Neue künstlerische Freiheit
Mit seinen jüngsten Releases, dem Album „Her Future Ghost“und dem Projekt Invisible Minds, hat Tim Green seine Wirkungskreise erfolgreich über den Dancefloor hinaus erweitert. Danny Turner fand mehr darüber heraus.
Trotz des fast augenblicklichen Erfolgs mit schrulligen Tech-House-Klassikern wie „Revox“und „Mr Dry“und einer Welttournee als Resident-DJ i n weltbekannten Clubs wie WOMB, Fabric und Watergate hat der in London ansässige Produzent Tim Green schon immer auch Pläne gehabt, neue Werke zu schaffen, die auf seiner Liebe zu Filmsoundtracks sowie Electro- und Alternative-Pop basieren.
Beide Ambitionen wurden 2018 mit dem hypnotischen Konzeptalbum „Her Future Ghost“und dem radiofreundlichen Kooperationsprojekt Invisible Minds verwirklicht. Greens „Rebranding“endet dort jedoch noch nicht, sondern geht mit der jüngst erschienenen Ambient/Club-Crossover-EP „Vacation To Life“weiter, die auf Lee Burridges ehrgeizigem Label All Day I Dream veröffentlicht wurde.
Beat / In den letzten Jahren haben sich deine Produktionen deutlich über den Bereich House und Techno hinaus entwickelt. Was war der Anstoß dafür?
Tim / Es war eine bewusste Entscheidung und ein langsamer Prozess. Meine Debütveröffentlichung im Jahr 2004 war einer der ersten Techno-Tracks, die ich jemals geschrieben habe. Dann wurde ich unter Vertrag genommen, sodass ich mich direkt in die Tiefe stürzte und in diese neue Dancefloor-orientierte Musik eintauchte. Aber im Laufe der Jahre wurde mir klar, dass das, was mich mehr anspricht, eine Geschichte innerhalb der Musik ist. Ich wollte Emotionen und einen künstlerischen Stempel ergänzen, und das ist eine interessante Sache bei Clubmusik, weil die meisten Leute nur ordentlich knallende Tracks hören wollen. Emotionen dagegen werden nicht immer gebraucht oder akzeptiert. Ich versuche, den Klängen, die ich produziere, mehr Musikalität zu geben und sie gleichzeitig tanzbar zu machen.
Beat / Trance-Musik beinhaltet etwas mehr Emotionen, jedoch auf sehr formelhafte Weise. Ich denke, das ist nicht das, was du anstrebst, oder?
Tim / Du hast recht, dass Trance etwas mehr Emotionen haben kann, aber die Musik ist oft ziemlich kitschig. Trance ist anders als Techno, der sehr dunkel, trocken und gradlinig klingt. Es gibt dort nicht viel Raum für Emotionen, weil die Musik diese nicht braucht. Natürlich haben alle Songwriter und Produzenten Gefühle, sonst könnten sie keine gute Musik machen. Aber der Blickwinkel, den ich einnehme, ist eher musikalisch und die Ergebnisse klingen etwas orchestrierter.
Beat / Waren House und Techno ein Mittel zum Zweck?
Tim / Ja, aber nicht aus den Gründen, die du vielleicht annimmst. Ich war jahrelang Gitarrist und wollte nach Amerika ziehen, in Bands spielen und Session-Musiker werden. Als ich anfing, elektronische Musik zu machen, wurde mir klar, dass ich meine eigene Band sein könnte, was in einer Bandumgebung nicht möglich ist.
Beat / Die Mutation war auf deinem 2018er-Album „Her Future Ghost“offensichtlich, das viel mehr als ein Dance-Album ist...
Tim / Ich habe mich durchaus darauf vorbereitet, dieses Album zu machen, habe aber zugleich das Gefühl, dass alles, was ich gemacht habe, irgendwie aufeinander aufbaut. „Her Future Ghost“war das erste richtige Album, das ich jemals gemacht habe. Ich hatte mich vorher nie hingesetzt und eine bestimmte Zeit damit verbracht, ein Projekt von Anfang bis Ende durchzuziehen. Ich wurde schon früher gefragt, ob ich denn nicht mal Alben machen könnte. Ich hatte jedoch nie das Gefühl, dass es ein Format ist, das ich erforschen wollte. Schließlich fand ich doch endlich ein gutes Konzept und fühlte mich bereit, diese Welt auf meine Weise zu erkunden.
Beat / Hattest du eine klare Vorstellung, in welche Richtung du gehen wolltest?
Tim / Es sollte eine Soundtrack-Atmosphäre haben und gewisse Themen sollten immer wieder auftauchen. Es ist im Grunde ein Soundtrack zu einem Film, der nicht existiert. Er basiert auf losen, charakterbasierten Themen, die ich im Sinn hatte. Ich habe neue Produktionsideen ausprobiert, aber das mache ich immer. Ich wollte es auch orchestraler gestalten, aber nicht nur in Bezug auf die Verwendung von Streichern oder anderen Orchesterinstrumenten. Ich nahm Parts so auf, dass sie wie Streicher oder Layer-Sounds klingen. So als wären sie Solisten, die miteinander spielen und nicht nur einen Akkord halten.
Beat / „Evaded“sticht heraus, da es ein sehr dunkler, filmischer Track ist. Was waren deine Einflüsse dafür?
Tim / Das ganze Album wurde inspiriert durch zahlreiche Filmkomponisten, die ich wirklich mag, und ist eine Kombination dieser Einflüsse. Ich liebe Filmmusik und kaufe mir häufig Soundtracks. Ich schätze, ich habe mich mehr an Electronica angelehnt, was die Produktion und die Verbindung von Soundtrack- und Electro-Welten angeht, aber auch an House und Techno. Einer meiner Lieblingssoundtrack-Komponisten ist Hans Zimmer. Besonders seine Arbeit an „Interstellar“und „Inception“. Aber auch Joe Hisaishis Studio Ghibli-Filme und Johann Johannsson waren großen Einflüsse.
Beat / Das Hören von Soundtracks ist nicht jedermanns Sache. Was reizt dich an diesem Format?
Tim / Daran sind wohl Disney schuld, die ich als Kind sehr mochte. Diese Soundtracks waren so gut geschrieben und interessant und ich mochte die Instrumentierungen. Sie sind zwar normalerweise orchestral, aber es ist nicht komplett klassische Musik und vieles basiert auf Solo-Instrumentalthemen. Der Dynamikbereich, den bestimmte Komponisten aus einem Orchester herausholen können, ist unglaublich. Ich finde diese Fähigkeit, verschiedene Formen von Emotionen innerhalb von 30 Sekunden zu destillieren, sowohl genial als auch inspirierend.
Beat / Ist das eine Branche, in der du dich gerne mehr engagieren würdest?
Wir haben nicht mehr die Legenden, die wir früher hatten, weil Künstler von Plattenfirmen ausgewählt werden, weil sie cool aussehen. «
Tim / Ja, in der Tat, aber nicht jetzt. Ich habe schon Musik für Filmtrailer gemacht, aber ich sehe in dem Bereich nicht genug Freiheit für mich. Man erhält einen Auftrag und alles klingt ein wenig untypisch. Man kann die Musik von fast jedem Filmtrailer nehmen und auf einen anderen Film packen, ohne einen Unterschied zu erkennen. Ich bin zufriedener, wenn ich sinnbildlich ein leeres Blatt Papier füllen kann. Bei Filmkompositionen ist es schwierig, ein- und auszusteigen. Da ist man voll eingespannt.
Beat / Ähnlich wie deine experimentelleren Sachen ist auch deine neueste EP „Vacation To Life“alles andere als eine unkomplizierte Dance-Veröffentlichung, da sie mehr in Richtung Ambient Techno geht.
Tim / DJ Lee Burridge ist ein guter Freund von mir, der viele Partys veranstaltet, die tagsüber stattfinden. Die EP wurde auf seinem neuen Label All Day I Dream veröffentlicht. Ich denke, der Name deutet es schon an: Anstelle von dunkler Musik für Clubs ist dies House für offenere, entspanntere Umgebungen. Lee wollte sich von der Nachtclubszene entfernen, ein älteres Publikum ansprechen und mehr Frauen einbeziehen. Ich habe Erfahrung damit, in Clubs zu gehen, in denen zu 95 Prozent Männer sind, und daran ist nichts auszusetzen, aber manchmal möchte man eben vor einem anderen Publikum spielen. Wie man sieht, langweile ich mich leicht [lacht]. Ich habe mich von der Idee angezogen gefühlt, tagsüber Shows zu spielen, und diese EP ist die erste, die ich für All Day I Dream gemacht habe.
Beat / Wir haben gelesen, dass die Zusammenarbeit deiner Träume mit Peter Gabriel wäre. Wieso er?
Tim / Ich liebe ihn einfach. Er ist mein Gott. Dank meines Vaters bin ich mit Genesis aufgewachsen. Und wenn ich seine Soloarbeiten zusammenfassen müsste, würde ich sagen, genauso sollte Musik in meiner Idealvorstellung sein. Er orientiert sich sehr an Weltmusik, verarbeitet verschiedenste Einflüsse und hat keine Angst vor Experimenten. Auch seine Stimme ist fantastisch. Er schreibt Popmusik, aber sie ist gut komponiert, nicht die ekelhafte Chartmusik, die man heute so hört. Ich würde gerne mal in die Real World Studios gehen. Ich habe gesehen, dass Harry Styles dort sein Album aufgenommen und am Ende sogar ein Cover von „Sledgehammer“gemacht hat.
Beat / Das Invisible Minds-Projekt ist etwas ganz anderes. Was kannst du uns darüber erzählen?
Tim / Das ist ein guter Übergang von Peter Gabriel, weil es bei Invisible Minds mehr darum geht, dass ich in meine Live-Welt zurückkehre und Gitarre spiele. Ich möchte in einer Band sein und mit Musikern zusammenarbeiten. Ich habe zuvor ausschließlich House- und Techno-Tracks veröffentlicht, aber schon zum Spaß Sachen geschrieben, die nicht zu einer „Tim Green“-Veröffentlichung gepasst haben. Im Laufe der Jahre habe ich viel davon aufgenommen und mein Manager war der Meinung, wir sollten einige dieser Songs herausbringen. Aber sie klangen alle sehr unterschiedlich. Also habe ich ungefähr ein Jahr damit verbracht, ein paar mehr zu schreiben und die vorhandenen
Stücke so anzupassen, dass sie zusammenhängender sind und dieses Album endlich erscheinen konnte. Invisible Minds ist das Projekt, auf das ich mich später in meiner Karriere konzentrieren möchte. Bei Thom Yorke oder Björk sind die Leute nicht überrascht, wenn sie ein neues Album veröffentlichen und es völlig anders klingt, denn dafür stehen sie schließlich. In solch einer Welt würde ich am Ende meiner Karriere auch gerne leben. Einer Welt, in der ich komplette künstlerische Freiheit habe und jeder weiß, dass ich einen sehr vielfältigen Hintergrund habe. Ich habe gerade einen Vertrag mit Wagamama für „Yo Mae Leh“, der Single des Invisible Minds-Albums, abgeschlossen. Deren neue Fernsehwerbung enthält eine leicht editierte Version davon.
Beat / Findest du es schwierig, dich wieder auf reinen House und Techno zu konzentrieren, nachdem deine Musik zuletzt immer experimenteller geworden ist?
Tim / Eben weil ich mich kreativ ausgetobt habe, kann ich nun wieder entspannter Dancefloor-Tracks machen. Vor fünf oder sechs Jahren waren House und Techno weniger interessant für mich, weil ich diese anderen Projekte nicht hatte. Ich denke, es ist schwierig für einen Künstler, wenn er unter einem einzigen Namen in verschiedenen Genres experimentieren möchte, weil die Leute dich einordnen wollen. Ich bin damit während meiner gesamten Karriere irgendwie durchgekommen, aber es hat sich nachteilig ausgewirkt. Du verlierst Fans und gewinnst Fans und wirst als etwas uneindeutig wahrgenommen, aber ich denke, dass meine Fangemeinde diese Seite von mir jetzt erwartet und dadurch fühle ich mich wohler.
Beat / Macht es für dich einen Unterschied, ob du Software oder Hardware verwendest?
Tim / Ich mache keinen Unterschied zwischen beiden und habe keine Vorliebe, was ich besser oder schlechter finde. Manchmal schreibe ich Songs komplett auf meinem Laptop im Flugzeug, manchmal verwende ich nur analoge Drumcomputer und Synthesizer. Ich mag das Analog-Digital-Argument nicht. Die Musik eines Künstlers nur zu hören, weil sie komplett analog ist, ist doch wirklich kein guter Grund.
Beat / Apropos analog, wo bist du auf den Minimoog gestoßen?
Tim / Es ist ein originaler Minimoog Model D und definitiv mein wertvollster Besitz. Sie sind jetzt sehr gefragt und sehr teuer, aber wahrscheinlich auch das Geld wert. Ich benutze ihn oft für Bässe und Leads und kann mir nicht vorstellen, ihn jemals wieder abzugeben. Es hat ursprünglich meinem Vater gehört, weil er Keyboarder war. Heutzutage begeistern ihn Workstation-Synthesizern viel mehr. Daher hatte er keine Verwendung mehr dafür. Aber er hat mir von klein auf beigebracht, keine Geräte zu verkaufen, und besitzt immer noch viele fantastische Synthesizer und Keyboards.
Beat / Also war der Moog schon im Haus, als du aufgewachsen bist?
Tim / Ja, das war er. Er ist älter als ich [lacht].
Beat / Bevorzugst du den Prophet-6 gegenüber der Vintage-Version 5?
Tim / Für mich ist der Prophet-6 der am besten klingende neue Analog-Synthesizer. Mein erster Synth war der Nord Modular G2, den ich auch sehr liebe. Man kann ein Programm laden, das einen noch stärker in die Synthese eintauchen lässt. Ich finde die Menge an verrückten verschiedenen Sounds, die man herausholen kann, toll und habe ihn schon auf so vielen verschiedenen Platten verwendet. Außerdem benutze ich den monophonen Minimoog Voyager auch oft für Lead-Sounds.
Beat / Wie unterscheidet sich der Voyager vom Minimoog?
Tim / Sie sind ähnlich, obwohl der Voyager digitale Presets hat und man Schritte rückgängig machen kann. Entsprechend ist er vielseitiger. Aber wenn man nach rohen Klängen sucht, gibt es nichts Schöneres als den Minimoog.
Beat / Was bietet der Korg Minilogue im Vergleich?
Tim / Es ist ein wirklich interessanter Synthesizer und wahrscheinlich der modernste, den ich habe. Es ist alles analog und polyphon und Korg bietet einen einzigartigen Klang. Es ist ein ziemlich günstiger Synthesizer, wenn man bedenkt, was man herausholen kann. Aber ich finde es immer noch inspirierend, ihn zu verwenden. Der andere Synthesizer, den ich habe, ist der Arturia MicroBrute, der einen sehr rohen, schneidenden Sound hat. Es ist großartig für Leads und klingt ziemlich schmutzig, was klasse ist für Techno-Produktionen.
Beat / Machst du deine Beats im Computer oder mit Hardware?
Tim / Ich bin es eher gewohnt, einen Beat im Computer zu programmieren, bevor ich mich an den MFB Tanzbär setze, um zusätzliche Elemente wie Hats, Klatschen oder einen schönen Kick-Sound hinzuzufügen. Manchmal programmiere ich bestimmte Patterns darauf, aber normalerweise nehme ich diese Sounds als Audio auf und nutze den Computer als Sequenzer. Für Kick-Drums verwende ich den Jomox MBase 11 Drum-Synth, da ich damit wirklich verrückte Subs hinbekomme. Er hat einen sehr spezifischen Klang, aber es gibt so viele Parameter, die man ändern kann, und ist völlig analog.
Beat / Wie ist dein Outboard-Equipment konfiguriert?
Tim / Die Synthesizer gehen alle direkt in den PC. Ich verkabele nichts hintereinander und mein gesamtes Setup läuft über drei Soundkarten, hauptsächlich das Fireface UFX, aber auch eine alte Apogee Ensemble und das Fireface UC-Audio-Interface. Sie sind beide über optische Kabel und ADAT verbunden, worüber ich die Signale hinein schicke. Mixing und Songwriting sind bei mir getrennt. Ich schreibe also Songs, nehme Zeug auf und mische erst danach. In der Mixing-Phase schicke ich die Signale noch mal aus dem Rechner heraus, um sie besser klingen zu lassen, egal ob es sich um einen Synth-Sound oder Gesang handelt.
Beat / Durch welches Outboard-Equipment lässt du die Signale dabei laufen?
Tim / Der Looptrotter Monster Kompressor ist fantastisch. Es ist ein polnischer analoger Stereokompressor mit zwei Röhrensättigungskreisen in jedem Kanal. Ich verwende entweder diesen oder den Really Nice Leveling Amplifier, der günstig ist, aber als Kompressor für Gesang sehr gut funktioniert. Wenn ich im Rechner arbeite, schicke ich die Signale eigentlich immer noch mal durch diese Geräte, um den Sound entweder zu komprimieren oder zu sättigen und um ihm mehr analogen Biss zu geben.
Beat / Vermutlich verwendest du den Kassettenrekorder auch für diesen Zweck?
Tim / Es ist ein Sony TC-135SD, ein sehr billiger Kassettenrekorder. Ich habe ihn ziemlich oft auf dem „Her Future Ghost“-Album verwendet. Er eignet sich hervorragend für Drums und insbesondere Hi-Hats. Ich zeichne eine Passage auf, drücke die Wiedergabetaste und nehme sie als Audio wieder im Computer auf. Ich habe analogen Bandemulationskram auf dem PC, aber er klingt für mich nicht sehr analog. Er verleiht den Sounds einen schönen Glanz, aber ein Band hat eben einen ganz bestimmten Klang und ich verwende
mein Leben lang Tonbandmaschinen. Ich versuche nicht einen analogen Sound per se zu erzielen, sondern verwende ihn eher als Verzerrungseffekt. Leider flattert das Band etwas, sodass das Timing ungenau ist.
Beat / Du hast erwähnt, dass du Gitarrist warst. Es ist überraschend, wie viele Gitarren du besitzt.
Tim / Ich habe sie im Invisible Minds-Projekt häufig für Lead-Teile verwendet. Wir haben eine Show in der Hoxton Hall gespielt und ich habe dafür eine Band zusammengestellt zusammen mit beiden männlichen Gastsängern, die auf dem Album zu hören sind. Es war ein Traum, live zu jammen und zu improvisieren. Genau deshalb wollte ich dieses Projekt machen. Ich habe mich dort oben wohler gefühlt als jemals zuvor. Im Studio schicke ich die Gitarren und manchmal auch die Synthesizer durch Strymon-Reverbs, die sich auch hervorragend als Effektsends beim DJing eignen.
Beat / Welche Effekte verwendest du im Rechner?
Tim / Ich habe lange Zeit gerne das Freeze-Plug-in von GRM benutzt. Es funktioniert so, dass es alle Audiosignale, die man hinein schickt, einfriert und loopt. Es spielt sie dann aber nicht einfach nur als Loop wieder ab, sondern variiert kleine Elemente. Die FabFilter-Plug-ins waren immer ein Favorit von mir, plus PSPaudioware und UAD natürlich. Ihre Kompressoremulationen sind fantastisch. Auch hier ist mein Hintergrund, mir anzuhören, wie Produzenten Bands früher mit gutem analogen Equipment aufgenommen haben. Ich höre Akkorde, Melodien und Songstrukturen, daher kaufe ich sehr selten Plug-ins, es sei denn fürs Mixing.
Beat / Du mischst also deine eigenen Tracks?
Tim / Ja, das habe ich immer selbst gemacht. Nur einmal habe ich einen Track von jemand anderem gemischt bekommen, weil ich in einem anderen Studio war und der Raum nicht gut war. Aber auch wenn ich nicht wirklich gut mischen könnte, würde ich es trotzdem selbst machen, weil ich ziemlich stur bin und die Kontrolle über meine Musik haben möchte. Mastering ist etwas anders. Ich kann meine Tracks zwar auch selbst mastern, aber Mastering-Engineers haben bessere Setups und Systeme, um Probleme identifizieren zu können. Trotzdem habe ich ein tolles Paar ATC-Lautsprecher, auf denen man alles hört. Es gibt auch Zeiten, wo ich die Masterfiles zurückbekomme und sie schrecklich finde, da sie ruiniert wurden.
Beat / Wie kommunizierst du das dann?
Tim / Mit brutaler Ehrlichkeit [lacht]. Das muss man. Es gab nur wenige Fälle, in denen ich dachte, was ist nur mit dieser Person los? Normalerweise kann man verstehen, warum sie etwas getan haben. Zum Beispiel kann es sein, dass ich etwas geschrieben habe, das etwas leichter oder
House-orientierter ist, und sie haben es so gemastert, dass die Kick übermächtig war, als wäre es eine Techno-Platte. Dann muss ich ihnen eben sagen, dass sie mit zu extremen Einstellungen rangegangen sind und erklären, wie ich es haben möchte. Heutzutage sende ich immer meine eigene Masterversion als Referenz mit, damit sie zumindest einen Anhaltspunkt haben, was ich anstrebe.
Beat / Sind das Tracks, die du bereits in einer Club-Umgebung getestet hast?
Tim / Als DJ kann ich natürlich über verschiedene Systemen auf der ganzen Welt spielen. Deshalb optimiere ich meine Tracks immerzu und mastere sie, um sie spielen zu können. In Clubs höre ich jedes Mal genau zu, wenn ich solch einen Titel spiele. Wenn ich der Meinung bin, dass er nicht passend klingt, ändere ich ihn eben. Bevor er an einen professionellen Mastering-Engineer geschickt wird, habe ich den Titel schon bis zu dem Punkt gebracht, dass er auf vielen verschiedenen Systemen konsistent klingt.
Beat / Wie bist du an das Mastering von „Her Future Ghost“herangegangen, wo der Mix viel nuancierter ist?
Tim / Da „Her Future Ghost“ein Album ist, ist jeder Track anders und man braucht eine gewisse Konsistenz. Möglicherweise treten ein paar Frequenzspitzen auf, die Probleme verursachen, oder ich fordere den Mastering-Engineer auf, eine Frequenz hervorzuheben oder kreativ zu sein, weil ich darauf vertraue, dass er die Dinge weiter vorantreibt. Meistens wollen sie auch eine Master-Version für Vinyl machen, was bedeutet, bestimmte Frequenzen zu entfernen oder den Bass mono zu machen, da dieser bei Vinyl sonst ein Problem ist.
Beat / Du hast viel Vinyl und Decks im Studio. Übst du deine DJ-Sets zu Hause?
Tim / Ich benutze die Decks kaum, weil ich jedes Wochenende in einem Club bin, aber manchmal benutze ich die Technics-Decks, um alte Platten aus den 70ern abzuspielen, oder wenn ich eine Hausparty veranstalte, weil die Leute dazu normalerweise eigenes Vinyl mitbringen.
Beat / Wie vergleichst du diese klassischen 70er-Jahre-Alben mit dem, was man heute allgemein so hört?
Tim / Wir haben nicht mehr die Legenden, die wir früher hatten, da Künstler von Plattenfirmen ausgewählt werden, weil sie cool aussehen. Dadurch geht der eigentliche Grund, weshalb eine Band Musik macht, oft verloren. Früher zeichnete exzellente Musiker aus für die Performance verantwortlich zu sein, und es war wichtig, diese in einem Take festzuhalten. Der Audio Engineer verbesserte das dann nur noch etwas, anstatt eine schlechte Leistung gut klingen zu lassen. Dann gibt es noch den digitalen Loudness War, der dazu führte, dass wir die Essenz einer schönen Aufnahme verloren haben, zumindest im kommerziellen Bereich. Selbst wenn man Country mag, kann man den Unterschied zwischen einer schlechten Produktion, bei der alles zerquetscht, geschmacklos und kitschig klingt, und einem Lied hören, das von echten Musikern in einem Studio gemacht wurde.