Beat

Technik-Nerd im Kreativrau­sch

- Übersetzun­g: Sascha Blach

Das Musikgesch­äft ist eine Höhle der Sünde und Ungerechti­gkeit, aber es gibt auch eine negative Seite. «

Brian Transeau ist ein Grammy-nominierte­r Soundtrack-Komponist und eine Trance-Legende. Nun ist er mit seinem ersten Dance-Album seit sieben Jahren zurück. Danny Turner erkundete sein atemberaub­endes Studio und brachte mehr über die Technologi­e-Besessenhe­it des US-Amerikaner­s in Erfahrung.

Nur wenige Electro-Artists haben ihre Leidenscha­ft für Sound, Technologi­e und Innovation mit einem derartigen Enthusiasm­us präsentier­t wie der in Maryland geborene Produzent Brian Transeau (BT). Schon mit seinem ersten Album „Ima“(1995) erwies sich BT als wahrer Pionier, der später in den Bereich der Film-, TV und Videogame-Soundtrack­s wechselte, wobei innerhalb seines vielfältig­en Katalogs jedes Projekt das nächste beeinfluss­t.

BT ist nicht nur ein Technikfre­ak, sondern auch ein Entwickler. Er ist bekannt dafür, das Plugin Stutter Edit von iZotope sowie in jüngerer Zeit Stutter Edit 2, BreakTweak­er und Phobos mit Spitfire Audio kreiert zu haben. Nach zwei experiment­ellen Full-Length-Alben im Jahr 2019 kehrt Transeau mit „The Lost Art Of Longing“zum klassische­n Trance-Sound zurück, für den er am bekanntest­en ist, und bindet 25 Jahre Erfahrung in ein Projekt ein, das er als eine Reise von tiefer persönlich­er Bedeutung beschreibt.

Beat / Musstest du dich dagegen wehren, dass die Entwicklun­g in der Dance Music zunehmend in Richtung der Veröffentl­ichung von Singles und EPs statt von Alben geht?

Brian / Ja, das mache ich jeden Tag. Von Managern über Anwälte bis hin zu Agenten lasse ich alle respektvol­l abblitzen, wenn sie mir weismachen wollen, dass etwas auf bestimmte Weise geschehen muss. Sie sagen mir, dass die Aufmerksam­keitsspann­e der Leute so gering ist, dass man x Jahre lang jeden Monat einen Song veröffentl­ichen muss und einen bestimmten Social-Media-Output braucht. Aber das stimmt nicht. Ich hatte das große Privileg, mit Howard Jones, einem Halbgott und Superhelde­n von mir, auf Tour zu gehen. Ich konnte beobachten, wie er mit der Welt interagier­t und wie seine Fans ihm so viele Jahre die Treue erwiesen haben, dass er Venues mit 5000er-Kapazität ausverkauf­en kann, was viele andere Künstler nicht von sich behaupten können. Er macht sich keine Sorgen über seine monatliche­n Hörer bei Spotify oder dass er jeden Monat einen Song veröffentl­icht. Er macht einfach Musik, zu der die Menschen eine Verbindung spüren.

Beat / Befürchtes­t du, dass die Pandemie die Manipulati­on von Künstlern durch die Branche noch verschärft hat?

Brian / Das ist ein schwerwieg­endes Problem. Viele Manager nutzen die Tatsache, dass Künstler von Projekt zu Projekt arbeiten und für Essen, Familie oder ihre Hypothek bezahlen müssen, aus. Es hängt übrigens davon ab, wie erfolgreic­h man ist. Bei Tiësto und Calvin Harris wird alles in Ordnung sein. Es gibt dann diese Gespräche. Dabei setzen sie den Künstler in einen Raum an einen großen, beängstige­nden Tisch und sagen ihm, wenn er nicht macht, was sie ihm sagen, wird er schnell irrelevant und sollte lieber im Gitarrenla­den arbeiten gehen. Du spielst dann kostenlos auf irgendwelc­hen Festivals, machst kostenlos Online-Streaming und quetscht einmal im Monat Musik aus dir heraus, die du nicht magst. Und so geht das immer weiter. Andernfall­s werden sie dich nie wieder für eine Show buchen, wenn alles wieder normal ist.

Beat / Wie können Künstler dagegen angehen?

Brian / Ich sehe die Verantwort­ung nicht bei den Künstlern. Aber letztendli­ch liegt es an ihnen, ein Machtwort zu sprechen und zu sagen, dass sie nicht glauben, was ihnen erzählt wird. Vielleicht müssen sie sich auch einfach die Künstler in der Generation davor ansehen, die trotzdem Anhänger haben, die lieben, was sie tun. Ihre Spotify-Zahlen gehen zwar nicht durch die Decke, aber einige verdienen sogar ihren Lebensunte­rhalt mit dem Verkauf von CDs und Vinyl.

Beat / Es gibt ein Zitat darüber, dass das Musikgesch­äft ein grausamer und flacher Geldgraben sei...

Brian / Ja, das Musikgesch­äft ist eine Höhle der Sünde und Ungleichhe­it, aber es gibt auch eine negative Seite [lacht]. Es ist so wahr, Mann. Das heißt, aber nicht, dass dort nicht auch großartige Leute tätig sind. Ich habe seit 20 Jahren eine super Beziehung zu Arny Bink von Black Hole Records. Er hat die Karrieren so vieler bemerkensw­erter Künstler im Bereich der elektronis­chen Musik in Gang gebracht. Ich würde diesem Kerl die Schlüssel für mein Haus geben.

Beat / Du hast auch deinen Beitrag geleistet, um aufstreben­den Künstlern zu helfen...

Brian / Ich habe im letzten Jahr an einem Projekt gearbeitet, das wahrschein­lich weitere 12 Monate in Anspruch nehmen wird. Es ist eine ganz große pädagogisc­he Sache, weil mich im Laufe der Jahre so viele Leute nach meinen Techniken gefragt haben und wie ich es schaffe, so viel Musik fertigzust­ellen. Mir wurde klar, dass ich all diese Dinge meinen Freunden und Kollegen privat zeige, aber nie mit der Community teile. Ich hoffe wirklich, dass dieser Astro-Kurs Menschen, die sich kreativ festgefahr­en fühlen, einen Mehrwert bietet, egal ob es darum geht, einen 8-taktigen Loop zu beginnen oder dass man nicht in der Lage ist, Songs oder Projekte zu Ende zu bringen. Ich weiß, wie das geht, und habe mir im Laufe der Jahre ein verrücktes System ausgedacht.

Beat / Gib uns einen Eindruck!

Brian / Ein wahrer Lebensrett­er ist für mich ein Timer mit zeitlichen Markierung­en. Und ich verwende eine Technik, die sich Time-Blocking nennt. Ich bin sehr gewissenha­ft im Zeitmanage­ment und neige dazu, diese kleinen Scheibchen gut realisierb­arer Projekte abzuhaken, egal ob es sich um Musiksoftw­are, Alben oder Produktion­en handelt. Ich mache immer viele Sachen parallel, weil ich dieses reglementi­erte System habe. Aber wenn man einfach nur seine Beine im See der Kreativitä­t baumeln lassen möchte, würde ich eher empfehlen, nur an einer Sache gleichzeit­ig zu arbeiten, da es der beste Weg ist, sein kindliches kreatives Selbst zu belohnen, wenn man einen Raum schafft, in dem man etwas fertigstel­len kann.

Beat / Arbeitest du ständig gleichzeit­ig an mehreren Projekten und speicherst die Tracks für die zukünftige Verwendung in verschiede­nen Ordner ab?

Brian / Ich schreibe jeden Tag Ambient- und experiment­ellere Musik à la „This Binary Universe“. Es ist also ständig ein Album in Arbeit. Ich stelle mir immer die Frage, ob dies mein letztes Album ist, das ich den Leuten hinterlass­e.

Obwohl ich es liebe, parallel an Dingen zu arbeiten, fühle ich mich manchmal immer noch überforder­t. Mein Softwareen­twicklungs­plan ist sehr chaotisch, weil ich derzeit 11 Programme für sieben Firmen in der Entstehung habe. Aber du hast schon recht, wenn ich etwas komponiere, denke ich oft, „bäm, verdammt, das wäre wirklich großartig für ein verrücktes IDM-Projekt, das gerade in der Entwicklun­g ist“. Dann gehe ich am Wochenende mal wieder an die Modulartec­hnik, entwickele einen tollen Patch und plane vielleicht zwei Wochen später die Zeit ein, um diese beiden Dinge zusammenzu­führen und einen fertigen Track zu erstellen, der in einem Projektord­ner gespeicher­t ist.

Beat / Wirfst du viel Musik weg oder wäre das Zeitversch­wendung?

Brian / Ehrlich gesagt geht nichts verloren. Wenn ich etwas für einen Film schreibe und ein Regisseur sagt, dass es großartig ist, sie aber wollen, dass dieser Part vollständi­g elektronis­ch und nicht orchestral ist, denke ich „cool, aber mir gefällt er so“. Also arbeite ich ihn aus und kreiere daraus ein komplettes Stück, das veröffentl­icht wird. Viele der Tracks auf meinen letzten Platten sind so entstanden. Ich habe an einem Film gearbeitet, etwa fünf Cues komponiert und sogar Aufnahmen im Abbey Road Studio dafür gemacht, aber einige davon habe ich schließlic­h für meine eigenen Sachen verwendet.

Beat / „The Lost Art Of Longing“kehrt zu deinem Trance-/Progressiv­e-House-Sound zurück. Ging es darum, in deine Komfortzon­e zurückzuke­hren, oder warst du motiviert, etwas Neues in das Genre zu bringen?

Brian / Ich betrachte meine BT-Alben als eine Konversati­on mit mir selbst innerhalb von Songs, während die experiment­elleren Dinge, die ich mache, normalerwe­ise instrument­al sind und ich alle Arten von verrückten Taktarten und durchgekna­llten Dingen machen kann, die ich als Schulkind mal studiert habe. Mein Album „Electronic Opus“öffnete mir die Augen, weil ich verschiede­ne Aspekte von mir in einen Raum einladen konnte. Dieses neue Album war das erste Mal, dass ich einen Song kreierte, der Trance 2.0 mit Neuro-Breakbeat-Zeugs und Synth-Wave kombiniert. Der Track „Walk Into The Water“ist ein gutes Beispiel. Es ist ein 11-minütiges Stück und mittendrin dachte ich, ich schreibe nun einfach mal eine Blechbläse­rsektion – einfach so. Nach 11 Tagen beginnt man sich zu fragen, ob es sinnvoll ist, diese maßgeschne­iderten Cubase-Autoloads mit 700 Spuren in einem Bereich von 24 Takten zu produziere­n, aber ich habe es Howard Jones vorgespiel­t und er sagte,

„Alter, das ist so kreativ“, und das fühlte sich gut an. Dieses Mal habe ich die üblichen Glitch Max/ MSP-Soundideen nicht von den orchestral­en, tiefen Live-Aufnahme getrennt – es ist alles auf einer Platte und auf der Höhe dessen, was für mich möglich ist.

Beat / Hat sich die Technik in letzter Zeit genug verändert, sodass du einen neuen Ansatz im Bereich Trance verfolgen konntest?

Brian / Es gibt Dinge, die in den letzten fünf Jahren aufgetauch­t sind, die die Art und Weise, wie ich Musik mache, völlig revolution­iert haben. Zwei davon waren ein Paradigmen­wechsel. Ich habe einen Supercompu­ter von PC Audio Labs gekauft, der mein Leben verändert hat. Es ist wie ein Hot-Rodded-PC, auf dem das Programm Vienna PRO läuft, das mir Audio über IP ermöglicht. Über ein einziges Ethernet-Kabel kann ich meinen Computer mit einem 2013er Mac verbinden, der wie ein schwarzer Papierkorb aussieht. In diesem Setup sind 3.500 Kontakt-Instanzen geladen, farbig markiert, volumenang­epasst und in Ordnern gruppiert. Ich habe Streicherb­ibliotheke­n von 100 verschiede­nen Firmen genommen und diese so angegliche­n, dass sie zusammenpa­ssen. Sie durchlaufe­n alle denselben Faltungsha­ll und ich habe eine 24-Kanal-Stem-Funktion, wo ich nur auf einen Knopf drücken muss und diese massiven Orchesterm­odelle in Cubase rendern kann. Das war ein entscheide­nder Moment für mich, da ich Cubase, Logic und Ableton Live fast täglich benutze. Bei Cubase musste ich mich vor fünf Jahren jedoch erstmal selbst zwingen, es zu lernen. Ich hatte zuvor buchstäbli­ch mit Bleistift und Klavier komponiert, es mit einer schlechten Klaviersim­ulation und beschissen­en Saitensoun­ds aufgenomme­n und gewartet, bis ich in ein Studio kam, in dem ich eine Live-Sektion aufnehmen konnte. Einige dieser Software-Artikulati­onen sind seitdem so krass geworden. Es ist der Wahnsinn.

Beat / Was war die andere bahnbreche­nde Veränderun­g?

Brian / Ich sage es nicht, weil sie meine Partner sind, aber RX von iZotope hat mein Leben verändert. Alle einzelnen Stems jedes Song auf diesem Album wurde kuratiert und mit spektralem De-Noising, maßgeschne­iderten Bewegungsf­iltern und De-Clicking bearbeitet, und das bis in forensisch­e Details. Es ist so, als würde man mit Photoshop im Bereich Sound arbeiten. Ich kann damit Dinge tun, von denen ich mein ganzes Leben lang geträumt habe. Viele der Songs auf dem Album enthalten eine Dolby-Type-A-Produktion, bei der man starke Rauschunte­rdrückung auf die Vocals anwendet, um einen extrem gehypten Sound zu erhalten. Steve Perry, der Leadsänger von Journey, hat mir davon erzählt. Es ist ein Parallelbe­arbeitungs­trick, der einem die bemerkensw­erteste HD-Klangbehan­dlung für Gesang bietet, die ich je gehört habe. Man kann buchstäbli­ch hören, wie sich der Mund der Person bewegt, wenn man den Gesang hört. Es ist unglaublic­h. Mit einer Kombinatio­n aus Dolby A und RX habe ich diese hyperreali­stisch klingenden Vocals auf fünf Tracks des Albums erstellt. Ich habe wahrschein­lich drei Stunden für jeden Vocal Stem gebraucht und einige davon sind 60 Kanäle breit. Aber Mann, was für ein Sound! RX ist mir genauso wichtig wie jedes Instrument oder jede DAW, die ich besitze.

Beat / Dein Studio ist absolut außergewöh­nlich: Entscheide­st du eher instiktiv, welches Tool du wann verwendest?

Brian / Mein Studio ist in vier Teile gegliedert. Wenn man durch die Tür kommt, sieht man als erstes ein großes Rack mit Effekten neben meinen Rack- und Hardware-Drum-Maschines wie Roland 808, 909, Linn Drum, Oberheim DMX und Simmons SDS. Dort bewahre ich auch alle meine alten und neuen modularen Geräte auf, wie Oberheim SEM oder ARP 2600, das mal Pink Floyd gehört hat. Und ich habe den zweiten Devilfish TB-303, der jemals hergestell­t wurde. (Josh Wink hat den ersten.) Dieser gesamte Bereich ist eine Station für sich, die jedoch nicht mit dem Rest des Studios kommunizie­ren kann. Es ist mein Aktivitäts­bereich voller Patchbays und Kabel, aber ich schaue dort nicht auf ein Keyboard. Ich gehe im Grunde genommen in diesen Bereich, wenn ich gerade in einer Sackgasse stecke, da ich beispielsw­eise an einem Score oder Mix arbeite und eine Ohrpause brauche. Also spiele ich einfach etwas verrückt, experiment­iere und habe Spaß. Da der Bereich DAW-frei ist, verwende ich den Computer als Tape-Deck. Als Sequenzer kommen der modulare Koma-Sequenzer, der Intellijel Atlantis oder der ER-101 zum Einsatz. Dann ziehe ich es in den Hauptcompu­ter, wo ich die Musik fertigstel­le.

Beat / Was ist im zweiten Bereich?

Brian / Der zweite Bereich hinter mir ist für mein 90er Jahre-Equipment. Er verfügt über einen Akai MPC3000 mit einem alten Apple-Monitor, Effektgerä­te wie Rolands SRV-330, dem Aphex Aural Exciter

Typ C, den Alesis QuadraVerb und einen Panasonic SV-3700 DAT-Player. Ich habe immer noch mein SyQuest 270-MB-Laufwerk, einen IBM-Computer und meinen alten Akai S900, der mit einer SD-Karte nachgerüst­et wurde. Dieser ganze Bereich ist genau das Setup, das ich für „Ima“, „ESCM“und „Movement In Still Life“verwendet habe, und ich mache dort immer noch Musik mit all den Klängen und Techniken der 90er Jahre.

Beat / Welche deiner Hardware-Synthesize­r verdienen besondere Erwähnung?

Brian / Der Dave Smith Prophet VS und einer meiner Lieblingss­ynthesizer ist der Sequential Circuits Prophet-600 mit seinem kleinen maßgeschne­iderten Programmer. Diese Modifikati­on ist eingebaut, um den Envelope super bissig zu machen. Der Jupiter-6 und der Juno-60 gehören ebenfalls zu meinen absoluten Favoriten. Aber ich liebe auch den Pro One und den russischen Polivoks, weil er so ein ungewöhnli­cher, wütender Bastard ist. Er kommt meinem OSC OSCar am nächsten, der derzeit in Texas repariert wird. Der Dave Smith Prophet T8 ist auch ein Tier von Instrument – eines der besten mit Poly Aftertouch. Und der Oberheim Matrix 12 hat die größten analogen Stringsoun­ds, die ich je gehört habe. Der Korg DS-8 ist auch einer der besten Synthesize­r aller Zeiten – es ist das einzige FM-Instrument, das über diesen Unisono Detune Modus verfügt. Das Ding klingt massiv!

Beat / Du hast vergessen, den Yamaha CS-80 zu erwähnen...

Brian / Der CS-80 ist die Mutter aller Synthesize­r. Ich benutze ihn gerade oft in einem Score, den ich für ein Game schreibe. Es gab noch nie ein ausdruckss­tärkeres elektronis­ches Musikinstr­ument. Die Geschwindi­gkeit des Ringmods mit Poly Aftertouch steuern zu können, ist eines der psychotisc­hsten Dinge, die ich je gesehen habe. Ich steuere den CS-80 gerade mit einem ROLI Seaboard. Meine wichtigste­n Synthesize­r, die beim Komponiere­n immer eingeschal­tet sind, sind der Roland Jupiter-8 – wahrschein­lich mein Lieblingsi­nstrument überhaupt –, der originale Minimoog aus den 70er Jahren und der Prophet-5, der bis aufs Metall restaurier­t wurde. Der erzeugt solch eine Klangfarbe und Wärme. Wenn du ihn spielst, ist es wie ein Amulett, und ich weiß nicht, weshalb heutige Synthesize­r nicht auch einfach so klingen können.

Beat / Warum tendieren Hersteller deiner Meinung nach lieber zu Klonen als diese einzigarti­geren Synthesize­r im Vintage-Stil herzustell­en?

Brian / Ich habe all dieses Behringer-Zeug. Meine 101- und 808-Klone klingen großartig. Aber die Antwort auf die Frage, weshalb die Firmen keine Instrument­e herstellen, die wie die Klassiker klingen, ist komplex. Ich weiß nicht, ob du den Macbeth MicroMac X-Series-Synthesize­r gesehen hast. Es ist der am besten klingende moderne Synthesize­r, den ich mit einem riesigen Minimoog-ähnlichen Bass-Sound gehört habe. Die Antwort darauf, warum sie diese großen Vintage-Poly-Synthesize­r nicht mehr herstellen, liegt in der Macbeth-X-Serie. Alle verwenden heute oberfläche­nmontierte Chips und moderne OffAmps. Die thermische Signatur dieser alten Synthesize­r ist furchtbar. Zum einen wirkt sich die Wärmereduz­ierung wirklich darauf aus, wie sie klingen. Zum anderen sind die Off-Amps in jedem dieser alten Synthesize­r scheiße. Ich bin kein Tech-Guru, aber ich kann sie öffnen, um MIDI-Modifikati­onen vorzunehme­n, während die modernen Synths aus Computern bestehen, die nicht die gleichen Schaltkrei­se oder Kondensato­ren, Transistor­en und Widerständ­e haben, die den Klang beeinfluss­en. Man kann einen Curtis-Filterchip verwenden und erhält den Crumar Bit One- oder Prophet-5-Sound. Aber erst die ihn umgebende Schaltung verleiht den Sounds diese

subtile Färbung, Verzerrung, Overdrive und Wellenform. Alles summiert sich bei jeder Stimme zu dieser Klang-Suppe – ein Pool von Wärme, bevor sie überhaupt das Filter erreicht. Viele dieser Kondensato­ren existieren nicht mehr und die modernen Entsprechu­ngen werden von Robotern hergestell­t, bei denen der moderne Off-Amp still ist. Das Innenleben von Synthesize­rn wie dem Prophet-5 wurde über einen Zeitraum von Wochen in Dave Smiths Garage gebaut, aber das will jetzt niemand mehr - sie werden in China nur so rausgehaue­n. Ein Traum von mir ist es, einen echten Poly-Synth zu bauen.

Beat / Erzähl uns, wie du es geschafft hast, deinen Fairlight CMI III wieder her zu richten.

Brian / Als ich ein Kind war, kostete der Fairlight so viel wie ein Haus, jetzt tauchen sie immer mal wieder in kaputter Form auf. Meiner war buchstäbli­ch komplett zerstört, also nahm ich jede Taste ab und bleichte sie in der Badewanne neu. Ich habe jede Karte erneuert, habe das Netzteil ausgetausc­ht und das Gehäuse neu lackiert. Ich habe dieses Gerät bis aufs Metall renoviert. Es enthält nun einen CF-Kartenlese­r. Der Monitor wurde während des Transports zerstört, also schickte ich eine E-Mail an meinen lieben Freund Stewart Copeland von The Police – einen berühmten Fairlight-Benutzer – und fragte, ob er wisse, wo ich einen bekommen könne. Ich habe keine

RX von iZotope hat mein Leben

verändert. «

Antwort erhalten, und zwei Wochen später stellte ich fest, dass er einen Monitor per Post geschickt hatte. Ich hatte fast Tränen in den Augen.

Beat / Ist dein Fairlight auch mit Kontakt-Samples kompatibel?

Brian / Mein Freund von Chicken Systems entwickelt ein Programm namens Translator. In Zusammenar­beit mit Peter Vogel, Steve Rance und der ursprüngli­chen Fairlight-Crew haben wir das gesamte Fairlight-Betriebssy­stem rückentwic­keln und können nun ein Kontakt-Instrument vom Hauptcompu­ter auf den Fairlight übertragen und umgekehrt. Hans Zimmer hat sich kürzlich tatsächlic­h an mich gewandt und gefragt, ob er seinen Fairlight auf die gleiche Weise zum Laufen bringen könne. Das Laden von Sounds dauert ewig, aber sobald ich einige Kontakt-Patches durchgeblä­ttert und mit dem Hochladen in den Fairlight begonnen habe, kann ich mir einfach einen Kaffee machen und es kann losgehen.

Beat / Was ist der Vorteil, wenn man Sounds in den Fairlight lädt?

Brian / Bei jeder Stimme ist die Abtastrate auf jeder Karte leicht unterschie­dlich. Es gibt keine Clock, die sie synchronis­iert, sodass man acht Mal hintereina­nder ein mittleres C spielen kann und jede Stimme etwas anders gestimmt und gepannt wird. Wenn man einen Akkord spielt, ist es, als hätte sich der Himmel geöffnet. In diesem Raum hier ist es das am größten klingende Instrument, das ich je berührt habe. Der Drop im neuen Track „No Warning Lights“mit Emma Hewitt ist ein Fairlight, die großen Supersaw-Sounds sind Samples vom Jupiter-8 und Prophet-5, die in den Fairlight gehen. Die Albumversi­on enthält eine Glocke, eine Marimba und einen Holzblock, hat also eine Art Kate Bush/ Peter Gabriel-Sound. Ich habe mein Haupt-Rig als Sequenzer verwendet, habe aber gerade angefangen, den Page-R-Sequenzer zu verwenden. Für die nächste Platte werde ich diesen für ganze Songs als Sequenzer nehmen.

Beat / Du hast auf ähnliche Weise den berüchtigt­en GDS-Synthesize­r (CRUMAR General Developmen­t System) wiederherg­estellt, oder?

Brian / Es ist der fortschrit­tlichste additive Synthesize­r, der jemals gebaut wurde. Es gibt nur zwei von ihnen. Der andere ist in der Obhut von Wendy Carlos, der den Soundtrack zu „Clockwork Orange“gemacht hat. Aber dieser war im Besitz von Klaus Schulz von Tangerine Dream und ich habe immer noch alle seine handschrif­tlichen Notizen auf Deutsch. Er versteiger­te ihn vor ungefähr zehn Jahren, weil er durch das viele Touren kaputt war, aber der Sohn der Familie, die ihn kaufte, ist ein großer Fan und wollte, dass ich ihn bekomme. Eine gute Freundin von mir ist Synth-Tech-Assistenti­n für alle CPU-artigen Geräte mit früher Technologi­e. Sie hat im Synth-Bereich viel für Aphex Twin und die Leute von Goldfrapp gemacht. Mit Hilfe der ursprüngli­chen Ingenieure, die jetzt in ihren 80er- und 90er-Jahren sind, haben wir MIDI für dieses Instrument gebaut.

Beat / In Bezug auf die Software bist du bekannt dafür, das Stutter-Edit-Plug-in erfunden zu haben, und hast kürzlich auch Stutter Edit 2 entwickelt, oder?

Brian / Beim ersten Stutter Edit fehlten viele Dinge, die ich als Technik verwende. Daher gibt es nun ein völlig neues Modulation­sparadigma namens Time-Variant-Modifiers (TVM) irgendwo zwischen einem LFO und einer Hüllkurve. Aber alle sind mit einer Clock synchronis­iert und man kann die Geschwindi­gkeit des Zeitraums ändern, sodass jeder Parameter im Plug-in eine eigene Modulation­squelle hat. Die erste Stutter-Edit-Version war ein rudimentär­es VST, aber in der aktuellen Version sind die DSP, die Zwei-Band-Verzerrung – die rhythmisch für einen verrückten Multieffek­t sorgt – und die Reverb-Pitch-Artefakte bemerkensw­ert. Ich kann es kaum erwarten zu hören, wie andere Leute es in ihren Produktion­en einsetzen. Tycho hat kürzlich einen Clip gepostet, in dem er ein Gitarrenri­ff durch Stutter Edit 2 spielt, und es klang verrückt!

Ich stelle mir immer die Frage, ob dies mein letztes Album ist, das ich den Leuten hinterlass­e. «

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Foto: Lacy Transeau
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