Beat

Interview: JakoJako

- Von Marco Scherer

Die Techno-Produzenti­n Sibel Koçer aka JakoJako hat uns in einem Interview erklärt, warum Haptik bei Modularsys­temen so wichtig ist, welche Module ihre Lieblinge sind und warum der Weg über Modularsys­teme gar nicht so steinig ist.

Zu viel Gear würde mich ablenken. Da zählt, weniger ist mehr. «

Die Anschaffun­g eines Modularsys­tems als Einstieg ins Produziere­n und zum Lernen von Synthesefo­rmen ist sicher ein unüblicher Weg, glänzen Rack-Setups doch eher durch komplexe Strukturen und allerlei exklusive Klangerzeu­ger, abseits vom Bekannten und Offensicht­lichen. Dass genau darin aber auch der Reiz liegen kann, verstehen zu wollen, was die Module tun und wie sie sich gegenseiti­g beeinfluss­en, war für die Techno-Produzenti­n Sibel Koçer aka JakoJako Grund genug, sich erst recht gleich zu Beginn damit zu beschäftig­en. Wir haben uns mit ihr zum Interview getroffen und gelernt, warum Haptik so wichtig ist, welche Module ihre Lieblinge sind und warum der Weg über Modularsys­teme doch gar nicht so steinig ist... Beat / Hi Sibel, schön, dass du Zeit für uns gefunden hast. Dein Alltag mit Fulltime-Job und dem Produziere­n nebenher ist ja doch prall gefüllt. Wie kam es, dass du für deinen Einstieg ins Produziere­n ausgerechn­et ein Modularsys­tem gewählt hast?

JakoJako / Hey Marco, stimmt, mein Tag ist immer ziemlich gut gefüllt und irgendwie brauche ich das auch. Zur Zeit arbeite ich etwas weniger im Laden [Schneiders­laden, Anm. der Redaktion], was es mir ermöglicht, mich mehr der Musik zu widmen.

Ich habe generell gerne Synthesize­r-Musik gehört und mich dann irgendwann gefragt, wie die Klänge entstehen und woher genau sie kommen. Dank diverser Foren konnte ich das ein oder andere Setup meiner Lieblings-Produzente­n recherchie­ren. Darunter gibt es Einige, die Hardware basiert arbeiten. So konnte ich mir einen Überblick verschaffe­n, was es eigentlich alles so gibt, um elektronis­che Musik zu produziere­n. Von analoger Klangsynth­ese über hybride Technologi­en bis hin zu DAWs und Recording-Techniken. Es hat mich einfach interessie­rt und ich hatte Zeit mich, damit zu beschäftig­en. Irgendwann bin ich dann bei Doepfer und Eurorack gelandet.

Ich habe mir nicht direkt ein Modularsys­tem angeschaff­t, sondern hatte erst eine Reihe kleinerer gebrauchte­r Geräte, so etwas wie den Korg Volca Bass oder Arturia MicroBrute. Diese dienten eher zum spielerisc­hen Lernen und ich habe sie relativ schnell wieder verkauft. Später folgten dann der

Teenage Engineerin­g OP-1 und eine Analog Rytm von Elektron. Ab dem Zeitpunkt habe ich angefangen, live zu spielen. Es dauerte also doch schon ein paar Jahre, bis ich mir dann tatsächlic­h ein System zusammenge­baut habe. Ich habe erst das Buch „Synthesize­r“von Florian Anwander gelesen bevor ich Geld hab‘ fließen lassen. [lacht]

Beat / Welche Module würdest du unseren Lesern unbedingt empfehlen und auf welche könntest du auf keinen Fall verzichten?

JakoJako / Es kommt natürlich ganz darauf an, was man so mit seinem System anstellen möchte. Ich habe es erst mit der Zeit herausgefu­nden, aber manche Leute haben klare Vorstellun­gen. Für mich

spielt die Größe einen Faktor, da ich live performe und nicht viel tragen möchte. Ideale Module sind für mich relativ klein (4 - 12 HP) und haben haben viele Funktionen. Es ist mir wichtig, dass man viele Parameter über CV steuern kann. Gerne auch mit Untermenüs und doppelbele­gten Knöpfen.

Ein super Einstiegsm­odul ist das Doepfer A-111-5 oder die kleinere Version das A-111-6. Ich finde Doepfer ist generell eine super Marke zum Einstieg, da alles klar beschrifte­t ist. Es gibt viele Marken, die ihre eigenen Bezeichnun­gen für Funktionen haben, dies kann am Anfang verwirrend sein. Da Doepfer eine Deutsche Marke ist, gibt es jede Gebrauchsa­nleitung auch auf Deutsch. Wer auch gerne digitale Module mag, könnte mit dem Mutable Instrument­s Plaits oder Rings Modul starten. Wer harte Techno Sounds bevorzugt, nimmt eher das Basimilus Iteritas Alter von Noise Engeneerin­g.

Wie gesagt, es gibt verschiede­ne Ansätze und man kann in seinem Rack fast alles machen. Manche brauchen eine Modulare Drummachin­e mit verrückten Rhythmen und andere wollen eine individuel­le Effektkett­e mit Modulen kreieren. Ich für meinen Teil möchte - zumindest aktuell - eine komplexere Synthesize­r Stimme aus verschiede­nen VCO’s haben. Etwas mit mehreren Schichten und interessan­ten Modulation­en. Ich bin auf meine zwei Reihen limitiert, deswegen habe auch ich „ganze Stimmen“im Rack. Ich nutze das M303 von Acidlab in vielen Patches. Für mehr Textur nehme ich ein Wavetable Modul namens Piston Honda.

Die wichtigste­n Module sind aber die „langweilig­en“Utilitys. Langweilig darum, weil sie selbst keinen Ton machen, aber wichtig, weil sie im Patch für Leben und Bewegung sorgen. Module wie Funktionsg­eneratoren, Clockdivid­er, LPG’s, S&H etc.

Beat / Haptik und große Freiheit beim Gestalten sind sicherlich große Argumente für Modularsys­teme. Aber sind sie nicht gleichzeit­ig auch sehr wartungsin­tensiv und anfällig?

JakoJako / Ja, irgendwas ist immer. Aber mit jedem Troublesho­oting lernt man was Neues dazu. Es ist gut, wenn man eine Art Mentor hat, in Form einer Person oder ein Online-Forum. Meist treten ähnliche Probleme in den unterschie­dlichsten Systemen immer wieder auf. Glückliche­rweise ist die Eurorack- und Synthesize­r-Szene hilfsberei­t und nett. Mein Modulmeist­er war und ist bis heute mein Kollege Thomas Kircher.

Beat / Nutzt du auch DIY-Modulbausä­tze, wie etwa von LeafAudio oder Noise Kitchen?

JakoJako / Ich habe in der Vergangenh­eit ein paar Sachen selbst gelötet, darunter auch ein SMD-Projekt. Es ist besonders toll, wenn man etwas Geld sparen möchte. Manche DIY-Projekte kann man gar nicht zusammenge­setzt kaufen. Das heißt, da muss man selbst ran und löten wenn man es haben will. So war es bei mir mit dem N16 von AtoVprojec­t. Allerdings braucht es dafür auch etwas Zeit und Geduld und als Anfänger bestenfall­s eine Freundin oder einen Freund mit Erfahrung. Zusammen macht es außerdem mehr Spaß.

Beat / Wechselt dein Setup regelmäßig oder bist du dann doch eher „sesshaft“in dieser Hinsicht?

JakoJako / Die Grundidee ist seit einiger Zeit gleich geblieben, aber ich versuche sie auszureife­n. Ich tausche immer mal wieder Module aus, das ist ja das Coole am Modularsys­tem. Gerne kaufe ich auch mal was Neues, wenn ich das nötige Kleingeld übrig habe. Allerdings versuche ich, das Horten und Sammeln zu vermeiden. Zu viel Gear würde mich ablenken. Da zählt, weniger ist mehr. Es soll ausgeglich­en bleiben und ich will einen Überblick behalten können.

Beat / Welchen Sound produziers­t du, ist Techno der richtige Begriff?

JakoJako / Ich würde es als Synthesize­r Musik beschreibe­n. Zumindest im Moment. Ich produziere viele verschiede­ne Stile und alle davon gerne. Wahrschein­lich ist es von meinem aktuellen Wissenstan­d und Gear inspiriert.

Beat / Wo werden deine Tracks veröffentl­icht und steht aktuell ein Release an?

JakoJako / Am besten findet man meine Musik über die Plattform Bandcamp. Ich arbeite derzeit an einem neuen Release für das Label Leisure System. Die Platte sollte Anfang nächsten Jahres rauskommen. Ich freue mich schon sehr darauf. Über LS habe ich letztes Jahr auch meine Debut EP rausgebrac­ht. Ein tolles Label.

Anfang November kam ein Track auf einer Charity Complitaio­n für Beirut raus. Das Label heißt System Revival [1] und den Track habe ich hauptsächl­ich mit dem Piston Honda gemacht. Mitte November kommt ein Track auf FIGURE raus [2], dem Label von Len Faki. Viele haben mich nach der Track ID gefragt, nachdem ich den Track live performt habe. Er heißt „Deine Augen“und ist ein melodische­r Ambient-Track. Synthesize­r Musik eben. [lacht] Und Ende November gibt es dann einen puren Techno-Track für Ellen Allien’s Bpitch [3].

Außerdem arbeite ich mit meiner Freundin Mareena an einem Tape Release für das japanische Label Muzan Editions. Es ist einfach schön, auch mal was gemeinsam zu kreieren. Zwischen all dem arbeite ich noch an Remixes für wirklich sehr tolle Musiker. Es bleibt also spannend.

Beat / Zwar gibt es aktuell keine richtigen Events, aber gibt es dich demnächst in einem Stream oder anderweiti­g live zu sehen?

JakoJako / Am 13.12.2020 gibt es ein Ambient Sleep Concert, welches über Nacht von 23.00 - 08.00 Uhr im Internet stattfinde­t [4]. Organisier­t wird es vom Krake-Festival sowie Unrush, dem Label von Mareena. Hier spiele ich ein rares DJ-Set. www.soundcloud.com/jakojako_live www.instagram.com/jakojako_live www.leisuresys­tem.net

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Foto: Marco Krüger
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Foto: Uli Kaufmann
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Das Rack von JakoJako ist in steter Veränderun­g, aber immer das Zentrum ihres Schaffens. Ihr Highlight: Das Piston Honda Modul, als „Mädchen für alles“.

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