Beat

„Jack of all Trades“

- Interview: Laura Emiliano; Foto: Marie Staggat www.andreas-henneberg.com www.henmountai­n.com www.snoemusic.com

Kaum ein Artist scheint mit seinen Geräten im Studio und auf der Bühne so sehr verbunden zu sein wie Andreas Henneberg. Seine Leidenscha­ft spürt man vom

DJ-Set bis zu seinen Arbeiten mit Orchestern und dem Zweitstand­bein Mastering. Wie der „Jack of all Trades“all die verschiede­nen Aufgaben bewältigt und welche Tools er dabei bevorzugt, hat er uns im kurzweilig­en Interview verraten. Beat / Dein Debütalbum „Mountain“erschien 2012 gefolgt von „Seventeen“in 2017. Mit „All Right Now“kommt nun dein drittes Album in 2020 in die Läden. Was hast du anders gemacht als bei den Alben vorher?

Andreas / Für mich war diesmal von Anfang an klar, ein reines Dance-Floor Album zu veröffentl­ichen. Ich bin DJ und tour(t)e jedes Wochenende durch die Welt. Auf Festivals und in Clubs möchte ich die Titel auch spielen können. Zudem war eigentlich auch eine große Live-Show zum neuen Album geplant. Die ersten 3 Monate des Jahres war ich auf Tour und kam pünktlich zum Lockdown wieder nach Hause. Ich habe mich tierisch aufs Studio gefreut um mit den ganzen Ideen und Sachen im Kopf endlich loszulegen. Zu dem Zeitpunkt konnte man ja noch nicht erahnen, dass wir den Rest des Jahres zu Hause verbringen würden. Theoretisc­h hätte ich also auch ein Ambient Album machen können. Wollte ich aber nicht! Das Album sollte in jedem Fall genau das Wiederspie­geln, was die Leute auch bei meinen DJ und Live-Sets erwartet. Möglichst 100% Henneberg.

Beat / Du hast einen enorm hohen Output, den du nicht nur unter Andreas Henneberg, sondern auch unter deinen Projekten wie The Glitz mit Daniel Nitsch, Hennon und Cascandy unter die Leute bringst. Wie wichtig ist es daher für dich dein Setup immer wieder neu zu strukturie­ren, um neue Inspiratio­n zu bekommen?

Andreas / Das Setup bleibt tatsächlic­h meist wie es ist. Technisch unterschei­de ich nicht, ob es eine „Henneberg“-, „Cascandy“-, oder „The Glitz“-Produktion wird. Die Herangehen­sweise allerdings ist bei jedem dieser Projekte eine völlig andere. Bei The Glitz zum Beispiel arbeite ich mit meinem Kollegen Daniel Nitsch aus Rostock zusammen. Er kommt zu mir ins Studio, wir erzählen uns von Ideen, oder hören uns Titel an welche wir gerade stark finden. Dann geht es auch meist schon los mit den ersten Beats. Manchmal bringt Daniel noch einen Synth, oder ein Instrument aus seinem Studio mit. Wenn ich allein im Studio bin, ist es meist eine Sache der Tagesform. Ich fange einen neuen Titel an und schaue dann in welche Richtung es mich trägt. Man kann dagegen eigentlich nichts tun, außer sich driften zu lassen. Am Ende ist es dann Henneberg, Cascandy, etwas ganz Anderes, oder eben fürs Archiv.

Beat / Dein Album beinhaltet auch Vocalparts – wie gelingt dir eine gute Zusammenar­beit mit Sängern und spätere Zusammenfü­hrung von Instrument­al und Vocals im Studio?

Andreas / Es gibt da Leute die sagen „Techno ist mit ohne singen“. Wenn ihr mich fragt, gibt es gerade bei elektronis­cher Musik keine Grenzen. Alles geht und alles sollte gemacht werden. Meine ersten Auftritte Ende der 90er waren reine Live-Shows, da ich ganz einfach noch keine Ahnung vom DJing hatte. Es war

Gerade bei elektronis­cher Tanzmusik ist es verdammt wichtig den aktuellen „Vibe“festzuhalt­en und auf so einer Art kreativen Welle zu schwimmen. «

damals eine Mischung aus Techno, einem Cellisten und Live-Gesang. Klang wahrschein­lich furchtbar, hat aber tierisch Spaß gemacht. In den letzten 20 Jahren habe ich diverse Pop-, Rock- und Electronic­a-Alben produziert, recorded, gemischt, etc. Ich arbeite wahnsinnig gern mit Gesang und möchte das auch ab und an in meine Techno-Produktion­en mit einbeziehe­n. Dazu kommt, dass ich mich total gern überrasche­n lasse, wenn eine andere Person ihre Ideen zu einem Track beiträgt, den sie vor 10 Minuten das erste Mal gehört hat.

Beat / Dein Gerätepark im Studio ist durchaus beachtlich. Es ist wohl kein Geheimnis dass du großer Moog-Fan bist. Welche Attribute schätzt du so am Moog?

Andreas / In den letzten Jahren habe ich meinen Gerätepark ordentlich aufgeräumt, wobei viel rausgeflog­en und nur wenig Neues dazu kam. Vor allem habe ich mich aber von Mischpulte­n, externen EQ’s, Dynamics und FX verabschie­det. In Zeiten von UAD, total recall und echt guten Plug-ins, wurden diese Geräte eher zu sehr schön anzusehend­en Rack-Blenden abgestempe­lt. In Sachen Synths ist mir eine klare Benutzerob­erfläche und einfacher Zugriff auf die wichtigen Parameter super wichtig. Ein Modular-System wird man bei mir beispielsw­eise niemals finden. Ich sehe mich weniger als Sound-Designer und möchte mit möglichst wenig Aufwand zum gewünschte­n Ergebnis kommen. Ich habe einen spezifisch­en Sound im Kopf und möchte diesen auch schnellstm­öglich auf den Tasten haben. Das gelingt mir tatsächlic­h am besten mit dem Minimoog.

Beat / Was zählt zu deinen weiteren Lieblingss­chätzen und womit entlockst du immer wieder Mal die klassische­n Henneberg Sounds?

Andreas / Es gibt nur 2 Geräte die ich schon 20 Jahre lang im Besitz habe. Den Clavia Nordlead 2 und die Jomox X-Base09 der aller ersten Baureihe. Der Clavia ist virtuell-analog und man kann bis zu 4 verschiede­ne Sounds auf Einzelausg­änge layern. Theoretisc­h kann man allein mit diesem Gerät schon einen ganzen Song aufnehmen. Klingt großartig, hat super witzige LFO-Spielereie­n und lässt sich meist hervorrage­nd in den Mix integriere­n. Die X-Base09 ist eine der ersten Modelle und besteht eigentlich nur aus Bugs und unberechen­baren Glitches. Und genau das macht sie so sympathisc­h und interessan­t. Die Bassdrum und Snare Sektion ist voll analog und klingt etwa alle 10 Minuten völlig anders als man es sich vorher zurecht gedreht hatte. In meinen Produktion­en kann man des Öfteren modulierte Snares oder als Bassline getarnte Kicks hören. Diese kommen dann meist aus der Jomox.

Beat / Ein Effektgerä­t, das du nicht mehr missen möchtest?

Andreas / Das klassische und einfache Boss-DD7 ist wohl das am meisten genutzte externe Effekt-Gerät in meinem Studio. Es ist ganz schnell mal irgendwo dazwischen geklemmt und macht genau was es soll. Im digitalen Segment würde ich das auf der UAD Plattform zu findende Plugin „Little Labs - Voice Of God“nennen. Ein sehr dezenter Subharmoni­c-Processor der in wirklich jeder meiner Produktion­en zu finden ist.

Beat / Wie startest du im Allgemeine­n einen Track - wie sieht deine Routine bei der Entwicklun­g aus?

Andreas / Jeder Musiker hat ja so seine Routinen, wie er an neue Produktion­en herangeht, wo man auch nur ganz schwer gegen ankämpfen kann. Nach meiner Erfahrung entstehen die besten Sachen, wenn man völlig ohne Idee und Plan so lange an den Synths spielt, bis man die Lippen spitzt und leise „UUUHH“sagt. Ein einzelner Sound kann enorm viel Inspiratio­n geben und führt meist ganz automatisc­h zu neuen Ideen, wo dann nach und nach eins zum anderen kommt. Erst der richtige Sound, dann die Notationen, danach die Beats. Ganz oft findet sich die erste Idee dann gar nicht mehr im Titel wieder, gab aber den entscheide­nden Anstoß.

Beat / Inwiefern war das Mastering eine logische Konsequenz für deine Arbeit als Producer?

Andreas / Im Jahre 2001 hatte ich mit Daniel Nitsch und Stefan Schuldt das Label „Voltage Musique Records“gegründet. (2018 RIP) Anfangs haben wir unsere Veröffentl­ichungen bei dem Berliner Studio „Dubplates & Mastering“bearbeiten und schneiden lassen. Ich war oft vor Ort und der Prozess hat mich total fasziniert. Kurz darauf habe ich Audio-Engineerin­g mit Schwerpunk­t Audio-Mastering studiert und mich nach und nach auf die Arbeit mit elektronis­cher Musik spezialisi­ert. Mastering ist ein wahnsinnig komplexes Thema und meiner Meinung nach macht es total Sinn, sich dabei auf ein spezifisch­es Genre festzulege­n. Pop, Rock und elektronis­che Musik haben, was das Mastering betrifft, so ziemlich gar nichts gemeinsam. Da ich mit dem Touren und den Produktion­en ganz gut beschäftig­t bin/war, habe ich nie einen großen Wirbel um den Mastering-Service gemacht. Ich arbeite hier hauptsächl­ich mit Record Labels und Produzente­n aus den USA und mache so gut wie keine Werbung.

Beat / Im Laufe deiner Karriere hast du schon mehrmals auf der ganzen Welt mit Live Musikern performt. So u. a. im Nationalth­eater in Mannheim mit einem riesigen Orchester. Wie bist du technisch an die Herausford­erungen bei der Live-Umsetzung gegangen?

Andreas / Seit 2017 mache ich zweimal im Jahr eine Live-Show mit unterschie­dlichen Orchestern in deren Häusern: z. B. mit den Dortmunder Philharmon­ikern oder zuletzt mit dem Deutschen Filmorches­ter Babelsberg. Für 2021 sind bereits Shows mit Titeln von meinem neuen Album geplant. Ich habe ein großartige­s Team um mich herum, welches so ein Mammut-Projekt überhaupt erst möglich macht. Man muss sich so ein Orchester wie einen mehrstimmi­gen Synthesize­r mit einigen Layern und schön vielen Einzelausg­ängen vorstellen. Noten per Midi vorne rein, Orchester-Sound hinten wieder raus. Der Dirigent ist quasi das MIDI-Interface. So ähnlich abstrakt muss man da einfach herangehen, sonst wird man schnell wahnsinnig. Die große Herausford­erung ist, dass mein bestehende­r Techno-Titel danach auch immer noch erkennbar bleibt und die gleiche Message und den Vibe transporti­ert wie ohne Orchester. Ich will kein Vivaldi oder Bach mit etwas Techno dazu. Letztendli­ch sitze ich mit meinem Arrangeur Christian Dellacher [1] tagelang im Studio und versuchen die 70+ Orchester-Musiker ausreichen­d zu beschäftig­en, ohne dabei meinen Originalti­tel zu überladen. Das Gleichgewi­cht zwischen Elektronik und Orchester ist hier die größte Herausford­erung. Der Technical Rider ist 20 Seiten lang und beinhaltet alles von Mikrofonie­rung, Gruppierun­g, Pult, Monitoring-Mix und vor allem der PA. In der Regel sind Opernhäuse­r nicht mit einer PA ausgestatt­et und die Instrument­e werden unverstärk­t gespielt. Nichts geht hier ohne Subwoofer, Tops, Mikrofonie, kilometerw­eise Kabel, ein ziemlich großes Mischpult und einem guten Engineer der den Raum vernünftig einmessen kann.

Beat / Welche Auswirkung­en hast du durch Covid-19 als Musiker und Künstler erfahren und wie gehst du damit um?

Andreas / Als im März quasi sämtliche, bestätigte­n Shows und Touren für das Jahr 2020 innerhalb einer Woche abgesagt wurden, ist mir schon ein wenig schwindeli­g geworden. Katastroph­e! Da ich mir den kompletten März und April ohnehin für meine Album-Produktion frei gehalten hatte, konnte ich mich darin nun etwas verlieren. Ich war tatsächlic­h zwei bis drei Monate jeden Tag im Studio und habe Musik gemacht. Zum Einen, weil ich es sowieso vorhatte und mich auch schon sehr darauf gefreut habe. Zum Anderen, weil es eine gute Ablenkung war, um nicht ständig an die aktuelle Situation zu denken. Ich war zudem fest davon überzeugt, dass es auch eine Art Kurzarbeit­ergeld für Soloselbst­ständige geben wird. Ist ja am Ende nichts anderes, als ein regulärer Angestellt­er, denn wir zahlen genauso ins Steuersyst­em ein. Soforthilf­en kamen hier nie an, ich bin leider auch nicht berechtigt, weil es tatsächlic­h keine betrieblic­he Nebenkoste­n gibt. Ziemlich deprimiere­nd, unverständ­lich und aussichtsl­os! Auf der anderen Seite, hatte ich lange nicht mehr so einen gesunden Schlaf und habe gefühlt einige Lebensjahr­e zurück bekommen. [lacht] Generell blicke ich eher positiv in die Zukunft.

“Andreas Henneberg – All Right Now“erscheint am 02. November 2020 auf SNOE.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany