Studio Insights: Ólafur Arnalds
Ólafur Arnalds ist erfolgreich der Brückenschlag zwischen klassischer und elektronischer Musik gelungen. D. Turner sprach mit ihm darüber, wie die Stratus-Software den Sound seines neuesten Albums beeinflusst hat.
Ólafur Arnalds ist der Brückenschlag zwischen klassischer und elektronischer Musik erfolgreich gelungen. Danny Turner sprach mit ihm darüber, wie die Stratus-Software den Sound seines neuesten Albums beeinflusst hat.
Angesichts der Tatsache, dass seine Musik sehr Ambient-haft ist, fällt es schwer zu glauben, dass der isländische Komponist und Multiinstrumentalist Ólafur Arnalds seine Karriere als Hardcore-Schlagzeuger begonnen hat. Nachdem er für eine deutsche Metal-Band ein Demo mit „schlecht computerisierten“Streichern und Klavier produziert hatte, wurde er angespornt, seine Ideen in dieser Richtung weiterzuentwickeln. So kam eine Karriere im atmosphärischen klassischen Pop in Gang, die geprägt ist durch Arnalds zutiefst emotionale Arrangements mit Streichern, Klavier, Loops und Beats. Sein von Satie inspiriertes Debütalbum „Found Songs“(2009) inspirierte die Fantasie des Publikums, gefolgt von weiteren von der Kritik gefeierten Solowerken, dem experimentellen Technoprojekt Kiasmos und Soundtracks für die erfolgreiche TV-Show „Broadchurch“und in der jüngeren Vergangenheit das Krimidrama „Defending Jacob“. Arnalds neuestes Album „Some Kind Of Peace“, produziert in seinem neu errichteten Studio in Reykjavik, reflektiert sein persönliches und kreatives Wachstum und ist geprägt durch den Einsatz seiner bahnbrechenden Klaviersoftware Stratus.
Beat / Ist das Klavier der Ausgangspunkt all deiner Kompositionen oder wäre das eine zu offensichtliche Schlussfolgerung?
Ólafur / Ich würde sagen, dass es zu gleichen Teilen Klavier, Elektronik und Streicher sind, aber bei diesem neuesten Album stand üblicherweise nicht das Klavier am Anfang, da die Platte sehr Streicher-lastig ist. Daher war dies oft das Erste, das mir in den Sinn kam. Ich benutzte auch viel meine Stratus-Software, die eine große Inspiration für mich ist.
Beat / Hast du Techniken, die gegen Schreibblockaden helfen oder kommen diese bei dir gar nicht vor?
Ólafur / Ich habe buchstäblich Brian Enos Strategien auf meinem Pult und benutze sie auch, doch ich habe über Schreibblockaden und deren wahre Hintergründe in den letzten Jahren viel nachgedacht. In den meisten Fällen habe ich festgestellt, dass man im Studio sitzt und zu viel grübelt, wenn nichts passiert. Ich habe gemerkt, dass wenn man kurz davor ist aufzugeben, die Kreativität eigentlich schon wieder sehr nah ist. Der schwierigste Teil beim Bergsteigen ist kurz vor dem Gipfel, oder? Sobald man oben angekommen ist, kann man in alle Richtungen schauen und die Dinge werden klarer. Das ist das Größte, was ich in den letzten Jahren gelernt habe.
Beat / Würdest du Producern empfehlen, sich hin und wieder auch mal komplett von der Musik abzuwenden, um die Batterien aufzuladen?
Ólafur / Absolut. Ich denke, das wird unterschätzt. Man kann ein halbes Jahr lang versuchen, im Studio Musik zu schreiben. Aber worüber schreibt man eigentlich? Wenn man darüber schreibt, im Studio zu sein und Musik zu komponieren, ist das kein sehr inspirierender Kreis. Wenn du Vollzeitmusiker bist und es dir leisten kannst, ein Jahr frei zu nehmen, mach das und tue etwas anderes. Deine Karriere wird nicht einfach aufhören.
Beat / Künstler haben möglicherweise Angst, ihr Publikum zu verlieren, oder fühlen sich von ihrem Label unter Druck gesetzt. Hast du damit gerungen?
Ólafur / Wir alle haben den Gedanken, dass unser Publikum nicht mehr da sein wird, wenn wir für ein Jahr weggehen und dann wieder zurückkommen. Ich schätze, dass die meisten Produzenten überrascht sind, überhaupt ein Publikum zu haben, denn als sie anfingen, Musik zu machen, hat keiner wirklich erwartet, erfolgreich zu werden,. Wir sind einfach dankbar, dass jemand zuhört und das fühlt sich immer nach einer sehr fragilen Sache an, die jederzeit wieder verschwinden könnte. Ich habe definitiv diese Angst und es ist manchmal schwierig, nein zu großen Aufträgen oder Filmprojekten zu sagen, weil man Angst hat, dass dieses große Angebot das letzte sein könnte, das man jemals bekommen wird. Aber das ist völlig falsch. Das Publikum hat viel mehr Geduld als Künstler und Plattenlabels denken.
Beat / Du hast gerade deine Stratus-Software erwähnt, doch du hattest zuvor auch schon Ólafur Arnalds Chamber Evolutions kreiert...
Ólafur / Das Chamber-Evolutions-Projekt war sehr interessant und hat Spaß gemacht. Die Art, wie ich Streicher spiele, ist sehr harmonisch – ein luftiger Klang, der so sanft ist, dass er fast komplett still ist. Manchmal klingt es nicht einmal wirklich wie Streichinstrumente. Das Softwarepaket besteht aus zwei Hauptelementen. Eines ist ein Raster, das auf einer EMS-Synthi-Matrix basiert. Je nachdem, wo man seine Pins auf dem Raster platziert, klingen die Saiten unterschiedlich – abhängig davon, in welchem Bereich der Klaviatur man spielt. Die Samples sind sehr lang, sodass man einen Dur-Akkord lange halten kann und er sich abhängig von der Range, in der man eine Note spielt, ständig weiterentwickelt. Ebenfalls enthalten ist die „Wave“, die auf sehr einfachen String-Sample-Wellenformen basiert, die aus dem Nichts beginnen und sich in einem dynamischen Bogen bewegen – wie eine Haarnadel.
Beat / Wurde die Software hauptsächlich für dich selbst konzipiert?
Ólafur / Ich hatte den Eindruck, dass dieser Aspekt Samples im Allgemeinen fehlt, und es ist sehr schwierig, ihn mit Sample-Libraries zu erzeugen, da die Samples, die wir verwenden, in wenigen Sekunden zwischen fünf verschiedenen Velocity-Stufen überblenden, was nicht gut klingt. Ich dagegen wollte die gesamte Wellenform abtasten und eine Sammlung von Wellenformen aufbauen, mit der ich arbeiten kann, wenn ich diese Art von Sound brauche.
Beat / War es ein komplexer Prozess, das Aufnehmen der Samples richtig hinzubekommen?
Ólafur / Wir haben drei Tage in den AIR Studios in London verbracht, um jeweils eine Note mit einer kleinen Gruppe von Musikern aufzunehmen. Es war ein sehr mühsamer Prozess, der die Geduld der Leute auf die Probe stellte, aber am Ende des dritten Tages befanden sich alle in einem fast meditativen, transzendentalen Zustand [lacht]. Letzten Endes war es ziemlich erstaunlich, wie sehr sich alle darauf konzentrierten, eine einzelne Note zu spielen und zu versuchen, sie genau richtig zu treffen.
Beat / Funktioniert deine neuere Stratus-Pianos-Software ähnlich?
Ólafur / Sie ist ähnlich in Bezug auf die Idee der String-Texturen. Stratus generiert Texturen basierend auf deiner Noteneingabe. Wenn du also einen C-Dur-Akkord spielst, bekommst du eine generative Textur, gespielt vom Klavier. Anfangs wollte ich echte physische Klaviere mit MIDI-Triggern so steuern, dass sich die Tasten von selbst bewegen. Das hätte die gesamte Programmierung dahinter sehr anders gemacht, aber die Idee, diese Textur-Klänge vom Klavier zu bekommen, ist dieselbe.
Beat / Zeigt der Track „Loom“auf dem neuen Album Stratus in Aktion? Das Klavier scheint ja Gegenmelodien zu triggern.
Ólafur / Ja, fast alles in diesem Track ist Stratus. Der Synthesizer wird auch von Stratus gesteuert. Die Software kann jedes Instrument triggern, das MIDI verwendet. „Loom“war mein erstes
Experiment, wo ich mit der Software einen Synthesizer triggerte. Die gesamte Hauptmelodie in diesem Song ist Stratus und das Klavier am Ende auch. Die erwähnte Gegenmelodie entsteht, weil die Software zufällige Elemente basierend auf der Transponierung erzeugt. Wenn ich zum Beispiel sage, dass 30 Prozent der Noten eine Oktave höher werden sollen, kann Stratus die Noten zufällig eine Oktave höher transponieren. Wenn man das mit einem komplexen Pattern, das vielen Noten enthält, macht, hört man zufällige Melodien in der oberen Oktave. Das ist die Magie von Stratus, denn es inspiriert andere Melodien.
Beat / Vermarkten Spitfire Audio die Software nur oder waren sie auch an deren Konzeption beteiligt?
Ólafur / Ich habe einen Freund von mir hier in Island kontaktiert, der Software-Programmierer ist, und habe mich mit ihm zusammengesetzt, damit er versteht, worauf ich aus bin. Ich konnte ihm natürlich nicht sagen, wie die Programmierung geht, sondern nur was ich will, und er musste dann eben herausfinden, wie er das umsetzen kann. Spitfire kamen erst ins Spiel, als wir es in ein kommerzielles Produkt verwandeln wollten. Damals hatte ich Stratus bereits seit zwei Jahren verwendet.
Beat / Ermöglicht dir das Schreiben von Musik fürs Fernsehen mehr Raum für Experimente? Vielleicht mehr Möglichkeiten, tiefer in den Softwarebereich einzusteigen?
Ólafur / Eigentlich nein, aber es ist eine naheliegende Annahme. Das Komponieren zu Bildern ist in mancher Hinsicht einfacher, da nur eine begrenzte Anzahl von Optionen sinnvoll ist, wohingegen ich bei meinen eigenen Alben alle Optionen der Welt habe. Ich arbeite bei diesen Produktionen nicht sehr viel mit dem Computer, sondern versuche, so viel wie möglich analog zu machen, obwohl es
Beat / Behältst du Stücke, die entweder verworfen wurden oder nicht gepasst haben, um sie für zukünftige Projekte zu verwenden?
Ólafur / Absolut. Der dritte Titel des neuen Albums, „Spiral“, wurde für eine TV-Show geschrieben, aber nicht genommen. Anfangs klang er ganz anders. Die Melodie war schon da und das Konzept, aber ich habe ihn für das Album umarrangiert. Das passiert ständig und ist oft mein Trost, wenn ein Projekt beendet ist, weil mir meine Arbeit oder Zeit dann nicht verschwendet erscheint.
Beat / Wird deine Software nur für Entwürfe verwendet?
Ólafur / Ich würde die Software im Endprodukt nur verwenden, wenn kein Budget vorhanden ist. Sie klingt zwar großartig, aber ein Mensch, der eine Geige hält, hat etwas zu sagen und eine Absicht in seinem Spiel. Wenn man A und B vergleicht und nach Klangunterschieden sucht, wird es schwer, diese zu hören, aber in Bezug auf das emotionale Gewicht wird man einen großen Unterschied feststellen. Ich glaube nicht, dass Computer das jemals annähernd hinbekommen. Das klingt vielleicht nach New-Age-Hokuspokus, aber Musik hat eine Ebene, die wir nicht hören, sondern nur fühlen können. Die Leute reden darüber, dass man den Unterschied zu Software nicht mehr hört, aber ich spüre den Unterschied und weiß, dass es kein Mensch war. Das wiederum bedeutet, dass ich weiß, dass dort niemand versucht hat, durch die Musik zu kommunizieren, was mir wiederum wichtig ist.
Beat / Wie bist du an das neue Album „Some Kind Of Peace“herangegangen? Wir haben gelesen, dass das Konzept in gewisser Weise biografisch war.
Ólafur / Technologien wie Stratus werden oft zu Konzepten. Auf dem vorherigen Album war das Konzept, wie sich Kreativität ändert, wenn man andere Tools verwendet. Dieses Mal hatte ich das Gefühl, dass ich einen Kontrast dazu wollte, indem ich etwas tat, das sich verletzlicher und persönlicher anfühlt. Das mag recht einfach klingen, war aber tatsächlich schwieriger. Bevor wir eine Aufnahme machten, verbrachten wir viel mehr Zeit damit, darüber zu sprechen, was die Musik bedeutet und warum wir sie machen. Normalerweise ist die Zeit mit meinem Orchester knapp. Daher versuche ich, so viele Takes wie möglich aufzunehmen. Aber diesmal hielt ich es für lohnenswerter, die zusätzliche Zeit damit zu verbringen, nur zu reden, zu experimentieren und zuzuhören, um zu sehen, wie die Musik das transportieren kann, was ich wirklich wollte. Ich denke, das kann man in jeder Facette des Albums hören, da ich weniger Kanäle verwendet habe; es keine großen Orchester gibt und viele Field Recordings aus meinem Leben verwendet wurden, um einen intimeren, persönlicheren Sound zu erzielen.
Beat / Damit deine Vision verwirklicht werden kann, ist es vermutlich wichtig, dass die Session-Musiker in deinen persönlichen Headspace gelangen, oder?
Ólafur / Genau. Und dann geht es darum, wie man die richtigen Leute findet. Viele professionelle Musiker, die für eine Session engagiert werden, kümmern sich nicht darum, wie ich mich fühle, und das ist absolut in Ordnung. Daher bin ich sehr glücklich, dass ich jetzt seit zehn Jahren mit meinen Streichern zusammenarbeite. Wir kennen uns und sind auch bereit, Zeit zu investieren, um herauszufinden, wie wir etwas genau richtig machen können.
Beat / Wie bindest du Gesangsbeiträge so ein, dass die Musik dennoch persönlich bleibt?
Ólafur / Bei der Zusammenarbeit mit Bonobo für „Loom“hat er den Gesang so zerhackt, dass man ihn nicht versteht. Als ich einige Leute fragte, was der Gesang für sie bedeutete, hatten sie alle eine andere Antwort. Die Texte für „Bottom Line“wurde von Josin geschrieben, allerdings aus meiner Sicht aufgrund von etwas, das ich ihr erzählt hatte. Es war wirklich schön, damit zu arbeiten, weil ich sie nicht darum gebeten hatte.
Beat / Du bist ein bekennender Kontrollfreak, was angesichts der Offenheit für Kollaborationen überraschend ist...
Ólafur / Zuzugeben, dass man ein Kontrollfreak ist, ist der erste Schritt, Wege zu finden, wie man dagegen angehen kann. Und Kooperationen helfen mir, dem entgegenzuwirken. Zusammenarbeiten haben einen großen Wert und bieten Inspiration. Wenn man seine Unwissenheit eingesteht, kann man beginnen von anderen zu lernen, was für mich als Künstler sehr nützlich ist.
Beat / Verwendest du das präparierte Klavier als Technik?
Ólafur / Ich habe meistens nur Filz auf das Klavier gelegt, aber es gibt viele Möglichkeiten, das umzusetzen. Deshalb verschwinde ich oft in einem Kaninchenbau und verwende verschiedene Arten von Material. Durch die Abschwächung des Anschlags auf die Saiten wird der Klang hohl und harmonischer, aber meistens wird das Klavier sehr leise, wodurch alle anderen Geräusche des Klaviers hervorgehoben werden. All diese kleinen Resonanzen sowie das Knarren und das Geräusch der Hämmer lassen alles viel intimer klingen.
Beat / Wie mikrofonierst du normalerweise ein Klavier?
Ólafur / Ich platziere ein Stereopaar in der Nähe der Saiten und richte es direkt auf die Hämmer. Das linke Mikrofon befindet sich auf der Höhe von einem Drittel und das rechte auf zwei Drittel der Länge des Klaviers. Sie sind so nah wie möglich am Piano, um störende Resonanzen zu vermeiden. Wenn man zu nah herangeht, verliert man das Stereofeld. Daher ergänze ich häufig ein drittes Mikrofon in der Mitte, um dieses Feld auszufüllen. Dieses klingt häufig anders und fügt einen anderen Charakter hinzu.
Beat / Du scheinst lieber Outboard-Equipment statt Software-Plug-ins zu verwenden?
Ólafur / Wenn es um die Processing geht, bin ich Minimalist. Wenn man zu viele Plug-ins in einem Channel verwendet, stimmt wahrscheinlich etwas mit der Quelle nicht. Daher verbringe ich lieber mehr Zeit damit, mein Mikrofon an der richtigen Stelle zu platzieren und den richtigen Vorverstärker zu verwenden, als den Sound später zu korrigieren. Ich benutze gerne viel Outboard-Equipment, aber ich liebe auch Plug-ins, also geht es mehr darum, die richtige Balance zwischen beiden zu finden. Im Computer arbeite ich hauptsächlich mit standardisierten Korrektur-EQs. Dafür verwende ich den FabFilter Pro-Q 3, ein Plug-in, das mein Leben verändert hat. Wenn du dir eine beliebige Session auf meiner Festplatte ansehen würdest, wären 90% der Plug-ins nur dieser EQ, während der Großteil des Restes Hardware ist. Auch meine Reverbs sind alle Hardware-basiert.
Beat / Suchst du für deine Musik normalerweise nach Vorverstärkern mit einer sehr sauberen, subtilen Färbung und sind diese normalerweise teurer?
Ólafur / Im neuen Studio nehme ich viele Streicher auf. Daher verwende ich einen Studer-Mixer, der technisch gesehen ein Vintage-Pult ist, aber sehr transparente und super saubere Vorverstärker hat. Dies ist wichtig für die Aufnahme von Streichern, da man so viele Informationen wie möglich erhalten möchte. Für Klavier, Percussion oder was auch immer ich sonst mache, bevorzuge ich die dreckigen, älteren Röhrenvorverstärker, die mehr Farbe verleihen. Auf Effektebene könnte ich ohne das Space Echo von Roland nicht leben und auch Pultec EQs verwende ich oft, weil sie wunderschön für Klavier und Gesang sind. Vielleicht mache ich mir etwas vor, aber für den Sound, den ich anstrebe, ist, dies notwendig, da ich mit akustischen Instrumenten arbeite. Es macht keinen Sinn, eine Geige, die Hunderttausende Dollar kostet, mit einem 200-Dollar-Mikrofon aufzunehmen. Wenn man also den exakten Klang der Instrumente und die volle Bandbreite der Emotionen des Musikers übermitteln möchte, braucht man unbedingt High-End-Equipment.
Beat / Findest du, dass es heute im Bereich Outboard-Equipment viel Innovation gibt?
Ólafur / Ich bin mit vielen modernen digitalen Geräten nicht so vertraut. Das wirklich interessante Zeug passiert heute in Effekten. Ich bin fasziniert von der gesamten modularen Bewegung, wenn es um das Processing und die Bearbeitung von Sounds geht. Aber hinsichtlich Vorverstärkern und Aufnahmemedien habe ich eher das Gefühl, dass Hersteller versuchen, die Vergangenheit zu wiederholen; wahrscheinlich, weil die Leute diese Vintage-Maschinen immer noch aufregend finden. Das ist in Ordnung, aber ich bin hinter Sachen mit Charakter und einer Geschichte her.
Beat / Im Laufe der Jahre wird sich die Menge an Vintage-Equipment zwangsläufig verringern. Ist es denkbar, diese Technologien neu zu erfinden, um ihnen diesen Charakter zu verleihen?
Ólafur / Charakter und Geschichte passieren auf natürliche Weise und das wird auch mit dem heutigem Equipment so sein. Es werden so viele Sachen hergestellt und wir werden das meiste davon wieder vergessen, aber in 20 Jahren wird es einige Maschinen geben, die wir immer noch für die besten auf dem Markt halten. Zwar versuchen es viele, aber ich glaube nicht, dass wir entwerfen oder entscheiden können, welche Maschine den Charakter der Zukunft haben wird, weil ich nicht denke, dass Charakter nur aus Unvollkommenheit resultiert. Wir alle mögen das Telefunken-U47-Mikrofon, weil wir diesen Sound kennen und gehört haben, dass unsere Lieblingssänger es verwenden. Es hat also etwas Vertrautes und Nostalgisches. Die Kultur wird auch bestimmen, was in Zukunft wertvoll wird und das liegt außerhalb unserer Kontrolle.
Beat / Du hast ein Nagra-Kudelski-Tonbandgerät aus den 50er-Jahren. Wie benutzt du es?
Ólafur / Ich mag es wirklich, Klavier auf Band aufzunehmen, weil es zusätzliche Wärme und Wackeligkeit verleiht. Technisch gesehen ist das eine Unvollkommenheit, aber es kann dem Klavier einen wirklich schönen Charakter verleihen. Was ich am Kudelski mag, ist, dass es nicht zu viel Farbe hinzufügt, sodass man einen Hi-Fi-Sound erhält. Es ist auch mobil und hat fantastische Vorverstärkern eingebaut, sodass ich dieses batteriebetriebene Aufnahmegerät in Studioqualität immer dabei habe, wenn ich irgendwo vor Ort ein Klavier aufnehmen muss.
Beat / Du hast auch eine Handvoll alter Keyboards. Werden sie eher für Bassklänge verwendet?
Ólafur / Ich benutze sie für alles, aber der Korg PS-3100 ist der interessanteste. Ich bin mir nicht sicher, ob ich hier ganz richtig liege, aber mir wurde gesagt, dass es der einzige wirklich polyphone Synthesizer ist, da hinter jeder Note eine vollständig analoge Signalkette steckt. Es ist schon ein bisschen verrückt, für jede Taste einen analogen Oszillator, eine Hüllkurve und ein Filter zu haben. Ich benutze es oft für melodische Akkorde, Rhythmen und Texturen, und der Roland Juno-60 ist ein guter Bass-Synthesizer, den ich auch für Akkorde verwende.
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