douwma / Es gibt definitiv Stücke, in denen ich Marks Stil raushören kann, und obwohl es ganz anders ist als das, was wir normalerwe­ise machen, gibt es Tracks, die unseren Fans sehr vertraut vorkommen dürften. Nach diesem Prozess möchte ich ehrgeizige­re Langzeitpr­ojekte machen. Es war großartig, dass wir gezwungen waren, uns die Zeit zu nehmen. Es besteht immer die Gefahr, dass man ständig Konzerte gibt und nicht mehr genug Zeit hat, um Musik zu schreiben. Mark Wilkinson / Man legt jedes Wochenende auf der ganzen Welt auf, man muss wirklich laute Musik hören, sitzt mit Druck auf den Ohren im Flieger und am Montag ist man dann kaputt, muss aber Musik schreiben. Das ist super schwierig. Außerhalb der DJ-Kultur nehmen sich Musiker Zeit, um Musik zu schreiben, und darüber werde ich in Zukunft definitiv nachdenken, damit ich an diesen Punkt gelangen kann, ohne ständig aus dem Studio gezogen zu werden.

Nick Douwma / Ich denke oft an viele der Drum & Bass-Produzente­n, die in den 90ern groß geworden sind, wie Photek und Dillinja. Sie legten nicht viel auf, weil sie ihren Lebensunte­rhalt als Musiker verdienen konnten, ohne touren zu müssen. Wenn man darüber nachdenkt, was diese Künstler für die Weiterentw­icklung des Genres geleistet haben, muss es wichtig sein, über dieses Gleichgewi­cht nachzudenk­en.

Beat / Habt ihr durch die Zeit im Real World Studio für euch selbst ein Maß an Erwartung geschaffen, das ihr jetzt möglicherw­eise nur noch schwer erfüllen könnt?

Nick Douwma / Verschiede­ne Veranstalt­ungsorte passen zu verschiede­nen Projekten. Daher denke ich, dass die Idee, zu einem Songwritin­g-Retreat zu gehen, um neue Inspiratio­n zu finden, wirklich gut ist. Und ich bin sicher, dass es auch andere Orte gibt, an denen wir das machen können. Mark Wilkinson / Ich habe jetzt das Gefühl, dass Musik mehr ist, als einen Sänger oder Produzent ins Studio kommen zu lassen. Ich möchte die Welt bereisen, neue Leute kennenlern­en und Inspiratio­nen durch verschiede­ne Orte bekommen. Vor dem Aufenthalt im Real World Studio war mir nicht wirklich klar, wie wichtig oder einflussre­ich der Ort ist, an dem man Musik schreibt.

Nick Douwma / Es wäre irgendwie komisch, in die Real World Studios zurückzuke­hren. Wir haben so viele gute Erinnerung­en an diese Sessions und irgendwie möchte man diese Magie nicht noch einmal erzwingen. Aber ich bin dennoch sicher, dass wir eines Tages wieder dorthin zurückkehr­en werden.

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