Interview: JakoJako
Die Techno-Produzentin Sibel Koçer aka JakoJako hat uns in einem Interview erklärt, warum Haptik bei Modularsystemen so wichtig ist, welche Module ihre Lieblinge sind und warum der Weg über Modularsysteme gar nicht so steinig ist.
Zu viel Gear würde mich ablenken. Da zählt, weniger ist mehr. «
Die Anschaffung eines Modularsystems als Einstieg ins Produzieren und zum Lernen von Syntheseformen ist sicher ein unüblicher Weg, glänzen Rack-Setups doch eher durch komplexe Strukturen und allerlei exklusive Klangerzeuger, abseits vom Bekannten und Offensichtlichen. Dass genau darin aber auch der Reiz liegen kann, verstehen zu wollen, was die Module tun und wie sie sich gegenseitig beeinflussen, war für die Techno-Produzentin Sibel Koçer aka JakoJako Grund genug, sich erst recht gleich zu Beginn damit zu beschäftigen. Wir haben uns mit ihr zum Interview getroffen und gelernt, warum Haptik so wichtig ist, welche Module ihre Lieblinge sind und warum der Weg über Modularsysteme doch gar nicht so steinig ist... Beat / Hi Sibel, schön, dass du Zeit für uns gefunden hast. Dein Alltag mit Fulltime-Job und dem Produzieren nebenher ist ja doch prall gefüllt. Wie kam es, dass du für deinen Einstieg ins Produzieren ausgerechnet ein Modularsystem gewählt hast?
JakoJako / Hey Marco, stimmt, mein Tag ist immer ziemlich gut gefüllt und irgendwie brauche ich das auch. Zur Zeit arbeite ich etwas weniger im Laden [Schneidersladen, Anm. der Redaktion], was es mir ermöglicht, mich mehr der Musik zu widmen.
Ich habe generell gerne Synthesizer-Musik gehört und mich dann irgendwann gefragt, wie die Klänge entstehen und woher genau sie kommen. Dank diverser Foren konnte ich das ein oder andere Setup meiner Lieblings-Produzenten recherchieren. Darunter gibt es Einige, die Hardware basiert arbeiten. So konnte ich mir einen Überblick verschaffen, was es eigentlich alles so gibt, um elektronische Musik zu produzieren. Von analoger Klangsynthese über hybride Technologien bis hin zu DAWs und Recording-Techniken. Es hat mich einfach interessiert und ich hatte Zeit mich, damit zu beschäftigen. Irgendwann bin ich dann bei Doepfer und Eurorack gelandet.
Ich habe mir nicht direkt ein Modularsystem angeschafft, sondern hatte erst eine Reihe kleinerer gebrauchter Geräte, so etwas wie den Korg Volca Bass oder Arturia MicroBrute. Diese dienten eher zum spielerischen Lernen und ich habe sie relativ schnell wieder verkauft. Später folgten dann der
Teenage Engineering OP-1 und eine Analog Rytm von Elektron. Ab dem Zeitpunkt habe ich angefangen, live zu spielen. Es dauerte also doch schon ein paar Jahre, bis ich mir dann tatsächlich ein System zusammengebaut habe. Ich habe erst das Buch „Synthesizer“von Florian Anwander gelesen bevor ich Geld hab‘ fließen lassen. [lacht]
Beat / Welche Module würdest du unseren Lesern unbedingt empfehlen und auf welche könntest du auf keinen Fall verzichten?
JakoJako / Es kommt natürlich ganz darauf an, was man so mit seinem System anstellen möchte. Ich habe es erst mit der Zeit herausgefunden, aber manche Leute haben klare Vorstellungen. Für mich
spielt die Größe einen Faktor, da ich live performe und nicht viel tragen möchte. Ideale Module sind für mich relativ klein (4 - 12 HP) und haben haben viele Funktionen. Es ist mir wichtig, dass man viele Parameter über CV steuern kann. Gerne auch mit Untermenüs und doppelbelegten Knöpfen.
Ein super Einstiegsmodul ist das Doepfer A-111-5 oder die kleinere Version das A-111-6. Ich finde Doepfer ist generell eine super Marke zum Einstieg, da alles klar beschriftet ist. Es gibt viele Marken, die ihre eigenen Bezeichnungen für Funktionen haben, dies kann am Anfang verwirrend sein. Da Doepfer eine Deutsche Marke ist, gibt es jede Gebrauchsanleitung auch auf Deutsch. Wer auch gerne digitale Module mag, könnte mit dem Mutable Instruments Plaits oder Rings Modul starten. Wer harte Techno Sounds bevorzugt, nimmt eher das Basimilus Iteritas Alter von Noise Engeneering.
Wie gesagt, es gibt verschiedene Ansätze und man kann in seinem Rack fast alles machen. Manche brauchen eine Modulare Drummachine mit verrückten Rhythmen und andere wollen eine individuelle Effektkette mit Modulen kreieren. Ich für meinen Teil möchte - zumindest aktuell - eine komplexere Synthesizer Stimme aus verschiedenen VCO’s haben. Etwas mit mehreren Schichten und interessanten Modulationen. Ich bin auf meine zwei Reihen limitiert, deswegen habe auch ich „ganze Stimmen“im Rack. Ich nutze das M303 von Acidlab in vielen Patches. Für mehr Textur nehme ich ein Wavetable Modul namens Piston Honda.
Die wichtigsten Module sind aber die „langweiligen“Utilitys. Langweilig darum, weil sie selbst keinen Ton machen, aber wichtig, weil sie im Patch für Leben und Bewegung sorgen. Module wie Funktionsgeneratoren, Clockdivider, LPG’s, S&H etc.
Beat / Haptik und große Freiheit beim Gestalten sind sicherlich große Argumente für Modularsysteme. Aber sind sie nicht gleichzeitig auch sehr wartungsintensiv und anfällig?
JakoJako / Ja, irgendwas ist immer. Aber mit jedem Troubleshooting lernt man was Neues dazu. Es ist gut, wenn man eine Art Mentor hat, in Form einer Person oder ein Online-Forum. Meist treten ähnliche Probleme in den unterschiedlichsten Systemen immer wieder auf. Glücklicherweise ist die Eurorack- und Synthesizer-Szene hilfsbereit und nett. Mein Modulmeister war und ist bis heute mein Kollege Thomas Kircher.
Beat / Nutzt du auch DIY-Modulbausätze, wie etwa von LeafAudio oder Noise Kitchen?
JakoJako / Ich habe in der Vergangenheit ein paar Sachen selbst gelötet, darunter auch ein SMD-Projekt. Es ist besonders toll, wenn man etwas Geld sparen möchte. Manche DIY-Projekte kann man gar nicht zusammengesetzt kaufen. Das heißt, da muss man selbst ran und löten wenn man es haben will. So war es bei mir mit dem N16 von AtoVproject. Allerdings braucht es dafür auch etwas Zeit und Geduld und als Anfänger bestenfalls eine Freundin oder einen Freund mit Erfahrung. Zusammen macht es außerdem mehr Spaß.
Beat / Wechselt dein Setup regelmäßig oder bist du dann doch eher „sesshaft“in dieser Hinsicht?
JakoJako / Die Grundidee ist seit einiger Zeit gleich geblieben, aber ich versuche sie auszureifen. Ich tausche immer mal wieder Module aus, das ist ja das Coole am Modularsystem. Gerne kaufe ich auch mal was Neues, wenn ich das nötige Kleingeld übrig habe. Allerdings versuche ich, das Horten und Sammeln zu vermeiden. Zu viel Gear würde mich ablenken. Da zählt, weniger ist mehr. Es soll ausgeglichen bleiben und ich will einen Überblick behalten können.
Beat / Welchen Sound produzierst du, ist Techno der richtige Begriff?
JakoJako / Ich würde es als Synthesizer Musik beschreiben. Zumindest im Moment. Ich produziere viele verschiedene Stile und alle davon gerne. Wahrscheinlich ist es von meinem aktuellen Wissenstand und Gear inspiriert.
Beat / Wo werden deine Tracks veröffentlicht und steht aktuell ein Release an?
JakoJako / Am besten findet man meine Musik über die Plattform Bandcamp. Ich arbeite derzeit an einem neuen Release für das Label Leisure System. Die Platte sollte Anfang nächsten Jahres rauskommen. Ich freue mich schon sehr darauf. Über LS habe ich letztes Jahr auch meine Debut EP rausgebracht. Ein tolles Label.
Anfang November kam ein Track auf einer Charity Complitaion für Beirut raus. Das Label heißt System Revival [1] und den Track habe ich hauptsächlich mit dem Piston Honda gemacht. Mitte November kommt ein Track auf FIGURE raus [2], dem Label von Len Faki. Viele haben mich nach der Track ID gefragt, nachdem ich den Track live performt habe. Er heißt „Deine Augen“und ist ein melodischer Ambient-Track. Synthesizer Musik eben. [lacht] Und Ende November gibt es dann einen puren Techno-Track für Ellen Allien’s Bpitch [3].
Außerdem arbeite ich mit meiner Freundin Mareena an einem Tape Release für das japanische Label Muzan Editions. Es ist einfach schön, auch mal was gemeinsam zu kreieren. Zwischen all dem arbeite ich noch an Remixes für wirklich sehr tolle Musiker. Es bleibt also spannend.
Beat / Zwar gibt es aktuell keine richtigen Events, aber gibt es dich demnächst in einem Stream oder anderweitig live zu sehen?
JakoJako / Am 13.12.2020 gibt es ein Ambient Sleep Concert, welches über Nacht von 23.00 - 08.00 Uhr im Internet stattfindet [4]. Organisiert wird es vom Krake-Festival sowie Unrush, dem Label von Mareena. Hier spiele ich ein rares DJ-Set. www.soundcloud.com/jakojako_live www.instagram.com/jakojako_live www.leisuresystem.net