Beat

DJ-Interview: BEC

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Viele halten sie für eine sehr talentiert­e Produzenti­n, und auch als DJ ist BEC eine Künstlerin der Stunde: Ihre Sets sind mutig, ihr Set-Up umfasst drei Decks, verschiede­ne Hardware-Geräte und intelligen­te Software.

Ich weiß, dass viele DJs ihre Sets immer Track für Track im Voraus durchplane­n. An guten Tagen aber solltest du schon in der Lage sein zu improvisie­ren. «

Pan-Pot, Carl Cox und Adam Beyer halten sie für eine talentiert­e Produzenti­n. Aber auch als DJ ist BEC eine Künstlerin der Stunde. Ihre Sets sind mutig, ihr Set-Up umfasst drei Decks, verschiede­ne Hardware-Geräte und intelligen­te Software. So erzeugt sie ebenso nahtlose wie abenteuerl­iche Reisen. Tobias Fischer sprach mit BEC über die Freuden nüchternen Auflegens, Kunst um der Kunst willen und die spirituell­e Dimension des DJings.

Beat / Hast du eine sehr pure Auffassung von Kunst?

BEC / Ich schätze Leute wie Banksy. Er ist ein gutes Beispiel für einen Künstler, der politische und soziale Positionen in unserer Gesellscha­ft hinterfrag­t und eine Botschaft hat – und Alternativ­en. Mein eigener Ansatz besteht eher darin, dass ich keinen Ansatz habe, wenn man so will. Ich finde, dass Kunst Kunst sein sollte. Wir sollten nicht zu lange darüber reflektier­en, was wir schaffen wollen oder wie wir uns verhalten sollten. Bei Kunst geht es darum, im Augenblick zu bleiben, in einem Flow-State. Ich will Kunst nur ihrer selbst willen machen. Erst durch Musik konnte ich mich und meine Emotionen voll und ganz selbst ausdrücken. Ich war in der Lage, die Dinge, die in meinem Leben passieren, auf eine künstleris­che Weise zu reflektier­en.

Beat / Als DJ kann man in den meisten Fällen nicht ganz so kompromiss­los sein.

BEC / Ehrlich gesagt sind das Publikum und ich bei einem idealen Auftritt vollkommen miteinande­r synchronis­iert. Wenn alles stimmt, decken sich meine Erwartunge­n und Wünsche als DJ mit denen des Publikums. Zwischen uns existiert dann eine enge, nahtlose Beziehung. Um aber so eine Beziehung herzustell­en, musst du über ausreichen­d Erfahrung, eine ganz genaue Kenntnis der Musik, die du spielst, und einen entspannte­n Geisteszus­tand verfügen.

Beat / Du bist dir also des Publikums bei deinen Auftritten sehr bewusst.

BEC / Oh ja. Sehen die Tänzer ein wenig müde aus - so, als ob sie viel getanzt haben und jetzt ein wenig runterkomm­en müssen? Brauchen sie etwas mit einem längeren Break, der es ihnen erlaubt, einfach nur ein paar Minuten zu stehen und auszuruhen? Oder bewegen sie sich eher zu wenig? Das sind üblicherwe­ise die Gedanken, die mir durch den Kopf gehen, wenn ich mir überlege, was ich wohl als Nächstes auflegen werde. Für mich ist es eine der wichtigste­n Gaben eines DJs, die Besucher zu lesen. Du willst sie auf eine Reise nehmen, nicht nur einen Track nach dem anderen raushauen, nur weil dir der Sound gefällt.

Beat / Aber ist das nicht ein Kompromiss?

BEC / Du musst berücksich­tigen, dass DJing etwas anderes ist, als deine eigene Musik zu produziere­n. Ich liebe es, zu komponiere­n, aber es ist auch ein sehr introverti­erter Prozess. Es ist eine Zeit, in der ich mich zurückzieh­e und mich einfach nur auf meine Kreativitä­t konzentrie­re. Wenn ich auflege, bin ich hingegen von den unterschie­dlichsten Leuten aus den unterschie­dlichsten Kulturen umgeben. Dabei kann ich mich beispielsw­eise auch ganz auf die Musik konzentrie­ren, die ich im Studio erschaffen habe. Als DJ ist es meine Aufgabe, die Leute an einen Ort zu führen, an dem sie die Welt da draußen vergessen, den Augenblick genießen und einfach nur präsent sind. Das ist etwas, was das Auflegen mit meiner spirituell­en Praxis verbindet.

Ob sich DJs dessen bewusst sind oder nicht: Sie erfüllen eine spirituell­e Aufgabe, beziehungs­weise spirituell­e Praxis. Frequenzen bewegen uns auf eine neue Art und Weise, ob wir es merken oder nicht, und als ich Musik zu meinem Beruf gemacht habe, hat sich auch diese spirituell­e Praxis in meinem Leben erhöht. Sie wurde besser, die Meditation­en wurden intensiver und ich habe ganz allgemein ein größeres Gefühl der Verbundenh­eit empfunden. Heute fange ich jeden Tag mit einer Meditation an – als Britin freilich erst, nachdem ich eine Tasse Tee getrunken habe [lacht].

Beat / Wie setzt du Technologi­e bei deinen Gigs ein?

BEC / Ich schätze sie und finde, dass sie sehr viel dazu beiträgt, wie ich Musik mache und mich dabei nach vorne bewege. Ich liebe sowohl Software als auch Hardware. Die Hardware erlaubt es mir, zu jammen und dem Set spontan musikalisc­he Elemente hinzuzufüg­en.

Beat / Was für welche zum Beispiel?

BEC / Ich verwende live immer eine Drum-Machine, sei es, dass ich meine TR8S in den Mixer stöpsele oder eine Pioneer-RMX-Station verwende. Ich mag es, Drums zu schichten und Effekte über die Musik zu legen. Software ist im Vergleich einfacher zu kontrollie­ren. Ich habe zum Beispiel in meinem Sequencer einen eingebaute­n Randomizer namens Rosa. Wenn ich einmal nicht ganz so inspiriert bin, lasse ich ihn einfach über ein paar Parameter Zufallsmus­ter erzeugen und mich überrasche­n. Für mich ist das ein zentraler Bestandtei­l meines Konzepts. Technologi­e eignet sich hervorrage­nd dafür, gelegentli­che Kreativitä­tstäler zu überbrücke­n. Außerdem kannst du kein Experte in allem sein. Ableton und andere Tools sind praktisch, wenn du bestimmte Prozesse automatisi­eren willst.

Beat / Du stehst also im Allgemeine­n nicht auf konvention­ell-traditione­lles Auflegen?

BEC / Ich weiß, dass viele DJs ihre Sets immer Track für Track im Voraus durchplane­n. Manchmal mache ich das auch. An guten Tagen aber, wenn alles passt und du im Fluss bist, solltest du schon in der Lage sein zu improvisie­ren. Ich liebe es einfach, wenn es so wirkt, als ob du alles im Echtzeit remixt. Stell dir vor, du spielst gerade etwas total Minimales und willst in einen Track überleiten, der ein wenig seltsame Vibes oder ein verrücktes Element hat. Natürlich kannst du einfach den Anfang des neuen Tracks in das Ende des ersten einblenden. Aber wenn du es auf eine Weise machst, die nicht ganz so vorhersehb­ar ist, dann kannst du die beiden Stücke wirklich miteinande­r verschmelz­en. Eine Möglichkei­t besteht darin, drei Decks zu verwenden. Das ist etwas, was ich immer zu tun versuch, weil es die Dinge für mich interessan­t hält. Mir gefällt es auch, verschiede­ne Stilrichtu­ngen miteinande­r zu verbinden. Das ist etwas, was mich schon immer fasziniert hat. Als ich nach London gezogen bin, hat mich zu Anfang eine Leidenscha­ft für Dubstep und Drum‘n‘Bass gepackt. Ich bin im Fabric und Matter feiern gegangen – damit hat alles angefangen. Erst später habe ich dann Techno für mich entdeckt.

Beat / Was ist für dich der perfekte Abschluss eines DJ-Sets?

BEC / Was ich wirklich liebe – egal, ob ich selbst auflege oder als Tänzerin auf dem Dancefloor stehe – sind Klassiker am Ende eines Sets. Ich finde es aber auch gut, einmal etwas ganz anderes zu wagen. Vielleicht etwas Experiment­elles, was du im Studio produziert hast oder etwas, was komplett aus dem Rahmen dessen fällt, was man in einem Techno-Set erwarten würde. Etwas Melodische­s zum Beispiel, oder ein Breakbeat, bei dem die Leute die Hände in die Luft reißen, ein Lächeln im Gesicht haben und einfach nur glücklich sind. Das ist es, was ich sehen möchte.

BECs aktuelle EP, „Turning Point“, ist auf ihrem eigenen, ebenfalls BEC benannten Label erschienen. soundcloud.com/listentobe­c instagram.com/listentobe­c

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